Rheinpfalz Eine Prise Humor hilft

„Der Aufgang ist gut, aber die Türöffnung mangelhaft“: Der Behindertenbeauftragte des Bistums, Stefan Dreeßen, an der Bernhardsk
»Der Aufgang ist gut, aber die Türöffnung mangelhaft«: Der Behindertenbeauftragte des Bistums, Stefan Dreeßen, an der Bernhardskirche.

«Speyer.» Ein Gottesdienstbesuch gehört für viele Menschen gerade in der Weihnachtszeit einfach dazu. Doch wie ist steht es um die Barrierefreiheit der Kirchen in Speyer? Zusammen mit Stefan Dreeßen, Diplom-Theologe und Referent in der Seelsorge für Menschen mit Behinderung im Bischöflichen Ordinariat Speyer, hat die RHEINPFALZ den Praxis-Test gemacht. Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, kommen überall in die Kirche, allerdings nicht zu jeder Zeit und nicht immer aus eigener Kraft.

Kraft braucht man allerdings, um mit einem normalen Rollstuhl in die Kirche St. Bernhard zu kommen. Der Zugang ist barrierefrei, aber die Rampe zum Vorplatz ist so steil, dass ein Rollstuhlfahrer ohne Elektroantrieb an seine Grenze kommt. Stefan Dreeßen ist mit einem Rollstuhlfahrrad mit Elektro-Unterstützung unterwegs. Für ihn ist es also kein Problem, aber dennoch findet er, dass der Aufgang anders zu lösen gewesen wäre, beispielsweise mit einem Serpentinenweg. Vom Vorplatz führt eine weitere Rampe zu einem Seitenportal. Diesmal eine, wie sie in der DIN 18040-1 für barrierefreies Bauen gefordert ist: mit nur sechs Prozent Steigung und Zwischenpodesten zum Ausruhen. Dreeßen kommt ohne fremde Hilfe in das Kirchenschiff. Dort hört die Barrierefreiheit allerdings auf: Toiletten und Versammlungsräume sind nur über Treppen zugänglich. Weiter zum Dom. Vor dem Hauptportal schickt ein Schild Rollstuhlfahrer nach links. Und was dann? Der Besucher muss schon ganz genau hingucken, um das dunkelblaue Rollstuhl- Emblem auf der dunkelgrauen Säule an einem der hinteren Seitenportale zu entdecken. Mit Euro-Schlüssel lässt sich die rund 300 Kilogramm schwere Tür elektrisch öffnen. Ohne den Schlüssel bietet eine Ruftaste Hilfe. Die anderen Seiteneingänge sind zwar auch barrierefrei, ein Rollstuhlfahrer hat aber keine Chance, die schweren Türen zu öffnen. In den Dom kommt Dreeßen also leicht, aber bei den Treppen zum Querschiff oder in die Krypta, zur Grablege oder in die Afra-Kapelle hat er keine Chance. Er weiß zwar, dass es ein Rollstuhltransportgerät gibt. Einen Hinweis darauf findet man allerdings nicht. An der Kasse zur Krypta fragt er gezielt danach. Die Dame ist freundlich, reicht ihm eine Visitenkarte von Friederike Walter, der Leiterin des Kulturmanagements, und bittet darum, dort anzurufen oder bei der „Dom-Info“ vorbeizuschauen. Einen Telefonanschluss hat sie nicht, und mit dem Handy ist Telefonieren im Dom verboten. Wenig später kommt Friederike Walter persönlich vorbei und erklärt bedauernd, dass im Moment keine der drei Personen, die eine Einweisung in die Bedienung des Rollstuhltransportgerätes haben, verfügbar ist. Sie empfiehlt Rollstuhlfahrern, sich vorher telefonisch oder über die – übrigens barrierefreie – Homepage anzumelden. Bei Spontanbesuchen versuche man zwar, eine Besichtigung der Krypta und der Seitenschiffe zu ermöglichen, könne das aber nicht garantieren. „Uns ist auch klar, dass das nicht optimal ist, aber man muss einfach abwägen, was möglich ist“, sagt Walter. Ein Rollstuhltransportgerät sei flexibel, damit komme man mit Ausnahme des Turms überall hin. Menschen mit Sehbehinderung können kostenlos einen Audioguide ausleihen. „Wir hätten gerne noch ein taktiles Dommodell im Maßstab 1:100“, sagt Walter. Aber da müsse die Finanzierung noch geklärt werden. Toiletten gibt es im Dom nicht, dafür aber nebenan eine von der Stadt betriebene Toilettenanlage mit Behindertentoilette. „Schade nur, dass die nicht ausgeschildert ist“, findet Dreeßen. Insgesamt ist er mit der Situation in der Kathedrale zufrieden. Im benachbarten Friedrich-Spee-Haus, in dem sich auch das zentrale Pfarrbüro der Pfarrei Pax Christi befindet, ist für Rollstuhlfahrer alles gut erreichbar. Dreeßen könnte sich dennoch eine schönere Rampenführung zum Aufzug vorstellen. Auch das Ägidienhaus neben St. Joseph bietet keine Hindernisse für Rollstuhlfahrer. Es ist erreichbar. Vor der Kirche hingegen ist ein ortsfremder Rollstuhlfahrer zunächst ratlos: viele Stufen, kein Hinweis auf einen barrierefreien Eingang. Dreeßen weiß, dass es am linken Seitenportal einen Aufzug für Rollstühle gibt. Der ist allerdings zugeparkt, außerdem findet sich ohnehin niemand, der ihn bedienen könnte. Im Pfarrbüro sind die Rollläden unten, es ist aber auch wegen der Stufen und fehlender Klingel für Dreeßen unerreichbar. „Wir müssen draußen bleiben“, sagt Dreeßen scherzhaft. Ein Mensch mit Behinderung brauche manchmal schon eine gehörige Portion Humor, sagt er. In die Josephskirche kommt der Rollstuhlfahrer nämlich nur, wenn jemand da ist und den Sakristan informiert. Deshalb besucht Dreeßen lieber in St. Bernhard den Gottesdienst. Dort kommt er immerhin aus eigener Kraft in die Kirche hinein.

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