Grünstadt Betont männliche Spielweise

Präzise, verlässlich, virtuos: Josef Moog in der Friedenskirche.
Präzise, verlässlich, virtuos: Josef Moog in der Friedenskirche.

Schon in der Pause war der Jubel groß, und am Ende wurde Josef Moog von 180 überwiegend hochzufriedenen Zuhörern in Grünstadt herzlich gefeiert. Nach neun Jahren konzertierte der aus Neustadt stammende, längst international gefragte Pianist zum zweiten Mal in der Friedenskirche derart fesselnd, dass man nur hoffen kann, es werde bis zum dritten Mal nicht noch mal so lange dauern.

Es gibt Pianisten, die so ziemlich jede Musik in eine Folge schöner Stellen auflösen, die bei Chopin weiches, gefühliges Pianissimo kultivieren, Debussy-Stücke in fein abgeschattete Farbstimmungen diffundieren lassen, in Beethoven nur den subjektiven Bekenntnisdichter sehen und sich dabei der raffiniertesten Anschlagdifferenzierungen bedienen, die moderne Klaviertechnik ermöglicht, ohne sich der Frage zu stellen, ob derartiges Klangraffinement auf den Instrumenten des 19. Jahrhunderts überhaupt zu verwirklichen war. Das ist Joseph Moogs Sache nicht. Er ist keiner – das mag mancher Hörer vermisst haben –, der musikalische Verläufe und Zusammenhänge in einzelne delikate Klangphänomene auflöst. Klarheit, Stringenz, sicherer, entschlossener Anschlag, in gewisser Weise auch interpretatorische Eindeutigkeit sprechen aus seinem Spiel. Er analysiert zunächst musikalische Verläufe und Strukturen. Da ist Klang, der nach gewissen Formgesetzen organisiert ist und den Hörer erfreuen soll, ihn gewinnen will: Der Gesamtsinn weist der Einzelheit ihren Rang zu und bestimmt, in welchem Maß sie als schöne Stelle leuchten darf. Zweifellos wünschte sich der dreißigjährige Beethoven ein Publikum, dem seine Musik gefällt. Das war die Mindestvoraussetzung dafür, dass er von ihr leben konnte. 1798 komponierte er seine achte Klaviersonate, die „Pathétique“ – ein Titel, der Verleger fand. Hier zeigt sich Beethovens ureigenster Stil erstmals voll ausgebildet. Der Kopfsatz ist reine Musik, andererseits scheint er eine Geschichte zu erzählen. Aber welche? Geht es um Revolution? Um Auseinandersetzung mit der Staatsmacht? Oder fällt hier jemand angesichts drohender Donnerschläge in munteren Dauerlauf, um noch vor dem Wolkenbruch ins Trockene zu kommen? Ist das Andante cantabile wirklich das romantische Nachtstück, als das es klanglich raffiniert so oft präsentiert wird? Wie wäre das auf einem damaligen Hammerfügel klanglich zu verwirklichen gewesen? Moog gibt eine Version der Sonate, die solche Fragen kaum aufkommen lässt, stellt die Struktur der Musik klar, glänzend, energiegeladen, in gewisser Weise betont männlich vor. Kein mysteriöses Pianissimo im Mittelsatz. Der Hammerflügel konnte es nicht. Mancher oft gehörte Effekt fehlt. Die Musik ist wieder nichts als Musik. Sie strahlt und leuchtet. Wunderschön. Wie virtuos Moog spielt, wie präzis und verlässlich seine Technik selbst im geschwindesten Tempo ist, fällt oft gar nicht auf: Weil der Pianist im Sinn des Gesamtverlaufs interpretiert. Mit knappen Worten führt der Künstler in die Stücke ein. Er sagt, dass er erst spät zu Chopin gefunden habe, angeregt und beunruhigt von der Aussage eines seiner Klavierlehrer: Deutsche könnten Chopin nicht spielen. Moogs Chopin ist zweifellos ein deutscher Chopin. Ein Zuhörer sagt das so: Den Chopin-Wettbewerb in Warschau würde er damit nicht gewinnen. Mag sein. Aber für jemand, der kein fest gefügtes Chopinbild mitbringt, sind Moogs Interpretationen von vier Salonstücken unterschiedlichsten Charakters sehr anregend. Dann Claude Debussy: „L’isle joyeuse“. Hier bleibt alles klar. Nichts ist verschwommen oder undeutlich. Schließlich Franz Liszt: Drei Sonette nach Petrarca in der Urfassung, betreffend die kameradschaftlich-caritative, die erotische und die himmlisch-kosmische Liebe. Es sind Lieder ohne Worte. Moog: „Ich stelle mir dabei einen Sänger vor.“ Und schon achtet jeder darauf, das es hier eine klare Melodie gibt, umspielt von mannigfaltigen Begleitstimmen. Das ist sehr reiche Musik, wunderbar verständlich gespielt, aber wahrscheinlich offenbart sie ihre Schönheit nicht schon beim ersten Hören – im Gegensatz zu Liszt 12. Ungarischer Rhapsodie, die dazu gemacht ist, in Melodien und Rhythmen zu schwelgen. Geradezu lustvoll spielte Moog sein virtuoses Können aus: filigran, rasant, federnd elegant, ein kunstvoll arrangiertes Feuerwerk der Klangfarben ist mitreißend schön. Der Saal jubelt. Als Zugabe gibt es eine hübsch eigene Fantasie Moogs über George Gershwins „It`s wonderful“ und die unermüdet perfekt gebrachte Etude tableau op. 33 Nummer 8 in g-Moll von Sergej Rachmaninoff.

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