Frankenthal „Wo ist die Brut mit der Pälzer Schnuud?“

Trübes Wetter, heitere Stimmung: Mit einer Woche Verspätung und bei herbstlichen Temperaturen feierte das Sommerfestival in der Frankenthaler Erkenbert-Ruine am Sonntag seinen Abschluss. Beim Auftritt von Christian „Chako“ Habekost blieb kaum ein Auge trocken.

18.50 Uhr. Die Erkenbert-Ruine ist fast bis auf den letzten Platz besetzt. Dunkle Wolken am Himmel. Bange Blicke nach oben. Ob’s Wetter diesmal hält? Oder fällt der Auftritt des Mundart-Comedians wie vergangenen Sonntag dem Regen zum Opfer? 19 Uhr. „Chako“ betritt die Bühne. Ausnahmsweise, witzelt er, lasse er sein Publikum mal nicht schmoren, sondern beginne pünktlich. „Damit mer’s schnell hinner uns bringe“, schließlich kann das Wetter ja immer noch umschlagen. Seine Sorge ist unbegründet: Die Wolken bleiben, aber es fällt kein Tropfen. Ob da der Wettergott seine Finger im Spiel hat? Es scheint fast so. Zumal Glockenschlag und Glockenspiel der Zwölf-Apostel-Kirche immer just nach Chakos Pointen ertönen, als wollten sie ihnen Nachdruck verleihen. Was gar nicht nötig ist. Denn wenn Habekost loslegt, also seine Gosch zückt, ist zweierlei sicher: treffsichere Angriffe aufs Zwerchfell und ein begeistertes Publikum. Wer den Meister der Wortspiele und gewollten Versprecher bereits live erlebt hat, weiß, was kommt. Und wer ihn noch nicht kennt, staunt nicht schlecht, wenn Chako manchmal minutenlang durchbabbelt – etwa bei der „Ode an das Pfälzische“ oder der „Ode ans Dubbeglas“. Und fragt sich, wie man sich solch zungenbrecherische Wortkaskaden a) merken und b) in dieser Frequenz vortragen kann, ohne sich zu verhaspeln. Dass der Pfälzer ein Babbelfisch ist, der zum Reden wenig Luft, aber viel Flüssigkeit – vorzugsweise Wein – braucht, dafür ist „de Chako“ eben das beste Beispiel. Als selbsternannter „Palatinator“ – von Palatina gleich Pfalz – steht er, wie einst Arnold Schwarzenegger als Terminator, in schwarzer Lederjacke und verspiegelter Sonnenbrille auf der Bühne, die Mundwinkel nach unten gezogen. Ziemlich ernst schaut er drein. Kein Wunder, er bringt ja auch alarmierende Nachrichten mit: Pälzisch stirbt aus. Immer weniger Kinder zwischen Wald und Wingert reden Mundart. „Wo ist die Brut mit der Pälzer Schnuud?“ Anders als in Stuttgart („Dort könnt’ der Dialekt ja gern aussterben!“) muss man bei uns die wenigen Kinder, die noch Mundart beherrschen, unterm Vollernter hervorziehen und schütteln, damit noch Pfälzisch rauskommt. Dabei, sinniert Habekost, hilft Pfälzisch, die „Mudder aller verreckte Dialekte“, doch gegen so vieles. Besonders gegen dummes Gebabbel, das, so Chakos Beobachtung, mehr und mehr grassiert. Der Pfälzer hat dagegen die ultimative Waffe: „Un, wie?“ Mehr braucht es nicht, denn das kann alles heißen und sagt deshalb auch alles. Und überhaupt, fragt Habekost: Wer führt heute noch echte Gespräche und keine Schusswechsel? Wer hört noch richtig zu, anstatt seinem Gegenüber sofort das Ruder aus der Hand zu nehmen und das Gespräch auf sich selbst zu lenken? Solche „Kommunikationspiraterie“, die hätte es früher nicht gegeben. Früher – das Stichwort für einen alten Bekannten, den „Woifeschdbesucher“. Der trägt die Hose überm Bauchnabel, hebt den Zeigefinger in die Höhe und erklärt: „Frieher hot’s des ned gewwe“. Kein Lachyoga und keine Gesichtscreme für Männer und auch kein Parfum namens „Eternity“, sondern 4711, das „Maggi der deutschen Kosmetik“. Was nicht heißen soll, dass früher alles besser war. Nur eben „annerschd“. Früher gab’s Pfälzer Weinstuben, Designhöllen in Eiche rustikal mit babbischen Speisekarten, heute sind’s Vinotheken und Weinlounges, wo alle voll sind, nur die Teller nicht, weil’s Tapas gibt. Hat halt, so das Fazit des Abends, alles seine Vor- und Nachteile.

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