Frankenthal Beziehungen in allen Varianten

Mal Lichtermeer, mal Experimentierbühne: Die Zuhörer auf dem Wormser Marktplatz erlebten eine gefühlvolle und eine schrille, wil
Mal Lichtermeer, mal Experimentierbühne: Die Zuhörer auf dem Wormser Marktplatz erlebten eine gefühlvolle und eine schrille, wilde Sarah Connor.

Sie liebt sie, ihre eigenen vier Kinder und auch die kleinen Wormser Fans: Auf der Bühne auf dem Marktplatz präsentierte am Freitagabend Echo-Gewinnerin Sarah Connor ihr erfolgreichstes und aktuelles Album „Muttersprache“ – zusammen mit Anekdoten aus ihrem Familienleben. Zur Verstärkung holte sich sie Sängerin den kleinen Neo auf die Bühne, der am Schlagzeug ordentlich Dampf machte. Behände krabbelt der Fünfjährige auf die Bühne, die wie ein Laufsteg in den voll besetzten Marktplatz ragt. „Ich möchte mit dir singen“, wünscht sich der Bub und weiß auch schon genau, welchen Song er mit der hochgewachsenen blonden Sängerin teilen möchte: „Augen auf“. Doch dieses Lied hat Connor für später eingeplant. Kein Problem für Neo, der in der sechsköpfigen Band den Platz am Schlagzeug neben Rani wählt und die Schlagstöcke wie ein Profi bedient. „Den geb ich nicht mehr her. Jetzt hab ich fünf Kinder“, scherzt die vierfache Mutter, als sie den Jungen mit Strohhut nach 30 Bühnenminuten wieder zu seinen Eltern entlässt. Überhaupt seien Kinder ebenso wie die Musik ihr Lebensmittelpunkt, verrät die 38 Jahre alte Norddeutsche. Ihr Nachwuchs kritisiere regelmäßig ihre Lieder. Das Mutmach-Lied „Das Leben ist schön“ zähle zu den Lieblingssongs der Familie, sagt sie und interpretiert gefühlvoll die Zeilen, die von Tod und dem in der Musik innewohnenden Trost erzählen. Die Wormser erleben eine fröhliche Connor mit nachdenklichen Momenten: Einen Tag vor dem Wormser Konzert war die „Queen of Soul“ Aretha Franklin gestorben. „Sie ist die Stimme meiner Kindheit, sie hatte Wut und Kraft in ihrer Stimme“, meint Connor. Und singt als Hommage Franklins Version von „I Say A Little Prayer“ und ihre Hymne der afroamerikanischen US-Bevölkerung „Respect“ kraftvoll in den Nachthimmel. Im Gepäck hat Connor ihr Album „Muttersprache“, mit dem sie den Löwenanteil ihres Auftritts bestreitet. Die überwiegend 20- bis 50-jährigen Zuhörer erleben dabei deutschsprachige Songs, die mitten ins Herz zielen. Es geht um Beziehungen in allen Varianten und Altersstufen. Und dann sind es in „Deutsches Liebeslied“ Hormone pur: Das schönste Gefühl röhrt Connor mit blitzenden grünen Augen und laszivem Hüftschwung lebens- und liebeshungrig ins Mikro. Zeitlupenromantik mit zart-leisen Tönen verbreitet ihr Hit „From Sarah With Love“, bei dem der Marktplatz mit einem Lichtermeer aus Handylampen glüht. Gern lässt sich der Star in Worms vom Geschehen ablenken. Zum Beispiel durch zwei Pärchen, die auf einem benachbarten Dachfirst auf den Ziegeln hocken. „Kommt lieber runter, ich hab Höhenangst“, ruft sie den Zaungästen in luftiger Höhe zu. „Sonst krieg ich noch Schnappatmung!“ Doch die beiden Paare scheinen Connors Höhenangst nicht zu teilen und harren die ganzen zwei Konzertstunden auf dem Dach aus. Nachdem sie das Publikum mit den poppigen Nummern ihres deutschen Albums zufriedengestellt hat, geht Connor musikalisch übergangslos zurück zum Anfang der 2000er-Jahre und singt in der Sprache ihrer irisch-amerikanischen Vorfahren. Tempo, Lautstärke und vor allem Soul- und Rockelemente nehmen zu. Die Zuschauer erleben eine schrille, wilde Sängerin mit harter Gestik und einer überaus intensiven Körpersprache. Zum Ende wird Connor politisch und lässt wieder die Mutter in sich zu Wort kommen: „Meine Kinder sind in einem sicheren Land geboren. In einer Zeit, in der man nicht mehr weiß, woran man glauben soll.“ Sie bittet die Zuhörer, es den Kindern gleichzutun, die sich um Rasse und Hautfarbe nicht kümmern und fordert ihre Gäste zu einem Experiment auf: den Fremden neben sich an die Hand zu nehmen. Sie endet mit „Augen auf“, in dem Diktaturen, Fanatismus, Gewalt und Flucht angesprochen werden. Die Band mit dem Jazzgitarristen Torsten Goods liefert der Sängerin einen Klangteppich, perfekt durcharrangiert und -choreografiert. Und gekonnte Jazzimprovisationen machen Connors Songs für das traditionsreiche Wormser Jazzfestival mehr als passend.

x