Frankenthal Der Frankenthaler Werbefotograf Dirk Thiesen und sein Projekt „Heimatwege“

Dirk Thiesen liebt seine Heimatstadt. Und die bietet ihm eine Fülle an Motiven.  Foto: BOLTE
Dirk Thiesen liebt seine Heimatstadt. Und die bietet ihm eine Fülle an Motiven.

Der Frankenthaler Werbefotograf Dirk Thiesen will mit seinem Projekt „Heimatwege“ die Stadt ins rechte Licht rücken. Dafür ist der 50-Jährige bereits seit Februar mit Fahrrad und Fotorucksack unterwegs. Angefangen hat er im eigenen Wohnviertel Lauterecken.

Bettwäsche flattert vor einem Hochhaus im Wind, eine verwaiste Litfaßsäule, ein malerisch zugewucherter Campingwagen hält er fest – für den Frankenthaler Werbefotografen Dirk Thiesen birgt seine Stadt eine Fülle von Motiven. Mit dem Projekt „Heimatwege“ will er den Bürgern die Augen öffnen für die Schätze vor der eigenen Haustür.

Seit Februar ist Dirk Thiesen mit Fahrrad und Fotorucksack in der Stadt auf Motivjagd. „Bisher habe ich über 2000 Aufnahmen gemacht“, begeistert sich der eigentlich recht nüchterne 50-Jährige für sein Hobby. Die Winkel in seinem Wohnviertel kamen zuerst vor die Linse: Lauterecken, das in der Zeit der Industrialisierung repräsentativer Wohnsitz der wirtschaftlichen Platzhirsche war, vom Zweiten Weltkrieg verschont blieb und über die meisten Denkmalzonen der Stadt verfügt. Dann nebenan die Carl-Bosch-Siedlung mit dem Charme der 1960er. Auch das verträumte Heßheimer Viertel und den umtriebigen Pilgerpfad hat Thiesen schon im Kasten.

Geheimnisse der Nacht

Verliebt ist er in die Details des Wochenmarkts. „Die Leute laufen dran vorbei, sie schauen nicht hin“, bedauert er und weist auf den verschwenderischen Reichtum, den er in den Auslagen abgelichtet hat – rosig-weiße Spargelfinger neben prallen Kirschen in allen Rottönen. Im alten Kanalhafen war er auf den Spuren von Vater Rhein, hat verfallene Kanalisationsschächte verewigt, verrostete Verankerungen für Lastkähne und die Initialen der Steinmetze in den verwitterten Sandsteinmauern. Auch nachts entlockt Thiesen der Stadt ihre Geheimnisse, etwa den markanten Glockenturm der Zwölf-Apostel-Kirche im gefühlvollen Mondlicht oder den Brunnen am Cosacchi-Platz, in dem sich die Straßenlaternen pittoresk spiegeln.

Fotos wecken Kindheitserinnerungen

Durchblättern kann man diese Aufnahmen etwa auf Thiesens Facebook-Seite, was Ur-Frankenthaler in den Kommentaren mit Kindheitserinnerungen quittieren. Gelegentlich wird auch gerätselt, woher die Aufnahmen stammen. Da Thiesen seinen kurz rasierten Schopf ebenfalls im Netz zeigt und oft auf Fototour ist, wird er auf der Straße gelegentlich von Passanten angesprochen: „Sind Sie nicht der Mann mit den ,Heimatwegen’?“ Das bestätigt Thiesen darin, dass er mit seinem Onlineprojekt einen Nerv getroffen hat, „Bilder vom alten Frankenthal gibt es genug, aber von der Stadt heute viel zu wenige“.

„Bin kein Knipser, bin Künstler“

Dass seine Heimatstadt nicht gerade als Paradebeispiel einer fotogenen Stadt gilt, will Thiesen nicht gelten lassen. „Eine Stadt hat immer schöne und hässliche Seiten – es kommt immer auf die Sichtweise an, auch unschöne Gebäude können interessant sein“, meint er und kommt auf die Wurzeln seiner Fotoleidenschaft zu sprechen: „Vater Karl-Heinz war ein Knipser, hat Familienbilder gemacht und mich an seine Canon Baujahr 1972 rangelassen“, erzählt er und angelt die Analogkamera aus dem Schrank. „Ich war damals schon ein Rebell und hab’, ohne es zu wissen, die Street- und Peoplefotografie entdeckt.“

Vor einigen Monaten hängte der Vertriebsleiter für Baustoffe seinen Job an den Nagel und startete neu durch als Werbefotograf. Daneben gibt er Kurse als Fototrainer, etwa ab kommendem Wintersemester an der örtlichen Volkshochschule. „Bin kein Knipser, bin Künstler“, grenzt er sich von dem Meer aus Amateurfotografen ab, die einfach aufs Motiv drauf halten, ohne sich über Objektiv, Blende und Einstellungszeit Gedanken zu machen.

Analog statt digitaler Mainstream

Die Heimatwege sind ein Nebenprodukt des beruflichen Neuanfangs. Wann das Projekt abgeschlossen ist, kann Thiesen noch nicht sagen, „da gibt es noch so viel Potenzial in der Stadt“. Als nächstes will er sich die örtlichen Kneipen bei Nacht vorknöpfen. Irgendwann soll aus den „Heimatwegen“ auch ein Bildband entstehen und eine Kunstausstellung über Frankenthaler Bürger. Und mit der alten Canon will der Mann mit der eckigen Brille die Frankenthaler Winkel neu entdecken, „analog reizt mich, das ist nicht die digitale Mainstreamfotografie, die jeder macht. Das sieht man, wenn man geschult ist, den Bildern an – ein Unterschied wie zwischen Langspielplatte und CD.“

Den Blick auf die Schätze vor der Haustür lenken, das will Dirk Thiesen. Hier ist es ein Fahrradständer.  Foto: Thiesen/Frei
Den Blick auf die Schätze vor der Haustür lenken, das will Dirk Thiesen. Hier ist es ein Fahrradständer.
Auch nachts entlockt Dirk Thiesen der Stadt ihre Geheimnisse – hier das in rötliches und weißes Licht getauchte Wormser Tor.  Fo
Auch nachts entlockt Dirk Thiesen der Stadt ihre Geheimnisse – hier das in rötliches und weißes Licht getauchte Wormser Tor.
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