Frankenthal „Sündenfall Lekkerland“
Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen, Flächen außerhalb des Stadtgebiets nicht zu versiegeln und die Renaturierung fortzusetzen – das sind einige Punkte, mit denen Gerhard Bruder, Grünen-Spitzenkandidat bei der Kommunalwahl am 25. Mai, das Parteiprogramm am Freitagabend im Café Ideal umriss. Bundesvorsitzender Cem Özdemir sprach vor rund 50 Zuhörern über Europapolitik.
In der Frage um die Unterkunft von Flüchtlingen in der Stadt sei eine „schlimme Diskussion“ losgetreten worden, betonte Bruder, der sich für eine „dezentrale Unterbringung in normalen Wohnungen“ aussprach: „Wir unterstützen entsprechende Anmietungen seitens der Stadtverwaltung.“ Leider zögen nur wenige Vermieter mit. Eine zentrale Unterkunft wie in der Eulenburg in der Westlichen Ringstraße sollte vernünftig eingerichtet werden. Auf keinen Fall sollten die Menschen im Industriegebiet versteckt werden. Zum demografischen Wandel sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat: „Die Bevölkerung in Frankenthal hätte längst abgenommen, wenn sie durch Zuwanderung nicht ausgeglichen worden wäre.“ Nur durch den Zuzug von Menschen könne die städtische Infrastruktur aufrechterhalten werden. Bruder sprach sich erneut gegen Ansiedlungen außerhalb der Stadt aus. Vorrangig sollten Freiflächen im Innengebiet bebaut werden. Den Startschuss für das Gewerbeareal Am Römig bei Eppstein bezeichnete er als „Sündenfall allererster Güte“. Logistikunternehmen benötigten viel Platz und brächten nur wenige Arbeitsplätze, sagte er zur geplanten Ansiedlung von Lekkerland. Der Bahnhofsvorplatz als „Jahrhundertprojekt“ müsse zu einem einladenden Entree in die Stadt umgestaltet werden. Knackpunkt sei allerdings der Verkehr. „Die Grünen in Frankenthal stehen hinter den Renaturierungsmaßnahmen“, bekannte der Spitzenkandidat mit Blick auf den Altrheingraben, bei dem Gutachten bescheinigten, dass er keine Auswirkungen auf das Grundwasser im Ziegelhofgebiet haben werde. Die Ängste der vom Hochwasser betroffenen Menschen nehme man aber ernst. Nicht zustimmen werde man aufgrund des Störungspotenzials der angedachten Ansiedlung des Tierschutzvereins am Kleinen Wald, „auch wenn wir Grüne immer die Interessen des Tierschutzvereins vertreten haben“. Keine Abstriche dürfe es bei städtischen Einrichtungen wie der Musik- und Volkshochschule sowie den Schwimmbädern geben. Der Mediziner bekannte sich auch zur Stadtklinik: „Sie ist optimal aufgestellt und bietet eine gute Grundversorgung für die Bevölkerung.“ Um die Lokalpolitik transparenter zu gestalten, schlug Bruder vor, die Abstimmungsergebnisse aus dem Stadtrat im Internet zu veröffentlichen. Auch die Fragestunde am Ende der Sitzungen sollte aufgelockert werden. Bürger sollten sich spontan, ohne schriftliche Voranmeldung äußern können. Grünen-Bundesvorsitzender Cem Özdemir warb für eine hohe Wahlbeteiligung bei der ebenfalls am 25. Mai stattfindenden Europawahl. In der Ukraine-Krise müsse Europa mit einer Stimme sprechen. „Anstelle von 28 Bonsai-Außenministern bräuchten wir einen Außenminister für die gesamte EU“, sagte der ehemalige Abgeordnete des Europaparlaments. Genauso wichtig sei eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik. Sorge bereite ihm das Erstarken nationalistischer und europafeindlicher Parteien in vielen EU-Ländern, befand Özdemir. „Der Geist des Nationalismus und Fanatismus spukt nicht nur in der Ukraine oder in Russland, sondern auch mitten unter uns.“ (gnk)