Frankenthal Jeder zehnte Frankenthaler überschuldet

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Wer Probleme mit Armut vermindern will, muss mehr für Bildung und Sozialarbeit tun. Diesen Schluss ziehen die Fraktionen des Stadtrats aus den Daten des Armuts- und Reichtumsberichts, den die Verwaltung auf Initiative der Fraktionen SPD und Grüne/Offene Liste vorgelegt hat. „Wir müssen die Vererbung von Armut durchbrechen“, forderte Sozialdezernent Andreas Schwarz (SPD).

Auf den ersten Blick entspricht die Einkommensverteilung in Frankenthal nach dem in Teilen bereits 2016 fertiggestellten Bericht etwa dem Landesdurchschnitt. So verfügte im Jahr 2010 – neuere Daten lagen nicht vor – gut ein Viertel der steuerpflichtigen Einwohner über Bruttoeinkünfte von nur bis zu 15.000 Euro im Jahr. Die zu dieser Gruppe zählenden 6361 „Niedrigverdiener“ machten 27,7 Prozent der Steuerpflichtigen aus; im Landesschnitt lag ihre Quote bei 28,9 Prozent. Zur höchsten erfassten Einkommensklasse „125.000 Euro und mehr“ gehörten in Frankenthal zum selben Zeitpunkt 361 Personen (1,6 Prozent); im Land waren es 2,0 Prozent. Das Durchschnittseinkommen der Steuerpflichtigen lag 2010 mit brutto 29.332 Euro deutlich unterm Landesdurchschnitt (32.031 Euro). Der Anteil der Bezieher von sogenannten Hartz-IV-Leistungen überstieg laut Bericht in den erfassten Jahren seit 2011 immer deutlich den Landesschnitt: Im Dezember 2015 waren dies 10,5 Prozent der Gesamtbevölkerung (4181 Personen); im Land waren es 6,8 Prozent. Zu den betroffenen Familien gehörte in der Stadt auch jedes fünfte Kind im Alter bis zu 18 Jahren (18,5 Prozent). In dieses Bild passt der hohe Anteil der Einwohner, die finanzielle Verpflichtungen aus laufenden Einnahmen nicht mehr erfüllen konnten. Die Stadt stützt sich auf Daten des Unternehmens Creditreform: Demnach galten 2015 in Frankenthal 4960 Bürger (12,6 Prozent) als überschuldet. Zum Vergleich: Die Quote dieser Gruppe in Rheinland-Pfalz lag damals bei 9,9 Prozent. Auffallend positive Daten bietet der städtische Bericht andererseits bei den Themenfeldern Bildung und Beruf. So verließen zum Ende des Schuljahrs 2016/17 nur 25 Schüler die Schulen ohne den Mindestabschluss der Berufsreife. Mit seiner Quote von 3,7 Prozent liegt Frankenthal damit deutlich unter dem Landesdurchschnitt (6,0 Prozent); 20 der Betroffenen besuchten zuletzt Förderschulen. Andererseits bestanden 40,8 Prozent aller Schulabgänger die Abiturprüfungen. Gute Karten hatten zuletzt auch Interessenten für Ausbildungsstellen: Laut Agentur für Arbeit waren im Herbst 2016 von 374 gemeldeten Bewerbern nur noch vier ohne Vertrag. Der Bericht mache deutlich, „dass die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse hier nicht gegeben ist“, sagte dazu Bürgermeister Schwarz. Armut sei für Kinder ein zentrales Entwicklungsrisiko; deshalb müsse man sich um sie noch mehr kümmern. „Frühe Interventionen sind notwendig, um präventiv wirken zu können.“ Wenn hier Fortschritte gelängen, „hilft das später auch unserem Sozialhaushalt“. „Nichts macht so unfrei wie Armut“, sagte Aylin Höppner für die SPD-Fraktion und schloss sich dem Fazit des Sozialdezernenten an: „Gerade in präventiver Kinder- und Jugendarbeit müssen wir mehr tun.“ Der Bericht sei dabei hilfreich. Der hohe Anteil von Kindern, die von Armut betroffen seien, lasse einen erschrecken, stellte Ulrich Pender (Linke) fest. Er plädierte dafür, sich stärker um die Handlungsfelder Soziales, Kindertagesstätten, Schule und Wohnen zu kümmern. Die Definitionen des Armutsbegriffs seien „diskussionswürdig“, hielt Tobias Busch (CDU) fest. Gleichwohl sei zu überlegen, wie man die Situation verbessern könne. Wenn man sich die Höhe der Sozialausgaben im Haushalt anschaue, könne man nachdenklich werden und müsse „die Effizienz der Instrumente hinterfragen“. Auch der CDU-Sprecher plädierte dafür, die Anstrengungen für „Bildung, Kitas, Schulsozialarbeit zu forcieren“. Natürlich könne man über das Thema und seine Begrifflichkeit streiten, gestand Gerhard Bruder (Grüne/Offene Liste) zu. „Es gibt auch eine nicht-monetäre Armut.“ Aber es sei eine Schande, dass der Bildungsstand in Deutschland „überdurchschnittlich oft von der sozialen Herkunft abhängt“. Präventive Arbeit werde sich auszahlen. Wenn die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergehe, sei das gefährlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Tanja Mester (FWG) bat die Verwaltung: „Wir wünschen uns für die Zukunft mehr Vergleiche mit kreisfreien Kommunen“; anhand solcher Daten könne man besser sehen, wo man stehe. Aylin Höppner sah Anlass, sich bei der Verwaltung noch einmal ausdrücklich für das 133 Seiten starke Papier zu bedanken: „Da steckt eine Menge Arbeit dahinter.“

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