Frankenthal „Wir wollen wieder kommen“

Stark vor allem vor sparsamer Orchestrierung: Leona Berlin.
Stark vor allem vor sparsamer Orchestrierung: Leona Berlin.

Nach den Spielen ist vor den Spielen: Schon jetzt treiben Schatka und Feldmann neue Pläne für 2018 um: Sie überlegen, das Festival um einen Tag zu verlängern und auf zwei Wochenenden aufzuteilen, sagt Schatka. Dabei wollen sie auf jeden Fall am vielseitigen Programm mit Jugend-Jazzpreis und Jazz für Kinder festhalten. Doch zurück zu 2017: Am Freitag, dem ersten Konzertabend, trafen im Gleis 4 zwei Musikergenerationen aufeinander. Im Trio Cobody haben sich gestandene Musiker aus der Region zusammengefunden: Jo Bartmes an der Hammond-Orgel, Erwin Ditzner am Schlagzeug und Sänger Michael „Kosho“ Koschorreck an der Gitarre. Bartmes kokettierte denn auch damit, dass auf der Bühne die ältesten Musiker der Region stünden – zumindest die ältesten noch aktiven, wollte Kosho dann doch noch einschränken. Die junge Soul-Sängerin Leona Berlin dagegen steht noch ganz am Anfang ihrer Karriere, die schon sehr hoffnungsvoll begonnen hat. Ist sie doch für ihr Debütalbum mit Warner Jazz Germany gleich bei einem Major Label unter Vertrag gekommen. Dass die Cobody eigene Musiksprache reifer klingt, weil sie stringenter umgesetzt wird, mag da nicht verwundern. „Undercover“ – so auch der Name seines Albums – ist das Trio unterwegs. Dazu hat es sich mit großer Souveränität alte Rocknummern zu eigen gemacht. Manche Titel sind bis zur Kenntlichkeit verzerrt: Wirken sie doch – mit neuem Rhythmus unterlegt oder in ein anderes Genre verfrachtet – so überraschend frisch, dass man sich auf die übersatt gehörten Titel der eigenen Jugend wieder mit Wonne einlässt. „Born to Be Wild“ von Steppenwolf lieferte ein solches Aha-Erlebnis: bluesgetränkt und mit psychedelischem Touch wiegte es sich lasziv mit sparsamem Hüftschwung im Sechs-Viertel-Takt. Viele der Titel kombinieren eine Leichtigkeit des Seins, vorzugsweise im Cabrio auf Serpentinen an der Cote d’Azur, mit den schrägen und bunt schillernden Tönen der Hippiezeit. Alles gespielt mit einer etwas lakonischen Attitüde, die ja auch gut zu jenem Lebensgefühl passt, und dem nostalgischen Ton keineswegs überkommener Gerätschaften wie der altehrwürdigen Hammond B3. Die wohl schönste unter diesen Adaptionen ist „I Want You“ mit seinem treibenden Rhythmus – eine Version, die so durchaus auch von den späten Beatles selbst stammen könnte. Flott gemacht hat Cobody solchermaßen auch „White Room“ von Cream, „Riders On the Storm“ von den Doors und „Whipping Post“ von den Allman Brothers – vertrackte Funk-Rhythmen wurden hier kräftig gegeneinander gebürstet. „Princess“ eine Eigenkomposition von Bartmes wirkt mit dem Pfeifen über einem rollenden Rhythmus so unbeschwert wie „Belmondo“ mit dem Schubidu-Gesang. Der „Kasatschok“, den Cobody auch im Repertoire hat und der auch vom Publikum eingefordert wurde, hätte da noch gut reingepasst. Stattdessen erinnerte Kosho mit „Compared to What“ an einen berühmten Kollegen, einen Star der Soul-Ära, mit dem er zwei Jahre habe touren dürfen: Les McCann. „Wir wollen wiederkommen“, sagte Jo Bartmes angetan von der schönen Atmosphäre im Gleis 4. Das Publikum dürfte einverstanden gewesen sein. Das gilt auch für ein Wiedersehen mit Leona Berlin. Ihr Auftritt war wohl eine Rarität, da sie sich derzeit bis zur Veröffentlichung ihres Debüt-Albums im April 2018 ins Studio verkriecht, wie sie selbst am Mikro erzählt. Die gebürtige Karlsruherin, die in Mainz studiert hat und jetzt in Berlin lebt, hatte auch etliche Cover im Repertoire, aber auch einige Eigenkompositionen, die sie gerade für ihre CD eingespielt hat. Leona Berlin rechnet sich dem Neo-Soul zu, wie er sich Mitte der 1990er-Jahre entwickelt hat. Die starke Rückbesinnung auf den klassischen Soul, mit der sich die Vorreiter des Genres vom kommerziellen R’n’B abgrenzen wollten, ist auch in der Musik der 26-Jährigen stark zu spüren. Etwa in „How Come U Don’t Call Me Anymore“ von Prince, das auch Alicia Keys gesungen hat. Leona Berlin gibt dem Stück mit kraftvoller Stimme viel erdigen Blues mit, aber auch elektronische Effekte und glockenhelle Obertöne aus den strahlendsten Sphären des Pop-Olymps. Der Mix aus Retro-Attitüde und Moderne ist spannend. In der Eigenkomposition „Flying High“ entfesselte sie mit dem Harmonizer über viel Hall einen vielstimmigen Sirenengesang. Und Stevie Wonders quirliges „Free“ setzte sie als intensives, fokussiertes Vokalsolo um. Aufhorchen durch einen eigenen authentischen Stil ließen vor allem die sparsamer orchestrierten Passagen, die starke Spannung aufbauten mit ungewöhnlichen Mitteln. So in schönen Eigenkompositionen: dem getragenen, sehr reduzierten „Moving“ und „Snow Crystal“, das mit seinen Unisono-Staccato-Einsätzen wirkte wie geschreddert. Solche Parts sind sehr viel origineller als die sattsam bekannte Soul-Lokomotive unter Vollgas, die Schlagzeuger Mathis Grossmann, Gitarrist Roman Klobe, Bassist Hannes Hüfken, und Keyboarder Ulf Kleiner befeuerten – selbst in „Nothing Compares“ von Sinead O’Connor. Zu ihren Vorbildern zählt die junge Sängerin auch Rachelle Ferrell, die viel mit George Duke gearbeitet hat. Von ihr interpretierte sie „Run to Me“. „Living Is Making Music“ – das Zitat von Herbie Hancock stellte Leona Berlin ihrem Auftritt voraus. Wir werden noch von ihr hören.

x