Frankenthal Weitere Stolpersteine sollen an NS-Opfer erinnern

Künstler Gunter Demnig wird diesmal nicht zur Verlegung der Stolpersteine nach Frankenthal kommen.
Künstler Gunter Demnig wird diesmal nicht zur Verlegung der Stolpersteine nach Frankenthal kommen.

Fünf weitere Stolpersteine werden nach ihrer Verlegung am Mittwoch, 15. Juni, in der Stadt an ehemalige jüdische Mitbürger erinnern, die Opfer des Nationalsozialismus geworden sind. Ins Leben gerufen wurde das Projekt von dem Kölner Künstler Gunter Demnig.

In der Kanalstraße 16 werden künftig vier Stolpersteine an Adolf und Karolina Heimann sowie deren Kinder Erich und Ilse Hildegard erinnern. Wie der Förderverein für jüdisches Gedenken, der das Projekt in Frankenthal betreut, berichtet, betrieb Adolf Heimann dort ab 1920 eine gut gehende Viehhandlung. Der Sohn absolvierte 1926 das Real-Lehrinstitut, die Tochter besuchte die Karolinenschule. Sie war zudem in einer jüdischen Jugendgruppe aktiv. Zur Zeit des Nationalsozialismus verkaufte Adolf Heimann die Viehhandlung an den Landwirt Eugen Leidig, der Heimann im Gegensatz zu vielen anderen „Käufern“ jüdischer Anwesen und Geschäfte den tatsächlichen Marktwert zahlte.

Ilse Hildegard Heimann verließ Frankenthal 1935 und floh in die USA. Dort heiratete sie den Philosophieprofessor Julius Rudolph Weinberg und bekam zwei Kinder. Sie starb am 10. Juli 1994. Ihr Bruder Erich Heimann flüchtete am 31. Mai 1937 ebenfalls in die Vereinigten Staaten, wo er die aus Heidelberg stammende Doris Hess heiratete. Am 25. September 1945 wurde Sohn Roy Martin geboren. Die Eltern folgten am 18. August 1938 in die USA. Karolina Heimann starb am 1. März 1959, ihr Mann Adolf am 3. März 1962.

Enkelsohn reist an

Enkel Roy Martin reist eigens zur Verlegung der Stolpersteine an und wird am Mittwoch, 15. Juni, ab 13 Uhr eine kurze Ansprache halten. In seinem Schriftwechsel mit dem Förderverein jüdisches Gedenken habe Martin betont, dass sein Großvater den Käufer der Viehhandlung immer als einen ehrenwerten Mann bezeichnet habe.

Im Anschluss wird ab 14 Uhr ein Stolperstein in der Wormser Straße 19 (Ecke Schmiedgasse) verlegt. Dieser wird künftig an Maria Müller erinnern, die 1880 in Leistadt als viertes von zehn Kindern geboren wurde. Nachdem ihr Mann sie und ihre vier Kinder verlassen hatte, musste sie die Familie mit verschiedenen Tätigkeiten ernähren. Müller interessierte sich früh für die Ideen der Sozialdemokratie und war bis zu ihrem Tod 1966 Mitglied der SPD.

Nachdem die Frau in einem Gespräch mit einer Bekannten die Nationalsozialisten heftig kritisiert hatte, zeigte diese sie an. Ein Sondergericht am Landgericht Frankenthal, das für „politische Straftaten“ zuständig war, verurteilte Müller am 15. November 1933 zu einer Gefängnisstrafe von sechs Wochen und zur Übernahme der Verfahrenskosten. Am 5. Januar 1934 kam sie in Haft, wurde jedoch bereits am 1. Februar auf Bewährung entlassen. Die restlichen 15 Hafttage und die Kosten wurden ihr erlassen. Müller weigerte sich jedoch, am Wahltag eine Erklärung abzugeben, dass sie einem Irrtum erlegen und der Nationalsozialismus der richtige Weg sei. Im Wahllokal sagte sie unter Zwang: „Ich wähle heute nationalsozialistisch.“ Nach einer kurzen Pause ergänzte sie: „Aber das letzte Wort hat der Sozialismus.“ Müller wurde daraufhin direkt wieder ins Gefängnis gebracht.

Ministerium hebt Urteil auf

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Maria Müller weiter in der SPD aktiv. Außerdem engagierte sie sich für die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). Sie starb am 11. Juni 1966. Mehr als 30 Jahre nach ihrem Tod wurde das Urteil vom 15. November 1933 gegen sie vom rheinland-pfälzischen Justizministerium aufgehoben. Oberbürgermeister Martin Hebich (CDU) wird bei der Verlegung des Stolpersteins ab 14 Uhr eine Rede halten. Liedermacher Uli Valnion wird die weiteren Redner von SPD und ASB mit musikalischen Beiträgen unterstützen.

Künstler Gunter Demnig wird bei der achten Stolpersteinverlegung in diesem Jahr in der Stadt nicht dabei sein. Mitarbeiter des Eigen- und Wirtschaftsbetriebs Frankenthal (EWF) werden die Aktion vornehmen. 103 Stolpersteine werden dann auf Frankenthaler Straßen liegen.

Aktion geht weiter

Wie der Förderverein weiter mitteilt, konnten durch eine „großzügige Spende“ der ehemaligen Frankenthaler Familie Albrecht wieder Stolpersteine in Auftrag gegeben werden. Im November sollen weitere sechs Exemplare in der Schnurgasse für die Familien Lang und Salmon verlegt werden. Beide Familien betrieben dort ein Textilgeschäft, das als „Kaufhaus Stuckert und Müller“ arisiert wurde. Aus dem Kaufhaus entstand nach einem Umbau in den 1950er-Jahren das Café Meyer. Heute befindet sich dort das Café Solino.

„Stolpersteine sind als Erinnerungsobjekte einzigartig“, betont Werner Schäfer vom Förderverein. Mehr als andere Gedenksteine aktivierten sie die Menschen. Bei einem Aktionstag am Montag, 13. Juni, reinigen Schüler die metallenen Oberflächen der bereits verlegten Steine in der Stadt. Der Förderverein informiert dabei über das Leben der Opfer.

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