Grünstadt Bis die Weinreben verschwimmen

Von der RHEINPFALZ auf die Piste geschicht: unser Mitarbeiter Claudio Guzmán Heckwolf (vorne, blaues Shirt).
Von der RHEINPFALZ auf die Piste geschicht: unser Mitarbeiter Claudio Guzmán Heckwolf (vorne, blaues Shirt).
Vor dem Start

Eigentlich findet man auf solchen Veranstaltungen zwei Typen von Läufern. Da ist der gemütlich auf der Bank sitzende, oft korpulente Mann, der kurz vor dem Start eine oder im Zweifel auch mehrere Bockwürste verspeist. Und dann ist da das Fitnessstudio-Pärchen, das schon eine Stunde vorm Startschuss Runden dreht. Ich gehöre zu keiner Sorte, werde aber nach Erhalt meiner Startnummer doch von der großen Auswahl an Essen angelockt. Der Gedanke an mögliche Bauchschmerzen während des Rennens hält mich letztlich davon ab, zuzugreifen. Ich habe ohnehin ein ganz anderes Problem: Ich weiß gar nicht, wo ich überhaupt lang muss. Und fünf Kilometer sind eine lange Strecke. Aber auch dafür haben die Veranstalter eine Lösung: Eine aus Google Maps ausgedruckte Karte, auf der mit Edding der Streckenverlauf eingezeichnet wird, weist mir den Weg. Als Dorfkind aus der Region habe ich mich schnell reingefuchst. Wie Ortsunkundige sich den Weg merken beziehungsweise eine genaue Vorstellung der Strecke bekommen sollen, ist mir nicht klar. Ein sichtbarer Unterschied zwischen den Lauffanatischen und jenen, die zur Vorbereitung maximal einmal mit den Kollegen joggen gegangen sind, ist die Kleidung und die Ausrüstung. Bei ersten kosten die Laufschuhe gern Hunderte von Euro. Oberteil und Hose sind farblich perfekt mit den Stutzen oder Tennissocken abgestimmt. Und der Gürtel für das Smartphone und die Uhr am Handgelenk, die Zeit, Herzschlag und verbrauchte Kalorien misst, soll ebenfalls zeigen, dass hier einer mehr als einmal im Jahr laufen geht. Andere verzichten komplett auf technische Hilfsmittel und nehmen das Ganze mit Humor. Sie tragen T-Shirts mit bedruckter Rückseite, auf denen es etwa heißt: „Wenn du das lesen kannst, bin ich immerhin nicht Letzter“. Mittlerweile begeben sich alle Teilnehmer in Richtung Startpunkt, an dem eine halbe Stunde vor Beginn des Fünf- und Zehn-Kilometer-Laufs der 1000-Meter-Jugendlauf stattfindet. Hysterische Mütter und Väter sorgen für ein besonderes Ambiente. War schon immer so, wird auch immer so sein. Anders als bei den „Großen“ ist hier bis auf ein paar Ausnahmen wirklich jedem Läufer egal, wie er oder sie abschneidet und auf vielen Gesichtern ist ein Lächeln zu sehen, wenn am Ende die Medaillen ausgegeben werden. Nachdem auch das letzte Kind unter aufmunterndem Applaus der Zuschauer die Ziellinie überquert hat, wird es ernst. Jetzt wärmen sich auch die unerfahrensten Läufer auf, da der Start für die Erwachsenen unmittelbar bevorsteht. Eine Gruppe von Männern etwa zeigt Übungen, die zwar sicher ihren Nutzen haben, aber von außen betrachtet eher an eine Yogastunde für Kindergartenkinder erinnern. Auch ich fange an, mit ein bisschen Herumhüpfen die Muskeln zu lockern und mich zu dehnen. Die Hardcore-Läufer, die schon seit einer Stunde am Aufwärmlaufen sind, gelangen schweißüberströmt und teils schon leicht außer Atem an der Startlinie an. Der Sinn dieses extrem harten Aufwärmens will sich mir nicht erschließen. „Noch drei Minuten bis zum Startschuss“, tönt eine Ansage. Die Dame an der Anmeldung rät mir, mich an den Anfang der Schlange zu stellen. Ohne groß überrascht zu sein, mache ich einen Schritt zurück, als die vollausgestatteten „Profiläufer“ sich ganz nach vorne quetschen. In dem Moment ist sowieso alles egal, jeder Läufer ist ruhig und konzentriert sich entweder auf den bevorstehenden Lauf oder die Worte des Ansagers, der auf die Schnelle noch ein paar Infos loswird. Auch ich merke, wie mich die Aufregung packt und starte zur Beruhigung schon einmal die Musik-Playlist auf meinem Handy. Endlich kommt der