Frankenthal „Der teuerste Obstkorb meines Lebens“

Ihr neues Album haben Sie teilweise in New York aufgenommen – warum?

Ein Freund und Produzent, Christian Lohr, hat ein wunderschönes Studio, eine alte Mühle direkt am Fluss in Arnsberg bei Ingolstadt. Dieses stand beim Hochwasser im vergangenen Jahr komplett unter Wasser. Wir haben dann am Wochenende wieder alles aufgeräumt und aufgebaut. Als erstes haben wir die Lautsprecher installiert und uns schöne alte Jazzplatten angehört. Auch neue, zum Beispiel von Gregory Porter, waren dabei. Da habe ich einfach mal so gesagt: Mensch, wäre das cool, wenn ich das auch in meine Musik einfließen lassen könnte. Das gehe nur in New York, meinte Christian. Ich war froh, dass der Vorschlag von ihm kam, mich hätten bestimmt alle für verrückt erklärt (lacht). Am 22. Januar hatten wir dann einen einzigen Tag in den Avatar Studios, wo wir zwölf Stunden lang aufgenommen haben. 80 Prozent der Platten, die dort gemacht wurden und an der Wand hängen, habe ich zu Hause. Das war der teuerste Obstkorb meines Lebens (lacht), aber wann kann man schon mal in solch heiligen Hallen ein Album aufnehmen? Das hat sich auf alle Fälle gelohnt. Ein Tag ist nicht viel. Hatten Sie denn schon alle Songs fertig? Ungefähr die Hälfte der Songs hatte ich schon geschrieben. Zuvor war ich noch eine Woche auf Teneriffa, da ist es Mitte Januar schön warm und man kann gut schreiben (lacht). Es gibt Künstler, die in ein Tonstudio gehen, und nichts haben. Am Ende der Woche kommt dann ein ganzes Album raus. Wir waren dagegen schon relativ strukturiert und vorbereitet. Wir haben Noten rausschreiben lassen – ich selbst kann keine Noten lesen –, die Basics waren also da. Noten lesen ist demnach nicht erforderlich, um Musik zu machen? Ich würde schon gerne Noten lesen können, weil es dann mit der Kommunikation einfacher wäre. Gerade im Studio. Ich kann halt immer nur mit Beispielen sprechen. Das ist manchmal schon sehr lustig, wenn man versucht, was zu erklären und eigentlich keine Ahnung davon hat (lacht). Wichtig ist, dass am Ende des Tages Musik rauskommt. Noten sind auf diesem Weg wie eine Rezeptanleitung. Musik oder Text – was ist Ihnen wichtiger? Der Text darf von der Musik nicht ablenken, die Musik ist mir fast wichtiger. Der Text muss dich mit auf eine Reise nehmen, aber die Musik ist dabei der absolute Träger. Ein Song auf Ihrem Album heißt „Ich glaub an Dich“. Braucht man einen starken Glauben, wenn man sich im Haifischbecken der Musikindustrie durchsetzen möchte? Ja. Wenn ich in New York leben würde, hätte ich als Musiker dort wahrscheinlich schlechte Karten. Ich müsste, um leben zu können, bestimmt Taxi fahren. In Deutschland haben oft die mit dem wenigsten Talent die meisten Chancen (lacht). Da zähle ich mich dazu. Es ist ein tolles Land, um auf Tournee zu gehen, die Leute gehen gerne zu Konzerten. Wenn du die Leute mitnehmen, aus dem Alltag holen kannst, dann hast du es geschafft. Seit sieben Jahren mache ich das jetzt und kann von der Musik leben. Was ist Ihr Erfolgrezept? Es gibt Songs, die bewegen die Leute mehr als andere. Wenn man es genau nimmt, habe ich noch keinen Hit geschrieben. Ich habe vier Platten veröffentlicht und jeder Fan hat seinen ganz persönlichen Lieblingssong, der gerade am besten in sein Leben passt. Das ist das Schöne als Songwriter, dass die Leute eine Platte kaufen, weil sie wissen, was sie erwartet. Das ist vergleichbar mit einem Menü, bei dem man weiß, dass es von der Vorspeise bis zur Nachspeise etwas Leckeres gibt. Es ist eine sehr schnelllebige Zeit. Songs gibt es für 99 Cent zum Runterladen, wie am Kaugummiautomaten. Die Aufmerksamkeitsspanne, die dir als Musiker zuteil wird, ist extrem kurz. Sie waren Teil der Sendung „Sing meinen Song“. Diese dürfte für reichlich Aufmerksamkeit gesorgt haben, oder? Es war die richtige Sendung zur richtigen Zeit. Mit Vorreitern wie Philipp Poisel und Clueso ist die Singer-Songwriter-Szene gewachsen. Der Respekt ist da, die Leute gehen gern zu diesen Konzerten. Ed Sheeran, der Welterfolge feiert, steht allein mit der Gitarre auf der Bühne. Das wäre vor ein paar Jahren noch nicht möglich gewesen. Die Sendung hat mir schon einen kleinen Schub verschafft und auch andere Leute auf mich aufmerksam gemacht. Zwischenzeitlich waren mal alle meine Alben ausverkauft und wir mussten ganz schnell für Nachschub sorgen (lacht).

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