Frankenthal Sechs Kandidaten wollen auf Chefsessel

Das Wormser Rathaus – wer regiert ab 2019 hier?
Das Wormser Rathaus – wer regiert ab 2019 hier?

Am Sonntag, 4. November, wählen die Wormser ihren Oberbürgermeister, der die Geschicke der Stadt acht Jahre ab 2019 lenken soll. Sechs Kandidaten bewerben sich um das Amt. Sie repräsentieren die im Stadtrat vertretenen Fraktionen.

Die rund 60.000 Wahlberechtigten können wählen zwischen Ricarda Artelt (FDP), dem parteilosen Kandidaten „mit inhaltlicher Nähe zu FWG-Bürgerforum“ Peter Englert, Georg Gräff (Die Linke), Richard Grünewald (Grüne), Adolf Kessel (CDU) und dem Amtsinhaber Michael Kissel (SPD). Mit der 45-jährigen Ricarda Artelt (FDP) geht in Worms nach Herta Egli (Grüne) 2003 erneut eine Frau ins Rennen um das höchste Amt. Die gebürtige Essenerin lebt seit drei Jahren in Flörsheim-Dalsheim. Artelt leitet das Wahlkreisbüro des FDP-Landtagsabgeordneten Marco Weber. Dass sie von außen kommt, sei ein Vorteil: „Ich habe einen offenen Blick“, sagt sie. 14 Jahre lang hat die Marketing-Fachfrau im RWE-Konzern nach ihren Worten „den Wechsel vom Energieversorger zum Dienstleister begleitet“. Erfahrungen aus der freien Wirtschaft könnten im Amt nicht schaden, denn eine hoch verschuldete Stadt sollte wie ein Wirtschaftsunternehmen geführt werden, sagt sie. Entschuldung, die Privatisierung städtischer Beteiligungen hätten Priorität. Statt auf Logistik zu setzen, sollten über eine niedrige Gewerbesteuer neue Unternehmen, möglichst aus dem Technologiebereich gute Bedingungen finden. Ein wichtiges Anliegen sind für Artelt die U3-Kinderbetreuung – nur jedes fünfte Kind erhält derzeit einen Platz – und kreative Lösungen für Schichtdienstler. Als parteiloser Kandidat geht der Schauspieler und Döftel-Sänger Peter Englert (28) an den Start. Der stadtbekannte Blogger und Initiator eines Terence-Hill-Hypes zur Umbenennung der Fußgängerbrücke über die B9 wird aufgrund „inhaltlicher Nähe“ vom FWG-Bürgerforum personell und fachlich unterstützt. Dessen Vorsitzender Mathias Englert –„nicht verwandt oder verschwägert“ – sieht im Mitbegründer der Initiative #WormsWillWeiter den „kreativen Gegenentwurf“ zu anderen Kandidaten. Englert wolle „unkonventionelle Wege gehen“. Der Kandidat sagte in einer Pressekonferenz, dass er größtmögliche Transparenz anstrebe. Das Potenzial der Hochschule wolle er nutzen und Absolventen zu Start-ups in Worms anregen. Englert könnte viele junge Wähler zur Urne ziehen. Georg Gräff (Die Linke) ist im hessischen Heppenheim geboren, nach Worms kam der heute 31-jährige Einzelhandelskaufmann der Liebe wegen. Parteimitglied ist er seit einem halben Jahr. Vorrangig gehe es ihm und seiner Partei darum, die eigenen Botschaften rüberzubringen. Die Linke verstehe sich als Anwalt der sozial Schwachen, sagt er. „Die Unterschicht hat das Gefühl, es geht in der Stadt mehr um Prestige, um die kulturelle Seite, doch es gibt eben auch die andere, doch da wird zu wenig hingeschaut“, sagt Gräff. Er rechnet mit drei Prozent der Stimmen für Die Linke. Für ihn selbst ist es auch eine Möglichkeit, sich bekannt zu machen, denn er möchte bei der Kommunalwahl in den Stadtrat einziehen. Über die Stadtgrenzen hinaus