Frankenthal „Einfach eine Spielwiese“

DePhazz bricht auf in die Zukunft des Jazz – zumindest kann man den Bandnamen als Ableitung aus „Destination Phuture Jazz“ so interpretieren. Live ist vor allem Party und Hüftschwung angesagt. Beim Wormser Festival Jazz and Joy tritt DePhazz am Samstag, 16. August, um 22 Uhr auf dem Weckerling Platz auf. Die RHEINPFALZ sprach mit Bandgründer Pit Baumgartner.

Wenn man sich so quer durch die DePhazz-Platten hört, findet man ein schönes Mischmasch. Warum?

Ja, das ist ein Gemüsegarten. Wir sind immer bestrebt, originell zu sein. Da kommen dann musikalische Bastarde heraus, die keine richtige Zuordnung finden. Positiv gewendet könnte man aber sagen, dass genau das unseren Stil ausmacht. Bei DePhazz findet man Klänge und Klangschnipsel von altem Swing bis Electronica, wie kommt das? Nun, ich bin ja derjenige, der die ganzen „Grundierungen“ bastelt, also die Grundlagen, über die später gesungen wird und aus denen die Stücke entstehen. Und wenn ich im Studio daran bastle, interessiert mich praktisch jede Art von Musik. Dann wildert man eben überall. Aber wie können Sie etwas finden, wenn praktisch alles gleich interessant ist? Also es ist schon viel Jazz. Jazz ist für mich ein Überbegriff von Freiheit, ein positives Chaos. Aus dem kann man sich bedienen. Aber ist Jazz und seine Spontanität und Freiheit der Improvisation nicht der Gegenentwurf zu elektronischer Musik, die am Computer entsteht? Wenn Charlie Parker oder Miles Davis die Sampling-Technik zur Verfügung gehabt hätten, hätten sie das auch benutzt. Oder Mozart auch. Musiker denken spielerisch, nicht kategorisch. Aber wenn man „musikalische Bastarde“ aufs Publikum loslässt, kommt doch die Jazzpolizei? Die wissen zum Glück nicht, wo ich wohne (lacht). Natürlich gibt es die Gralshüter und Puristen – aber ich betrachte Jazz einfach als Spielwiese. Allerdings sind wir live auch etwas anders drauf als auf reinen Studioproduktionen. Das wird man in Worms auch hören. Was ist live anders? Da gibt es mehr „auf die Zwölf“, mehr Percussion, mehr Party. Da werden Kanten ein bisschen abgerundet. Mehr fetzig und rockig – da geht es um Hüftschwung... Warum dieser Unterschied? Weil live ein anderes Medium ist. Die Platten entstehen im Studio und sind um einiges verschachtelter und im Detail ausgearbeitet. Der erste „echte“ Jazzer, der konsequent mit elektronischen Sounds und Pop-Rock Grooves gearbeitet hat, war Miles Davis. War das ein Einfluss? Ich sehe mich eher vom Krautrock beeinflusst, Holger Czukay und Can. Der hatte noch keinen Sequenzer, der musste noch Tonbänder schneiden. Dann hier aus der Region: Guru Guru, haben mich sehr stark beeinflusst, dann Kraan. Im klassischen Jazz kenne ich ein paar der wichtigsten Leute, bin aber kein Fachmann. Ich finde, dass im Vergleich zu den Möglichkeiten, die elektronische Musik hat, erstaunlich wenig künstlerisch interessante Sachen rauskommen. Was meinen Sie? Die vielen Möglichkeiten sind auch eine Gefahr. Du hast heute mit einem Computerprogramm ein ganzes Orchester zur Verfügung, plus zig tausend andere Sounds. Du kannst bis Weihnachten durchprobieren, ohne dich zu wiederholen. Wenn du nicht aufpasst, kann die Maschine das Kommando übernehmen. Du hörst zum Beispiel eine schöne Geige und nimmst die dazu – obwohl du musikalisch eigentlich in eine ganz andere Richtung wolltest. Wie gehen Sie damit um? Wenn ich am Mischpult sitze, schmeiße ich so viel wie möglich wieder raus. Die Frage ist: Ist es gut für den Song. Wenn nein, raus damit. Entstehen die Songs beim Schneiden und Mischen, oder haben Sie vorher schon konkrete Ideen? Ein Song gibt sich irgendwann zu erkennen. Dann wird klar, worauf alles hinaus läuft. Oft ist das ein Kontext, den man selber schon mal gehört hat. Was für ein Kontext? Wir sind ja ständig von Musik umgeben, im Supermarkt, in der Kneipe, beim Autofahren. Als Musiker nimmt man das in sich auf. Wenn ich mich hinsetze, Musik schreibe, kann ich mir nie sicher sein, ob ich etwas völlig Neues geschaffen habe, oder etwas, das ich vorhin beim Bäcker im Laden gehört habe. Viele Musiker, inklusive ich selber, hören Sachen und überlegen, wie das bei einem selber klingen könnte. Am Ende vom Tag kommt dann etwas völlig anderes und ein neues Stück raus. Wie machen Sie die Programme für Konzerte? Auf jeder Platte sind drei oder vier Gesangstitel. Wäre ich alleine, wären das weniger. Aber weil ich weiß, dass wir auftreten, achte ich darauf. Live sind vier Fünftel Vocalnummern, im Studio ist das umgekehrt. Also zwei Bands in einer? Gewissermaßen. Ich bin im Studio zu Hause und gehe nicht gerne auf die Bühne. Aber unsere beiden Sänger leben auf der Bühne. Sie gehen gar nicht mit raus? In Deutschland bin ich immer dabei, aber bei anderen Touren, wie etwa gerade in Russland, bin ich nicht dabei. Da geht es um Clubatmosphäre. Da brauchen die mich nicht. In Worms bin ich gerne dabei. Das ist ja Heimat.

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