Frankenthal „Man muss die Geschichte pompös vergrößern“

Desaströs sei die Genedralprobe gelaufen, so gut wie nichts habe funktioniert, verraten die Brunhild-Darstellerin Ursula Strauss
Desaströs sei die Genedralprobe gelaufen, so gut wie nichts habe funktioniert, verraten die Brunhild-Darstellerin Ursula Strauss und der künstlerische Leiter Thomas Laue bei der Gesprächsrunde im Park.

Der Uraufführung von „Siegfrieds Erben“ vor dem Wormser Dom ging nach den Worten Thomas Laues eine „desaströse Generalprobe“ voraus. Der künstlerische Leiter der Nibelungen-Festspiele machte bei den Theaterbegegnungen am Sonntag im Heylshofpark vor knapp 150 Zuhörern keinen Hehl daraus, dass so gut wie nichts funktioniert habe. „Ich war besorgt, ob die Premiere gelingt. Es fühlte sich wie eine Niederlage an.“

Ursula Strauss, die in dem Stück die Burgherrin Brunhild spielt, pflichtete ihm bei. „Die Generalprobe war schrecklich.“ Die ketzerische Frage des Filmjournalisten Rüdiger Suchsland, der das Gespräch moderierte, ließ nicht lange auf sich warten: „Was habt ihr die sechs Wochen vorher gemacht?“ Doch die österreichische Schauspielerin, die kurzfristig für Intendant Nico Hofmann eingesprungen war (siehe Einwurf), ließ auf ihre Kollegen nichts kommen und nannte die Gründe für das „Theaterwunder von Worms“: „Wir sind ein homogenes Team, verstehen uns gut und stützen uns gegenseitig.“ Es sei schon irre, was sich backstage alles abspiele. Auch Laue geriet plötzlich ins Schwärmen. „Man fühlt sich wie Siegfried im Drachenblut gebadet.“ Nach drei Stücken von Albert Ostermaier wolle man nun jedes Jahr etwas anderes machen, näher an die Kernmaterie heranrücken und die Facetten des Nibelungenlieds beleuchten, sagte Laue. Auch wenn es sich um eine archaische Materie handele, dürfe der Stoff nicht museal reproduziert werden. Für Laue geht es dabei in einem ständigen Ringen auch um die Frage „Was ist der Mensch und in welcher Gesellschaft leben wir?“ Es sei ein deutsches Trauma, immer wieder in alte Mechanismen zurückzufallen. Wenn am Sonntag schon die Brunhild-Darstellerin Rede und Antwort stand, lag es nahe, die Rolle der Frau im Nibelungenlied zu thematisieren. Dass in dem Stück alle Frauen sterben, während die Männer überleben, hängt für Laue damit zusammen, dass die Herrschaft männlich sei. Die Stärke Brunhilds, einer ehemaligen Walküre, zeige sich darin, dass sie zweimal besiegt werden müsse – im Kampf und im Bett. Wie sieht es Strauss? „Die Männer glauben, alles unter Kontrolle zu haben, die Frauen sind nicht so wichtig.“ Es werde viel über Gleichberechtigung geredet, sie sei aber noch nicht in der Gesellschaft angekommen. Die Stärke einer Frau lasse sich auch durch sexuelle Übergriffe brechen. Die Brunhild im Stück sei aber nicht nur in der Opferrolle. „Sie hat keine Angst vor dem Sterben, das macht sie gefährlich und unangreifbar“, sagte Strauss, der Laue bescheinigte, die gebrochene Figur in ihren verschiedenen Ebenen exzellent herausgearbeitet zu haben. Mit dem „Urschlamm“ auf der Bühne, der „die Erde zu verschlingen droht“ (Laue), hatte Strauss überhaupt keine Probleme. „Man wird wieder zum Kind und darf im Dreck spielen“, verriet sie. Doch es sei verdammt rutschig gewesen sei. Es folgte eine szenische Lesung: Die Frankfurter Autorin Judith Sophie Grytzka, die beim Nachwuchswettbewerb 2017 den Publikumspreis erhalten hatte, rollt in ihrem Stück das Schicksal der Mörderin Kriemhild im Gefängnismilieu aus. Nach einem musikalischen Intermezzo des Nibelungen-Ensembles gab der Bregenzer Maximilian Lang, Preisträger des Autorenwettbewerbs 2017, – mit rhetorischen Schwächen – Einblicke in sein Stück „Last Exit: Hunnenland“. Darin würden zeitlose archaische Konflikte ausgetragen, von einer politischen Dimension seines Werkes wollte er nichts wissen. Er habe eher an den Westernfilm „High Noon“ (Zwölf Uhr mittags) gedacht. Bei einer weiteren Gesprächsrunde stand dann die Autorenperspektive im Mittelpunkt. Feridun Zaimoglu und Günter Senkel plauderten ein wenig über die Entstehungsgeschichte von „Siegfrieds Erben“ und die „großartige Zusammenarbeit“ mit den Festspiel-Machern. Ein Jahr vor der Premiere habe eine belastbare Fassung vorgelegen, so Laue. Die Rolle Etzels sei im Hinblick auf die Besetzung mit Jürgen Prochnow zunächst zu kurz geraten und habe nachgearbeitet werden müssen. „Man muss die Geschichte pompös vergrößern, sonst ist man am Dom verloren“, sagte Laue. Das Stück greife die altertümliche Sprache auf, ohne Hebbel zu imitieren. „Es ist schlimm, seltsame Gegenwartsbezüge herzustellen“, sagte Zaimoglu, der sich nicht in die politische Ecke drängen lassen wollte. Er halte viel von der Unschuld eines Textes und habe beim Schreiben nicht an einen Despoten gedacht. Wohl gebe es in dem Stück lächerliche Gestalten, die sich in absurde Dinge verstrickten. Quintessenz der Autoren: „Der Mensch ändert sich nicht, er setzt immer wieder auf Gewalt.“

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