Frankenthal „Was soll denn noch passieren?“

Viel Zeit hat das Gericht gestern im Mordprozess auf die Befragung direkter Tatzeugen verwendet – ohne großen Erkenntnisgewinn.
Viel Zeit hat das Gericht gestern im Mordprozess auf die Befragung direkter Tatzeugen verwendet – ohne großen Erkenntnisgewinn.

Was direkte Zeugen der tödlichen Messerstiche vor dem Frankenthaler Hallenbad am 8. Januar gehört und gesehen haben – diesen Komplex hat die Kammer im Mordprozess gegen einen 26 Jahre alten Türken gestern ausführlich beleuchtet. Der Erkenntnisgewinn: vergleichsweise gering. Ein Freund des 51-jährigen Opfers machte mit seiner Aussage im Zeugenstand allerdings deutlich, wie viel Emotion in diesem Verfahren steckt.

Die entscheidende Frage nach Motiv und Hintergründen für die Tat bleibt auch gestern Nachmittag unbeantwortet. Der Zeuge beschreibt seinen getöteten Freund, mit dem er als Boxtrainer in einem Ludwigshafener Fitnessstudio gearbeitet hat, einerseits als „sozial sehr engagiert“, andererseits aber auch „topfitten“ und aufgrund seiner Kampfsporterfahrung auch wehrhaften Mann. Recht schnell rücken bei der Befragung des Mannes, der wie der Angeklagte und das Opfer der Messerattacke türkische Wurzeln hat, Ereignisse aus dem Februar 2015 auf dem Mannheimer Marktplatz in den Fokus. Zur Erinnerung: Damals waren rivalisierende Gruppen, darunter Mitglieder der rockerähnlichen Vereinigung Osmanen Germania, aneinander geraten. Ein Mann erlitt Schusswunden; der heute wegen Mordes Angeklagte wurde durch Messerstiche verletzt. Sein späteres Opfer soll, so steht es im Urteil des Landgerichts Mannheim zu den damaligen Ereignissen, eine Art Vermittlerrolle gespielt haben. Das bestreitet der Zeuge: Er und sein Freund seien nach dem Training zum Essen nach Mannheim gefahren und mehr oder weniger zufällig im selben Restaurant gelandet, wo der blutige Streit seinen Anfang nahm. Mögliche Rivalitäten seien ihnen beiden „relativ wurscht“ gewesen. Eine unterstellte Nähe zu den inzwischen verbotenen Osmanen existiere nicht. Der Vorsitzende Richter Karsten Sauermilch will sich damit nicht zufriedengeben. Er fragt nach möglichen weiteren Gründen, warum der Angeklagte drei Jahre nach dem geschilderten Zwischenfall noch so zornig oder nachtragend sei, dass er beschließe: Dieser Mann soll nicht mehr länger leben. Sauermilch weist auf die hohen Sicherheitsvorkehrungen für die Hauptverhandlung hin, die zum Teil von maskierten Polizeibeamten geschützt werde. „Gerade weil alle Beteiligten so emotional sind, frage ich mich, ob das wirklich alles so belanglos ist“, stellt der Richter in den Raum. Der Zeuge lässt wiederum durchblicken, dass sich die Familie seines gewaltsam ums Leben gekommenen Freundes nach der Tat nicht sicher fühle. „Die Angst ist immer da.“ Von Verteidiger Heinrich Maul angesprochen, dass er selbst mit einer scharfen Waffe in der Nähe der Wohnung des Angeklagten angetroffen worden sei, gibt sich der Mann zugeknöpft. Das dazugehörige Verfahren laufe noch. Seine Anspielung auf das diffuse Unsicherheitsgefühl der Familie des Opfers veranlasst den Angeklagten zu der Klarstellung, dass nichts mehr passieren werde. „Was soll denn noch mehr passieren?“, reagiert die als Nebenklägerin auftretende Witwe des Getöteten ungehalten. Am Ende steht der Satz des Zeugen: „Keiner will hier weiter Stress haben. Dafür gibt es in Deutschland Gerichte.“ Der Prozess wird am Mittwoch, 5. Dezember, 13 Uhr, fortgesetzt.

x