Frankenthal Mythos in 45 Minuten

Unterricht der etwas anderen Art hielt Schauspieler Tino Leo am Montagmorgen vor Schülern im Lincoln Theater in Worms. Im Galopp ging es durch die Nibelungensage. Im Solostück „Ich bin nicht Siegfried“ zeigte der 30-Jährige seine künstlerische Bandbreite und sorgte mit lustigen Einlagen für Spaß.

Als Reporter Josef berichtet Leo vor Ort und während der gerade laufenden Festspiele vorm Dom über die Kindheit Siegfrieds, der ein „verwöhnter Rotzlöffel“ ist. „Er hat drei Kinderzimmer, die bis oben hin voll mit Spielsachen sind“, schildert Leo und blickt dabei immer wieder direkt in die Zuschauerreihen, in denen die Mädchen und Jungs aufmerksam seinen Schilderungen folgen. Leo versteht es mit seinem spitzbübischen Charme und seinem flotten Tempo, die Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Er zeigt dabei, dass die Nibelungensage auch in einer modernen Erzählweise Aussagekraft und Charme besitzt. Dieser wird vor allem durch die abwechslungsreiche Darstellung Leos getragen. Mal zeigt er sich als starke Walküre Brünhild, mal gibt er sich in bester Piratenmanier als böser und durchtriebener Hagen von Tronje, als mädchenhafte Kriemhild oder als friedliebender „Hippie“-König Gunther. Von den beteiligten Personen fertigt er jeweils Zeichnungen an, die an Stellwänden befestigt sind. Wenn er flink seine Rollen wechselt, stellt er sich dabei vor den Charakter, den er gerade gibt und sorgt damit für zusätzliches Gelächter. Immer wieder sucht er den Kontakt zu seinem jungen Publikum. So legt er sich auf freien Plätzen als Siegfried schlafen oder sucht nach der schönen Kriemhild in den Sitzreihen. Dabei kommt die Sage nie zu kurz. In 45 Minuten verpackt er alles Wichtige: Angefangen von Siegfrieds Sieg über den Drachen geht es über die Eroberung des Nibelungenschatzes bis hin zu Hagens List, die schließlich zum Tod des Helden führt. Ein besonderes Schmankerl ist der als Sportreportage vorgeführte Kampf zwischen Brünhild und Gunther, dem Siegfried, dank einer Tarnkappe unsichtbar, zum Sieg über die übermächtige Walküre verhilft. Äußerst gelungen ist auch Leos Darstellung des „Zickenkriegs“ zwischen Brünhild und Kriemhild, die sich vor dem Wormser Dom darüber streiten, wer als Erste das Gotteshaus betreten darf. Zudem schlüpft er in die Rolle eines Minnesängers und trägt der schönsten Prinzessin im Land einen Gassenhauer nach dem nächsten vor. Dabei bedient er sich bei den bekannten Schlagern „Hey Baby“, „Ein Stern, der deinen Namen trägt“ und „Ti amo“, in die er immer wieder den Namen der angebeteten Kriemhild einbaut. Ein witziger Einfall jagt den nächsten, und die Schüler rutschen von einem Lacher direkt in den nächsten. Langeweile oder Zeit zum Zurücklehnen bleibt kaum, dafür ist die Inszenierung zu fesselnd. Genau das ist auch die Stärke des 45 Minuten dauernden Stücks „Ich bin nicht Siegfried“ von Jürgen Flügge, das bei Tino Leo in guten Händen ist. In ganz Deutschland ist er mit diesem Solostück unterwegs, um die Sage um den Drachentöter auf unterhaltsame Weise Kindern und Jugendlichen zu vermitteln. Auch die Lehrer haben bei dieser Geschichtsstunde ihren Spaß und können sich gleichzeitig ein paar Anregungen für den eigenen Unterricht abholen. Denn Geschichte kann durchaus interessant sein, es kommt nur darauf an, wie man sie verpackt. Ein bisschen Kreativität schadet da absolut nicht – das zeigt Tino Leo mit seiner unterhaltsamen und dennoch lehrreichen Darstellung eindrucksvoll.

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