Frankenthal Showman alter Schule
Wer am Freitagabend zum Eröffnungskonzert des Festivals Jazz and Joy in Worms keinen Platz mehr unter der großen Überdachung der Bühne gefunden hatte, wurde pudelnass. Es tröpfelte, es sprühte und es schüttete, dass man Angst bekommen konnte um Licht- und Tontechnik. Auch auf dem maßgeschneiderten Anzug von Maceo Parker zeichneten sich kleine Wasserflecken ab. Doch der Saxofonist verzog wie stets keine Miene. Die teils von weit her angereisten Zuschauer ließen sich auch nicht vertreiben.
Die Auftritte des Funkpriesters sind wahre Hochämter. Seine „funky fiesta“, wie er sein Bühnenprogramm nennt, folgt einer festen Liturgie. Zu ihr zählen seine Maskerade mit Sonnenbrille als Ray Charles ebenso wie die kleine Jazzparodie zusammen mit Keyboarder Will Boulware, das neckische Zitat des Kinderlieds „Brüderchen, komm tanz mit mir“ durch den Posaunisten Dennis Rollins, die starre Pose der Band nach dem Zuruf „freeze it“ oder ausgiebige und durchaus beliebte Frage-und-Antwort-Spielchen mit dem Publikum. „We Love You“, ruft er den Zuschauern zu, und diese geben die Liebe gerne zurück. Mit vielfach wiederholten Anfeuerungsrufen wie „take it to the bridge“ oder „gimme some more“, die man von Platten James Browns kennt, huldigt Maceo Parker auch seinem ehemaligen Bandchef, in dessen Bläsergruppe seine Karriere vor einem halben Jahrhundert begann. Maceo Parker ist ein Showman alter Schule, der seine Konzerte mit allen Zutaten garniert, welche die amerikanische Unterhaltungsindustrie zu verlangen scheint, die aber unter Westeuropäern meist etwas reservierter aufgenommen werden. Doch seine Gemeinde in Worms ist tanzwütig und trotz der Wetterunbillen willens, einen schönen Abend zu verleben. Manchen ist wohl Maceo Parkers erster Auftritt in Worms noch in guter Erinnerung, und der liegt schon 20 Jahre zurück. Doch erstaunlich viele junge Leute mischen sich unter die Grauhaarigen Ü40 und Ü50, die Parkers Musik zum Repertoire ihrer Jugend zählen. Eine Dame mit onduliertem Haar, die wegen ihrer Größe zwar nicht viel sehen dürfte, doch begeistert mitwippt, dürfte dem Protagonisten auf der Bühne an Jahren nicht nachstehen. Und recht hat sie. Am besten klingt Maceo Parker live. Das scheint er selbst zu wissen und gehört mit seinen 71 Jahren und rund 200 Konzerten im Jahr nach wie vor zu den meistbeschäftigten Musikern weltweit. Drei, vier Stunden konnten seine Funkorgien noch bis vor ein paar Jahren dauern. Jetzt geht er es etwas ruhiger an. Zwar lässt er sein Altsaxofon immer noch mit viel Soul im Sound geschmeidig über eingängige Melodiebögen wandeln und mit viel Groove und bestechendem Timing über Synkopen und Break’n’Stops hüpfen. Doch hielt er früher die Hebel seiner kräftig einheizenden Stimmungsmaschine fest in der Hand, gönnt er sich jetzt kleine Verschnaufpausen, in denen er seiner Band Raum zur solistischen Entfaltung lässt. Während der Gitarrist Bruno Speight den Freiraum zu einem zwar federnden, aber für Funk ganz untypisch fast ätherischen Alleingang nutzt, spielt Bassist Rodney „Skeet“ Curtis einfach weiter seinen tief gründelnden, hart angeschlagenen Bass. Schlagzeuger Marcus Parker, Sohn von Maceos Bruder Melvin, steuert eine zeitgenössische Zwiesprache mit der Drummaschine bei. Und Maceos angeheiratete Nichte Darliene Parker hat ihren großen Auftritt mit einer erotisch-rauen Version von „Stand By Me“. Maceo selbst verzichtet inzwischen auf längere Gesangseinlagen zugunsten peitschend wiederholter Einwürfe. Manche Titel besagen ohnehin schon den ganzen Liedtext wie „Off the Hook“ vom Album „Made By Maceo“ (2010) oder „Make It Funky“ von der Platte „Maceo“ (1998). Das Programm des Abends ist ein Querschnitt durch die lange Karriere. „Let’s Get It On“ von „Mo’ Roots“ (1998) ist dabei in Erinnerung an Soulman Marvin Gaye und zum Abschluss auch der probate Gassenhauer „Pass the Pease“ von der Platte „Roots & Grooves“ (2007).