große Moment und der 10-Sekunden-Countdown wird mit tatkräftiger Unterstützung der Zuschauer runtergezählt und der Startschuss ertönt. Der Lauf Ich nehme Fahrt auf und spüre, wie mein Antritt der Aufregung halber schneller als sonst vonstatten geht und werde abrupt von meinem Vordermann ausgebremst. Natürlich mussten sich ein paar von denen, die sowieso nicht vor hatten, aufs Ganze zu gehen, ganz vorne einreihen und jetzt den ganzen Verkehr aufhalten. An der ersten Stelle, an der die Strecke breiter wird, überhole ich mit einem großen Pulk ein paar Leute und bin froh, jetzt ein bisschen mehr Bewegungsfreiheit genießen zu dürfen. Einige Läufer rennen mit solch einer Geschwindigkeit an mir vorbei, dass ich mir nicht einmal im Traum ausmalen kann, wie sie das fünf oder zehn Kilometer durchhalten können. Nach dem ersten Kilometer macht sich die Sonne, die sich an diesem Nachmittag von ihrer guten Seite zeigt, bemerkbar und ich fühle mit der Läuferin im Langarm-Shirt, die ich in diesem Moment überhole, mit. Der Weg durch den Wingert ist aufgrund der vielen Steigungen, Löcher und Steine auch eine Stolperfalle und mein Fuß knickt mehr als nur einmal gefährlich in eine Richtung ab. Mittlerweile ist die Wärme so deutlich zu spüren, dass ich aufpassen muss, dass mir mein Handy nicht aus der verschwitzen Hand fällt. Seit dem ersten Kilometer hängt mir ein Mann an den Fersen, dessen Aufgabe offensichtlich nur darin besteht, knapp hinter mir zu laufen, nicht aber zu überholen. Dankbar höre ich die Ansage der freundlichen Frauenstimme meiner Lauf-App: „Drei Kilometer erreicht.“ Das heißt: Mehr als die Hälfte, was mir ein Grinsen übers Gesicht huschen lässt. Die Atmosphäre des gesamten Events ist sehr positiv und auch tief im Wingert stehen Menschen, um den Läufern zu applaudieren. Mittlerweile habe ich einen Tunnelblick und die Weinreben um mich herum sind nur noch verschwommene undefinierbare Teile der Umgebung. Die Vier-Kilometer-Markierung liegt bereits hinter mir und ich merke, wie meine Beine mit jedem Schritt schwerer werden und mir der Schweiß aus meinen Haaren in die Augen läuft. Die letzten Meter vor der Ziellinie sind in Sicht und ich nehme noch einmal all meine Kraft zusammen und setze zu einem Endspurt an. Von außen jubeln viele Menschen, bei meinem ausgewrungenen Anblick bejubeln sie wohl auch sich selbst, weil sie die clevere Entscheidung getroffen haben, nicht teilgenommen zu haben. Das Ziel wird von Sekunde zu Sekunde größer und klarer, mit zunehmender Geschwindigkeit verliere ich komplett den Überblick und sehe gerade noch rechtzeitig einen Ordner, der mich nach links raus navigiert. Im Ziel Voller Erleichterung überquere ich als Zweiter (huch!) die Ziellinie und nehme dankbar und gierig einen Schluck Wasser. Die allgemeine Organisation ist mit dem Eintreffen vieler Läufer auf einmal recht chaotisch und hin und wieder werden Startnummern und Zeiten verwechselt. Aber am Ende kommen alle gesund – und mehr oder weniger auch munter – an. DIE ERGEBNISSE Zehn Kilometer (105 Teilnehmer): 1. Jonas Uster (TSG Bad König, 35:27,7 Minuten), 2. Thorsten Müller (Grünstadt, 38:02,4), 3. Aoife Quigly (Engelhorn Sports Team, 39:17,7), 4. Fabio Cresentini (Engelhorn Sports Team, 39:18, 1), 5. Andreas Hippler (United Runners of Pfalz, 39:53,1) Fünf Kilometer (72 Teilnehmer): 1. Dario Hördemann (KSV Baunatal, 16:39,6 Minuten), 2. Claudio Guzmán Heckwolf (TuS Sausenheim, 18:12,2), 3. Rafael Bender (LC Bad Dürkheim, 18:26,1), 4. Nicholas Watson (20:27,7), 5. Ruslan Fursa (TV Rheinau, 20:30,8) 1000 Meter-Schülerlauf (34 Teilnehmer): 1. Julian Schreiner (TSG Grünstadt, 3:34,6 Minuten), 2. Lukas Wirth (Ludwigshafen, 3:47,1), 3. Lukas Garbe (TSG Grünstadt, 3:55,5), 4. Tim Kammerer (TSG Grünstadt, 3:59,8), 5. Leo Blankenfundland (LTV Bad Dürkheim, 4:00,3 Minuten)

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