Frankenthal Die Ausstellung zum Perron-Preis im Kunsthaus

Auch Porträts gibt es zu sehen, hier von Rainer Lather die Arbeit „Portrait B.M.“.
Auch Porträts gibt es zu sehen, hier von Rainer Lather die Arbeit »Portrait B.M.«.

Ein mathematisches Modell, Flora, der Mensch oder abstrakte Farbspiele: In die engere Auswahl zum Perron-Kunstpreis kamen 36 Werke, die das Dachthema „Bewegung“ in spannender Vielfalt interpretierten. Ein Ausstellungsbesuch im Frankenthaler Kunsthaus.

Das Simulieren von Aktienkursen und Erforschen von Warteschlangen fußt auf der Brownschen Bewegung. Das komplizierte Rechenmodell hat Irene Schramm-Biermann auf Leinwand gebannt: Die für ihre Verschränkung von Kunst und Mathematik bekannte Vertreterin der Konkreten Kunst aus Detmold bildet die elegante kühle Schönheit der Naturwissenschaft ab. Das Bild wirkt wie eine Landkarte, auf der die Reise der vom Botaniker Robert Brown entdeckten Teilchenbewegung eingefroren ist.

Eine Landkarte völlig anderer Art zeigt Heike Negenborn in „Landschaft in Bewegung – Netscape 4.0“: Das rheinhessische Tafel- und Hügelland bildet die Grundlage. Die derzeitige Stipendiatin der Stiftung Kunstfonds Bonn, die 2018 den Pfalzpreis für Bildende Kunst in der Sparte Malerei erhielt, kombiniert Wolken- und Erdfragmente mit perspektivisch aufgefächerten Gitternetzen, die zu Netzlandschaften, zu Netscapes mutieren – für den Betrachter entsteht eine verwirrende und faszinierende verfremdete Topografie.

Explosive Dynamik

Auf die Leinwand gezoomte Natur in ihrer explosiven Dynamik beschwört Klaus Grocholl aus Rheinstetten bei Karlsruhe mit „Waldekstase 3“, während Gerhard Knell aus dem Münchener Landkreis in „Waldstück“ mit einer geschickten Jonglage zwischen Landschaftsbild und abstrakter Malerei auffällt. Nur auf den ersten Blick gehört Eilike Schlenkhoffs „Flieg“ in die Schublade der Naturmalerei: Die in Wuppertal lebende Malerin, die vor kurzem den Tutzinger „Phönix“-Kunstpreis für Nachwuchskünstler gewonnen hat, zaubert und täuscht mit minimalistischem Pinselstrich – was von Fern wie ein Kolibri anmutet, wird in der Makroperspektive zum rätselhaften Flugobjekt.

Einen breiten Raum nimmt das Urbane ein, das sich von der Natur abgelöst hat oder mit ihr konkurriert. Auch da ist die Bandbreite groß. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Rolf Mallats „Wolkenhaus“, das sich in den Himmel webt. Stefan Danecki, der mit untrüglichem Radar für Lost Places, für vergessene Orte, in „Fabrik-Interieur“ den Sieg von Pionierpflanzen über die Industrialisierung feiert.

Wer ganz gründlich hineinschaut in die Werkschau, entdeckt Metaebenen zwischen Psychologie und Philosophie. Die neben Evelina Klanikova zweite Perron-Nachwuchspreisträgerin Ida Bomm hinterfragt in „Portrait Mode I“ den metaphorischen Gehalt von Stoffen. Wie funktioniert Verhüllung? Ist sie nicht zugleich stets eine Enthüllung, da schon die Absicht einer Ummantelung von Dingen etwas über ein Objekt verrät?

In „Portrait B.M.“ von Rainer Lather, übrigens dem einzigen Porträtbild unter den Bewerberbildern in der Endauswahl zum Perron-Preis, ist diese Frage zunächst überflüssig: Das Gesicht ist das einzige Körperteil, das in der Regel nicht verhüllt wird. Aber der Kirchhainer Künstler hat hinter dem realistischen Boden einen zweiten rätselhaften Boden eingebaut – und plötzlich wird aus einem vertrauten Anblick ein fremdes Konterfei.

Unterschiedliche Techniken

Ebenso vielschichtig wie Bildsprache und Themen der Ausstellung sind die verwendeten Techniken: Neben vorwiegend Öl, Acryl, Tusche und Pastellkreide arbeiteten die Künstler zuweilen mit eigenwilligen Kombinationen. Wie Heinke Both, die mit „femme d’en face“ den Hauptpreis erhielt – an Technik und Material kam Malerei, Collage, Aquarell, Acryl, Folie, Papier und Glas zum Einsatz.

Insgesamt 445 Künstler aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus Frankreich, Österreich und Serbien hatten sich für den Frankenthaler Perron-Kunstpreis 2022 in der Sparte Malerei beworben. Die Jury war unter anderem besetzt durch Dr. Karoline Feulner vom Landesmuseum Mainz und Dr. Inge Herold von der Kunsthalle Mannheim. Die 36 Werke der aktuellen Verkaufsausstellung im Kunsthaus kamen in die Vorauswahl zur Prämierung und werfen ein Licht auf Gegenwartskunst zwischen den Eckpunkten von Bewegungen und Bewegendem.

Info

Die Ausstellung der eingereichten Arbeiten zum Perron-Kunstpreis im Kunsthaus Frankenthal, Hans-Kopp-Straße 22 läuft bis zum 26. Juni und kann mittwochs bis samstags von 14 bis 18 Uhr, sowie sonntags von 11 bis 18 Uhr besichtigt werden. Der Eintritt ist frei.

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