Frankenthal Über die Liebe – von Grusel bis Komik

Das Thema Liebe lässt einen Schlimmes befürchten – doch das Quartett Tutu Toulouse schafft es, mit „Verliebt – Vertont – Verdichtet“, nicht nur kurzweilig, sondern auch originell zu unterhalten. Die Mischung aus Rezitation und Musik kam beim Publikum im Theater Alte Werkstatt in Frankenthal am Sonntag sehr gut an.

Über die Liebe hat schon jeder etwas gesagt, es gibt Sätze von jeder geistigen Gewichtsklasse. Was Tutu Toulouse aber gelingt, ist ein wunderbar spielerischer und leichter Umgang mit Stimmungen, Einsichten und Ansichten. Zu Beginn prasseln erst mal eine Menge Zitate auf die Zuhörer herab. Man kann sich gar nicht alles merken, ob Wilhelm Busch oder Goethe – es geht querbeet. Im weiteren Verlauf folgen dann Texte, die M. P. Toulouse ganz exzellent rezitiert, und Jazz- und Pop-Stücke, die Tina Toulouse singt und Oli Toulouse mit Gitarren sowie Doro T. auf dem Kontrabass begleiten. Manchmal spricht M. P. einfach nur die Texte der Stücke, und da gibt es manche Perle zu entdecken. „How Insensitive“, ein Bossa Nova von Antonio Carlos Jobim, ist der Blick ins Gemüt des lyrischen Ichs, das plötzlich aufgehört hat zu lieben. „Was kann man machen, wenn die Liebe vorbei ist?“, fragt das Lied – und diesmal gibt es keine Antwort. Manche Stücke werden auch wunderbar veräppelt: Herbert Grönemeyers Betrachtungen über „Männer“ trägt M. P. auf eine Art gesprochen vor, die kein Auge trocken lässt. Schlagartig wird klar, wie sich Grönemeyer angestrengt haben muss, um auch wirklich jeden Aspekt zeitgenössischen Mannseins abzuhandeln. Mit grimmigem Vergnügen nehmen die vier auch die auf Breitwand-Format ausgewalzte Titanic-Liebesgeschichte aufs Korn. Mit Eiswürfeln im Wasserglas und einem Strohhalm zum Blubbern beginnt die Szene, bei der M. P. den Dialog von Jack und Rose im Wasser vorliest – und zwar äußerst trocken. Der Titelsong zur Katastrophe wurde von Céline Dion verbrochen. Doro und Oli haben den Schmachtfetzen ordentlich aufgepeppt und spielen flotten Country-Style, zu dem dann Sängerin Tina zügig loslegt. Es gibt viele bekannte Stücke zu hören, und alle sind für die kleine Besetzung geschickt arrangiert und vor allem neu interpretiert. „Fly Me To The Moon“ ist eigentlich als Jazz-Standard schon ziemlich abgenudelt – aber hier haben die Musiker das Stück mit neuen Akkorden harmonisiert und etwas ganz Neues daraus gemacht. Aus Billy Idols „White Wedding“ wird ein gefühlvoller Reggae. Es macht Spaß, mit dem Quartett die Songs neu zu entdecken. Die Facetten des Programms sind vielfältig und abwechslungsreich. Von Grusel bis Komik ist so ziemlich alles dabei. Recht unheimlich ist zum Beispiel die Geschichte „Freilingers große Liebe“ des Heidelberger Krimischriftstellers Carlo Schäfer. Der großartig vortragende M. P. nimmt die Zuhörer mit in den Kopf des Protagonisten, der sich in eine Kellnerin verliebt hat. Leider ist der Liebende völlig ohne Gespür für die Gefühle seiner Angebeteten und sozial so ungeschickt, dass er nicht einmal merkt, wie belästigend und schließlich bedrohlich er für sie wird. Die Geschichte ist das raffinierte Psychogramm eines Stalkers – und sie endet tödlich. Passend dazu gibt es hinterher „Every Breath You Take“, ein Stück das Sting geschrieben hat, als er sich selbst als Beinahe-Stalker seiner Freundin ertappt hat. Gut drei Stunden dauert das Programm, aber es wird zu keiner Zeit lang. Die brillante Vortragskunst aller Akteure macht einfach Spaß. Witz und Esprit und die wunderbare Leichtigkeit im Umgang mit dem uralten Thema Liebe garantieren anspruchsvolle Kurzweil.

x