Frankenthal Kartenspiel als „Gebetbuch des Teufels“

Das „Objekt des Monats“ Juni führt in die Geschichte des Kartenspiels: In der Zeit des Hochmittelalters, etwa von der Mitte des 11. Jahrhunderts bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, wurden in Ostasien erste Spielkarten dokumentiert. In Europa etablierten sie sich erst im Verlauf des 14. Jahrhunderts und sorgten dabei nicht nur für Spielfreude: Fromme Bürger empfanden Kartenspiele als „Gebetbuch des Teufels“. Weil es bei den damaligen Spielen noch mehr auf Glück als strategisches Geschick ankam, vermutete man schnell böse Mächte am Werk, die mit dem Spiel die Menschen in den Ruin treiben wollten – viele verzockten tatsächlich all ihr Hab und Gut. Zudem war das Kartenspiel eng mit Alkoholgenuss sowie anderen Vergnügungen verbunden und endete nicht selten in Betrug, Streit und Handgreiflichkeiten, weshalb ihm ein unzüchtiger Ruf anhaftete.
Die Kirche und einige europäische Städte versuchten, die Spiele zu verbieten. Doch egal ob Prügel-, Geld- oder Haftstrafe: Das Spielfieber ließ sich nicht stoppen. Wurde ein Spiel verboten, benannte man es einfach um. Später wurden Spielhäuser eröffnet, an denen die Städte durch Abgaben mitverdienten.
Produktion in Handarbeit
In den Anfängen waren Spielkarten allerdings noch ein Luxusgut, das als Einblattdruck produziert und dann von Hand koloriert werden musste. Die Spielkartenmacher waren ursprünglich auf den Druck biblischer Darstellungen spezialisiert. In Europa wurden die Karten sogar komplett von Hand auf Papier oder Pergament gemalt. Nur der Adel konnte sie sich leisten. Mit dem 1450 erfundenen Buchdruck und dem Einsatz von Holzmodeln für den Druck der bildlichen Darstellungen konnten Spielkarten günstiger und in größerer Zahl gefertigt werden. So wurden Gesellschaftsspiele einer breiteren Masse zugänglich. Einheitliche Karten waren bis zum Ende des Mittelalters nicht üblich. Auch bei der Anzahl der Karten und den Spielregeln gab es sehr große Unterschiede. Die Ornamente auf der Kartenrückseite sollte verhindern, dass Schmutz oder andere Markierungen Rückschlüsse auf die Vorderseite erlaubten.
Mittlerweile gibt es unzählige Spiele, die auf Karten beruhen: ob man nun mit den Zahlenwerten andere überbieten, sie sammeln oder sie möglichst schnell, manchmal auch in einer bestimmten Reihenfolge, von der Hand loswerden muss. Manchmal wird auch auf den Ausgang eines Spiels gewettet, wie etwa beim heutigen Poker. Das Erkenbert-Museum präsentiert ein Kartenspiel aus dem späten 18. Jahrhundert. Eine Karte zeigt doppelköpfig immer zwei Berufe, die einander gegenübergestellt werden. Die Darstellungen sind im Holzschnitt gestaltet und in einen Rahmen gefasst, der auch Platz für ein Zahlenfeld lässt.
Bilder erzählen von Alltag und Moral
So ist auf einer Karte beispielsweise eine Dame beim Friseur und ein Herr beim Barbier zu sehen. Dem Beruf des Wagners, der Wagenräder herstellte, wird der Schmied gegenübergestellt, der schützende Eisenbänder auf Holzräder nagelte. Besonders spannend ist eine Karte mit moralischer Botschaft. Darauf ist neben zwei Männern, die zusammen am Tisch trinken, spielen und rauchen, ein Bettler am Wegesrand zu sehen, der auf eine Spende hofft.
Das „Objekt des Monats“ ist ein gemeinsames Projekt des Erkenbert-Museums und der Stadtbücherei, bei dem im Wechsel besondere Objekte des Museums in einer Vitrine im Eingangsbereich der Bücherei ausgestellt werden. Hintergrund ist die Schließung des Museums wegen anstehender Sanierungsarbeiten. Die Objekte sind nach der Wiedereröffnung der Stadtbücherei zu den Öffnungszeiten vor Ort Montag 14 bis 18 Uhr, Dienstag, Donnerstag, Freitag 10 bis 18 Uhr, und Samstag 10 bis 13 Uhr in der Welschgasse 11 in Frankenthal zu besichtigen.
Im Netz
Die besonderen Museumsstücke mit Erläuterungen sind unter www.frankenthal.de/erkenbert-museum unter dem Punkt „Objekt des Monats“ zu finden.