Frankenthal Erwartbare Gesten

Liebe und Hass, Intrige und Treue: „Don Carlos“ von Friedrich Schiller ist ein echter Klassiker. Die etwas standbildhafte Inszenierung des Pfalztheaters Kaiserslautern, die am Donnerstag im Congress-Forum zu sehen war, wurde von 200 Zuschauern mit reichlich Applaus bedacht.

1566: In den flandrischen Provinzen herrscht Empörung über die spanischen Herrscher, Humanismus trifft auf brutale Blutgerichte, protestantische Bewegungen werden von der Inquisition heftigst verfolgt. Der spanische König Philipp II. entsendet seinen General Alba in die Niederlande, um jede aufrührerische Regung mit allen Mitteln zu unterdrücken. Vor diesem historischen Hintergrund spielt Friedrich Schillers Stück, das zunächst als Familientragödie beginnt: Carlos, Philipps Sohn, ist leidenschaftlich verliebt in seine Stiefmutter Elisabeth, die ihm einstmals als Braut versprochen war, bevor sein Vater sie ehelichte. Mit der Figur des Marquis von Posa bringt Schiller dann eine politische Dimension hinein, die das Stück zum Ideendrama erhöht: Posa bringt als aufgeklärter Idealist im Zeitalter der Renaissance unverkennbar die Meinungen und Ansichten Schillers zum Ausdruck. Tugend, Menschenglück, Freiheit: Dafür plädiert Posa gegenüber König Philipp: „Ich kann nicht Fürstendiener sein“, erklärt er. Der Marquis steht für Menschenwürde ein und dafür, „der Menschheit verlorenen Adel wiederherzustellen“. „Geben Sie Gedankenfreiheit!“, lautet die große Forderung Posas – und von Schiller, der mit diesem Stück an der Schwelle steht von seiner Sturm- und Drang-Zeit zu den klassischen Historiendramen. Schiller, der heute als zweiter großer deutscher Dichterfürst zum Literaturkanon gehört, war zu seiner Zeit, das darf man nicht vergessen, ein junger Wilder, der mit seinen politischen Stücken eine neue Zeit einleiten wollte, als Revolutionär der Bühne wie der Gesellschaft galt. Die dynamische Kraft des Stückes geht von der genau gestalteten Figurenkonstellation aus: Das Beziehungsdreieck von Carlos, Philipp und Elisabeth wird ergänzt durch die politischen „Falken“, General Alba und Pater Domingo, die ihre Macht als Berater des Königs gehörig ausspielen – und durch Posa, der unverhofft in die Sphäre des Hofs aufsteigt und hofft, aus dem Zentrum der Macht heraus, das System ändern zu können. Die Niederlande, die sich gegen die spanische Herrschaft empören, gelten Posa als Hort der Freiheit; die geplante spanische Gewalttyrannei dort muss mit allen Mitteln verhindert werden. Als Joker sieht Posa seinen alten Jugendfreund Carlos – dessen private Leidenschaft er befriedigen muss, um ihn politisch einspannen zu können. Von der Energie des Stücks ist einiges erhalten geblieben in der Inszenierung des Kaiserslauterner Schauspieldirektors Harald Demmer – dem es aber doch nicht in Gänze gelingt, das Packende des Stückes, das in der unheilvollen Verquickung von Privatem und Politischem steckt, wirkungsvoll herauszuarbeiten. Der viele Text, der in Schillers kraftvoller Sprache wohlklingend und durchaus verständlich ist, wird von den Schauspielern mitunter allzu statuarisch deklamiert; oft mit den erwartbaren, wenig originellen Gesten von Verzweiflung oder Ohnmacht. Dass der König beim ersten Auftritt im Golfer-Outfit auf die Bühne kommt, ist ebenso wenig überraschend wie das Kostüm der Bösewichter mit schwarzen Handschuhen, hohen Reiterstiefeln und dunklem Kardinal-Richelieu-Gedächtnis-Kinnbart. In einigen Szenen freilich zeigt sich, was in diesem Stück und in einer dynamischeren Inszenierung stecken kann, etwa wenn ein unschuldiges Mädchen – tatsächlich von einem jungen Mädchen gespielt – mit der Königin Ball spielt und sich die Schurken Alba und Domingo ins Spiel einschalten. Oder wenn am Ende der Kardinal der Inquisition mit einem eindrucksvollen Auftritt klar macht, wer die eigentliche Macht im Staate, ja auf der ganzen damals bekannten Welt innehat.

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