Grünstadt Abgeschnitten

Unheimliche Ereignisse auf einem Leuchtturm – das ist der Stoff, aus dem Tanja Litschels Roman „Blutroter Sand“ gemacht ist. Krimi-Kolumnist Rainer Scheer stellt ihn in dieser „Crime Corner“-Episode vor.

Der Leuchtturm Roter Sand befindet sich am Rande der Deutschen Bucht, irgendwo zwischen Bremerhaven und Helgoland. Ende des 19. Jahrhunderts wurde er auf dem Meeresboden gebaut, auf der Untiefe „Roter Sand“. 1885 nahm er seinen Betrieb auf, 1964 war dann aber Schluss. Jahrzehntelang fristete er dann ein eher unwürdiges Dasein, ehe man auf die Idee kam, ihn zu sanieren – und sogar Touristen zugänglich zu machen, die dort nun auch übernachten können. Eigentlich ja eine tolle Idee, so ein Trip auf einen Leuchtturm. Moritz ist von seinem Plan ganz begeistert, hat seine Schwägerin Lisa doch Geburtstag. Allerdings ist die Überfahrt zum Leuchtturm das einzig Ruhige, was Lisa, Moritz, seine Ehefrau Karla und sein Sohn Leon auf dieser Reise erleben. Denn kaum sind sie auf dem Leuchtturm allein, geschieht Unheimliches. Die ohnehin nach dem Tode ihres Mannes labile Lisa meint, eben genau ihren Mann Robert auf dem Leuchtturm entdeckt zu haben. Und auch für Klara ist der Tod ihres Bruders noch nicht abgeschlossen. Schnell entwickelt sich ein Psychokrieg zwischen den beiden Frauen. Währenddessen blockiert ein Schiffsunfall die Fahrrinne. Hauptkommissar Anton Hayen und sein Team von der Wasserschutzpolizei beginnen mit den Ermittlungen. Dann wird ein Toter geborgen. Und ist wirklich jeder im Team Kommissar Hayen loyal gegenüber? Der Roman „Blutroter Sand“ von Tanja Litschel ist einzigartig. Da gibt es Szenen an einem Ort klaustrophobischer Enge, abgeschnitten von jedweder möglichen Rettung, da hätte Stephen King seine wahre Freude dran. Gleichzeitig entwickelt Litschel sehr gekonnt weitere Handlungsstränge, in die Hayen eingebunden ist. Pikant: Die Frau auf dem Leuchtturm, Lisa, ist seine große Liebe. Doch gibt es überhaupt eine Möglichkeit, von der Situation auf dem Leuchtturm Kenntnis zu erlangen und rechtzeitig Schlimmstes zu vermeiden? Die Geschichte lässt den Leser nicht los. Dieser besondere Schauplatz ist gut recherchiert. Die Enge, die Gegebenheiten, all dies ist vorstellbar, ebenso wie diese umwerfende Schönheit der Natur dort draußen in der Deutschen Bucht. Ungewöhnlich, packend, überzeugend, das ist „Blutroter Sand“ von Tanja Litschel. Und selbst wenn die Urlaubsfahrt in diesen Tagen nicht an die deutsche Nordseeküste führt, dieser Küsten-Krimi wirkt auch im Binnenland lange nach! Lesezeichen Tanja Litschel: Blutroter Sand. Emons 2019, Broschur, 336 Seiten, 11,90 Euro.