Frankenthal Pfälzisch als Kulturschock

Eigentlich sollte ihre Tochter damals bei der Theatergruppe des Eppsteiner Turn- und Sportvereins schauspielern, doch die wollte nicht. Da begeisterte sich Sermin Tas schließlich selbst für das Theaterspielen und wurde zum festen Bestandteil des Ensembles. Seit vier Jahren ist sie mittlerweile dabei und stand unlängst als türkische Putzfrau in dem Stück „Ein Dorf ohne Tratsch iss wie ä Supp ohne Salz“ auf der Bühne.

Sermin Tas erblickte 1967 in Istanbul das Licht der Welt und verbrachte anschließend einen Großteil ihrer Kindheit bei der Großmutter. Die Eltern waren zwei Jahre nach ihrer Geburt nach Deutschland gegangen und Tas besuchte sie nur in den Sommerferien, bevor sie selbst im Alter von zwölf Jahren nach Deutschland kam. Hier lebte sie mit ihrer Familie zunächst in Ludwigshafen, wo sie in die Haupt- und Realschule ging, um anschließend eine Ausbildung zur Chemisch-technischen Assistentin zu absolvieren. Später machte Tas auf der Abendschule ihren Techniker und arbeitete bei einem großen Chemieunternehmen. Seit 15 Jahren lebt sie zusammen mit ihrem Mann und zwei Kindern in Eppstein. Dass Sermin Tas türkischer Abstammung ist, merkt man nicht. Sie spricht fließend und akzentfrei Deutsch. Und seit sie im letzten Jahr beim mittlerweile eigenständigen Eppschdääner Theaterverein als neugierige Nachbarin auf der Bühne stand, kann sie auch Pfälzisch reden. „Das war für mich zunächst so was wie ein Kulturschock, aber mittlerweile ist es bei uns zur Weltsprache geworden. Meine Schwester und ich fragen uns beispielsweise oft schon auf Pfälzisch „Bischt daheem?“, erzählt die 47-Jährige lachend. Am schlimmsten aber sei die Rolle der türkischen Putzfrau Aishe im letzten Stück gewesen, in der sie in gebrochenem Deutsch reden und ein Kopftuch tragen musste. Ihre Theaterkollegen hätten immer zu ihr gesagt „das wird deine Rolle“, aber sie habe sich stets dagegen gewehrt. Das typische Klischee der türkischen Putzfrau mit Kopftuch, liege ihr überhaupt nicht. „Das ist nicht meine Welt. Ich trage privat kein Kopftuch“, sagt die Eppsteinerin, für die das Tuch auch als politisches Symbol steht, das sie entschieden ablehnt. Außerdem habe sie keine „Kanak Sprak“ reden können. „Ich finde das schrecklich. Es ist etwas, was ich immer abwertend gefunden hatte und dann noch in dieser Verkleidung. Das ging gar nicht“, erzählt Tas. Aber als sie „getickt“ habe, dass es nur eine Rolle sei, habe sie ihren Frieden mit Aishe gemacht. „Kanak Sprak“ ist eine Bezeichnungen für einen Szenejargon, der überwiegend von zweisprachig aufgewachsenen, meist türkischstämmigen Jugendlichen gesprochen wird. „Ich ging erstmal in die Stadtbibliothek und holte mir eine CD des Komikers Bülent Ceylan, der die Sprache perfekt beherrscht“, berichtet Tas weiter. „Obwohl man sich hier im Ort kennt, haben mich viele bei der Aufführung nicht erkannt, selbst die Cousine meines Mannes nicht“, sagt sie. Die perfekte Umsetzung der Rolle rief allerdings auch negative Reaktionen hervor. Als Tas durch das Publikum hindurchging, bevor sie auf die Bühne trat, wurde sie mit einem barschen „Hau ab“ empfangen. „Diese Feindlichkeit hat mich sehr irritiert. Damit, dass hier immer noch solche Vorurteile herrschen, hatte ich nicht gerechnet, zumal wir das in Eppstein vorher nie zu spüren bekommen haben“, wundert sich Tas, die Schriftführerin beim Eppschdääner Theaterverein ist. Als der Verein 2010 Nachwuchstalente suchte, hatte Tas zunächst an ihre Tochter gedacht. Diese konnte sich jedoch mit dem Schauspielern nicht anfreunden, ihre Mutter dafür umso mehr. „Wir haben so viel Spaß zusammen, verstehen uns gut und sind auch privat befreundet, sagt sie über das Ensemble, das mittlerweile zu einer Art Familienunternehmen geworden ist. Auch Ehemann Ahmet bringt sich ein. Er kümmert sich um die Licht- und Bühnentechnik. Wenn es die Zeit zulässt, geht Sermin Tas in ihrer Freizeit ins Fitnessstudio, ist oft zu Fuß und mit dem Rad unterwegs und liest und handarbeitet viel. „Aber das Schönste ist das Theater. Es ist meine Spielwiese, mein Ausgleich. Es ist etwas, das wächst, wie das jeweilige Stück wächst“, beschreibt sie ihr Hobby. Tas wünscht sich, dass mehr junge Leute ein Hobby wie dieses betreiben würden, anstelle Stunden vor dem Computer zu verbringen. „Wenn man keinen sozialen Kontakt mehr hat und verlernt miteinander umzugehen, dann verlernt man auch die Fähigkeit Konflikte zu lösen“, so die 47-Jährige.

x