Frankenthal „Fehlende Kontrolle wirkt als Einladung“

R. Wunderlich
R. Wunderlich

Wirtschaftskriminalität in der Baubranche: Schwarzarbeit und andere unsaubere Praktiken gibt es auch bei Gebäudereinigungsfirmen. Doch da werde zu wenig kontrolliert, meint Rüdiger Wunderlich, Bezirksvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), Bezirksverband Rheinhessen-Vorderpfalz.

Herr Wunderlich, die IG Bauen-Agrar-Umwelt fordert mehr Kontrollen in der Gebäudereinigungsbranche – warum?

Es gilt, Präsenz zu zeigen. Kontrollen von Arbeitgebern sind wichtig, um kriminelle Machenschaften einzudämmen. Zuständig für arbeitsrechtliche Überprüfungen im Baugewerbe unsrer Region ist die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Hauptzollamt Karlsruhe (FKS). Die FKS ist zuständig für ein Riesengebiet, das sich über drei Bundesländer erstreckt – vom Rhein-Pfalz-Kreis bis nach Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe, Freudenstadt, Calw und Pforzheim. Bei der FSK sind 227 Mitarbeiter im Einsatz. Sie kontrollierten 32 Reinigungsfirmen im Jahr 2016, das waren 26 Prozent weniger als im Jahr 2015. Doch allein bei diesen 32 Firmen wurden 187 Ermittlungsverfahren eingeleitet – eine ziemlich hohe Quote. Dabei machten die Kontrollen im Reinigungsgewerbe aufs Ganze gesehen lediglich 2,7 Prozent aller Arbeitgeber-Kontrollen im Bereich des Karlsruher Zolls aus. Wieso wurden im vergangenen Jahr 26 Prozent weniger Betriebe kontrolliert als noch 2015? Das ist eine Frage des Schwerpunkts: 2016 wurde das Personal der FKS umgeschichtet, und es wurden verstärkte Kontrollen im Bauhauptgewerbe – Maurer, Zimmerer – vorgenommen. Fehlende Kontrollen verstehen Wirtschaftskriminelle regelrecht als Einladung, Recht und Gesetz zu umgehen. Was war das Ergebnis der Kontrollen? Die Kontrolleure stießen auf Fälle von Lohn-Prellerei, Steuerhinterziehung und nicht gezahlten Sozialabgaben. Das Reinigungsgewerbe gilt als eines der schwierigsten Gewerke innerhalb der Baubranche. Hier trifft man immer mehr auf kleinere Betriebe, auf Scheinselbstständige, auf Beschäftigte mit Migrationshintergrund, in sozial schwierigen Situationen, auf Lohn-Aufstocker. Der Konkurrenzdruck ist groß. Gezahlt wird ein Tariflohn knapp unter zehn Euro. Auf dem Papier. Doch in Wirklichkeit findet oft „Lohnverdichtung“ statt. Das bedeutet zum Beispiel, dass etwa für Reinigungsarbeiten in einem Schulgebäude zwei Stunden benötigt werden, aber nur 1,15 Stunden abgerechnet werden. Für Sauberkeit ist niemand bereit, Geld auszugeben. Damit wird der Tariflohn unterlaufen zulasten der Beschäftigten. Aus unterschiedlichen Gründen – Migrationshintergrund, Sprachbarrieren – ist an die Beschäftigten schwer ranzukommen, eine vernünftige Gewerkschaftsarbeit kaum möglich. Wem entsteht ein Schaden durch die Schwarzarbeit? Zum einen dem Staat und der Allgemeinheit durch nicht gezahlte Steuern. Zum anderen den Beschäftigten: Ein Vollzeit-Beschäftigter in der Reinigungs-Branche hat nach 36 bis 38 Arbeitsjahren einen Rentenanspruch von knapp 800 Euro. Eine vernünftige Altersvorsorge ist da nicht möglich. | Interview: Birgit Karg

x