bekannt geworden ist der Winzer und studierte Theologe Richard Grünewald (Grüne) durch den von ihm mit initiierten Kampf gegen das Industriegebiet Am Hohen Stein. Die Pläne, brachte letztlich eine Hamsterpopulation zu Fall. „Ich möchte für eine andere Kultur des Umgangs stehen“, sagt er und meint „Teamarbeit statt Bastakultur“. Letztere bremse vieles, motiviere Mitarbeiter nicht, kreative Ideen zu entwickeln, sondern eher zum Dienst nach Vorschrift. „Das tollste Genie bringt nie so gute Lösungen wie die Gruppe“, meint er. Auf Grünewalds Prioritätenliste stehen Bildung und Qualifikation. Er plädiert dafür, die Stadtbücherei zu ertüchtigen und mit der Volkshochschule in einem gemeinsamen Haus der Bildung zusammenzufassen. „Uns fehlt es nicht an Gewerbeflächen, uns fehlt es an gut ausgebildeten Menschen“, begründet er seinen Schwerpunkt auf Bildung. In der Stadtentwicklung gelte es zu schauen, „was wichtig und dringend ist“ und nicht erst nach Fördertöpfen zu schielen. Nach Gesprächen mit Externen sei die Wahl laut CDU-Stadtratsmitglied und Fraktionssprecher Klaus Karlin auf Adolf Kessel als „glaubwürdige Alternative zum jetzigen Amtsinhaber“ gefallen. Der 60-Jährige sei in der Politik beheimatet, verfüge über Verwaltungswissen und stehe für eine andere Regierungsform als die gegenwärtige, die wie ein Flaschenhals auf eine Person konzentriert sei. Kessel selbst betonte bei einem Pressegespräch, er wolle sich nicht in den Vordergrund drängen, dennoch nehme er die Aufgabe an. Als Ziele nannte er, die Stadt näher an den Rhein zu rücken, attraktiv zu machen für Wohnen, Leben, Arbeiten. Bislang habe die Stadt nur reagiert, statt agiert. So verweist er auf herunterfallende Schuldecken. Adolf Kessel ist seit 19 Jahren Ortsvorsteher von Rheindürkheim und Stadtratsmitglied, seit neun Jahren für die CDU im Landtag. Problematisch könnte für ihn sein, dass CDU und SPD seit vielen Jahren koalieren. Ob er nach 16 Jahren amtsmüde sei, verneint OB Michael Kissel (63): „Ich arbeite sehr gerne, mit Leidenschaft und ungebrochener Motivation für meine Stadt.“ Dass er Kritiker hat, weiß er: „Wer in der konkreten Verantwortung steht, kann es nur selten allen recht machen.“ Sein Arbeitsprogramm: Die hohe Lebensqualität weiter auszubauen, das Wohnungsbauprogramm umzusetzen, die Bildungslandschaft weiter zu verbessern und Kita-Plätze zu schaffen, die Verkehrsinfrakstruktur zu sanieren, den Wirtschaftsstandort zu stärken und das kulturelle Angebot zu verstetigen. Dass sich die Stadt unter seiner Führung „prächtig entwickelt“ habe, sieht er als Empfehlung. Dass Mitbewerber aus Unkenntnis oder populistischen Erwägungen „das Blaue vom Himmel versprechen“, sei menschlich, aber die Wähler hätten ein sicheres Gespür für das Machbare. Bei der OB-Wahl 2011 entschied Michael Kissel mit 53 Prozent der Stimmen die Stichwahl gegen Klaus Karlin (CDU). Die Wahlbeteiligung lag bei 40 Prozent. Im ersten Wahldurchgang gingen rund 55 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne. Der Amtsinhaber erreichte rund 46, Karlin 27, der unabhängige Rudolf Strupp 15, Michael Mahla (Grüne) acht und Sebastian Knopf (Die Linke) drei Prozent.

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