Frankenthal Babymord-Prozess: Kammer hält an Terminplan fest

Im zweiten Frankenthaler Prozess um den Tod der wenige Wochen alten Senna im Mai 2016 hat gestern morgen die Terminplanung und Verhandlungsführung der Kammer im Mittelpunkt eines juristischen Scharmützels gestanden. Alexander Klein, Verteidiger des wegen Mordes an seiner Tochter angeklagten 34-Jährigen, hatte beantragt, die geplante Vernehmung zweier Polizeibeamter abzusetzen und auf später zu verschieben.
Das Hauptargument des Anwalts: Wenn die Beamten erst über den neben der Mutter des getöteten Kindes wichtigsten Tatzeugen und seine Vernehmung durch die Ermittler aussagen, könne das die Richter in ihrem Urteilsvermögen beeinflussen. Klein sprach von einer möglichen „suggestiven Wirkung“. Der Mann hatte sich in der Wohnung aufgehalten, als der Säugling mutmaßlich aus der Hand seines Vaters vom Balkon in die Tiefe stürzte und dabei tödliche Verletzungen erlitt. Kleins Antrag, die beiden Kripobeamten erst vorzuladen, wenn der ehemalige Freund des Angeklagten schon im Zeugenstand war, lehnte Vorsitzender Richter Alexander Schräder ab. Dagegen legte der Verteidiger Widerspruch ein. Er sehe darin einen Verstoß gegen den in der Strafprozessordnung verankerten Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. „Ich habe es noch nie erlebt, dass Vernehmungsbeamte vor einem Tatzeugen befragt werden“, sagte Klein. Auch die zweite Unterbrechung der Sitzung innerhalb der ersten Stunde des gestrigen Prozesstags führte zu keinem anderen Ergebnis: Der genannte Grundsatz sei nicht verletzt, so der Kammervorsitzende. Er führte höchstrichterliche Entscheidungen an, die lediglich den Vorrang des Personenbeweises vor dem sogenannten Urkundenbeweis festgestellt hätten. Schräder wies zudem auf den Anspruch hin, demzufolge Hauptverfahren in Haftsachen nicht unnötig in die Länge gezogen werden dürften. Ein weiterer Nebenkriegsschauplatz wurde gestern vorläufig auf richterlichen Beschluss hin beendet: Dem Angeklagten wird zusätzlich zu Alexander Klein kein zweiter Pflichtverteidiger zur Seite gestellt. Wie berichtet, hatte Nebenklagevertreter Frank Peter das Anfang Januar beantragt. Der Hintergrund: In einem anderen Strafverfahren vor dem Amtsgericht Frankenthal hatte Klein einen arabischstämmigen Mann vertreten. Im Verlauf des Prozesses wollte der Jurist einen Schöffen für befangen erklären lassen, weil dieser bei Facebook fremdenfeindliche Hetze verbreitet habe. Inzwischen laufen Ermittlungen, ob der damalige Angeklagte diese dem Schöffen zugeschriebenen Beiträge manipuliert haben könnte. Gegen Kleins Mandanten wird deshalb ermittelt. Die Staatsanwaltschaft führt auch den Anwalt als Beschuldigten. Ein solcher Schritt sei nur für eng begrenzte Fälle vorgesehen. Der vorliegende gehört nach Überzeugung der Kammer nicht dazu. Es liege noch keine Entscheidung der Staatsanwaltschaft über deren weitere Aktivitäten vor. Selbst wenn es zu einem Verfahren gegen Klein kommen sollte, sei aber nicht mit einem Abschluss in erster Instanz zu rechnen. Insofern sei die Fortsetzung des Prozesses im Fall Senna nicht in Gefahr, so Richter Schräder. Die Beweisaufnahme hat das Gericht gestern mit der Befragung von Polizisten fortgesetzt: Unter anderem schilderte eine junge Beamtin der Inspektion Frankenthal, wie sie mit einer Kollegin am frühen Morgen des 14. Mai 2016 den leblosen Körper des acht Wochen alten Babys im dunklen Hinterhof des Mehrfamilienhauses im Lauterecker Viertel entdeckt hatte. Wie im ersten Strafprozess gegen den 34-jährigen Angeklagten, der im vergangenen Jahr wegen einer langfristigen Erkrankung einer Richterin geplatzt war, spielt auch jetzt wieder eine Frage an die Zeugen eine zentrale Rolle: die nach dem Abstand zwischen Hauswand und dem Punkt, an dem der Körper des Säuglings aus dem zweiten Stock auf den Mutterboden geprallt sein soll. Dahinter steckt die nun erneut zu klärende weitergehende Frage: Ist dem Vater seine Tochter aus der Hand geglitten, hat er sie fallenlassen oder sie – wie die Anklage annimmt – vom Balkon geworfen?