Rhein-Pfalz Kreis Vorwärts von Kreis zu Kreis

Ohnmacht haben Oberbürgermeister kreisfreier Städte in Rheinland-Pfalz zuletzt gespürt, als sie lesen mussten, welchen Status ihre Stadt bald einnehmen soll. Wenn umgesetzt wird, was in dem Gutachten zur Kommunal- und Verwaltungsreform steht, das die Autoren Jan Ziekow (Speyer) und Martin Junkernheinrich (Kaiserslautern) erarbeitet haben (wir berichteten). Ohnmächtig sollen manche von ihnen nämlich ihren Status verlieren und sich in Riesen-Landkreise eingliedern. Entsprechend scharf und reflexartig haben die Betroffenen reagiert. Fast parallel hat der Speyerer Betriebswirt und Erfinder der Disziplin „Öffentliche Betriebswirtschaftslehre“, Peter Eichhorn, ein Buch vorgelegt, das sich mit den Städten beschäftigt. Aber anders. Eichhorn diagnostiziert in seinem 93-seitigen Werk eine „Ohnmacht der Städte“, so der Titel. Sie resultiert aus der derzeitigen Verfasstheit der Kommunen und ihrer Entscheidungsstrukturen und -abläufe. Nach Eichhorn haben die Städte weder die Kompetenzen, noch die Finanzmittel und sind auch nicht aufgestellt, um effektiv für und mit Bürgern an der Lösung von Problemen arbeiten zu können. Das reicht vom Straßenbau bis zur kommunalen Schulplanung. Denn „kommunale Selbstverwaltung ist Illusion“. Städte und Gemeinden sind größtenteils fremdbestimmt durch Landesgesetzgeber oder mittelbar durch den Deutschen Bundestag und EU-Gemeinschaftsrecht. Kommunalrecht ist Teil des Landesrechts, Kommunalpolitik ist bisher Politik des Landes für oder gegen Kommunen. Stadträte und Kreistage bilden keineswegs Parlamente, sondern sind Verwaltungsorgane zum Vollzug staatlicher Gesetze und Verordnungen. Pflicht- und Weisungsaufgaben dominieren die kommunalen Haushalte. Selbst freiwillige Aufgaben in Kultur, Sport, Wirtschaftsförderung „hängen vom goldenen Zügel des Staates ab“, schreibt Eichhorn – und fordert die Überwindung dieses Zustandes. Er plädiert für kommunale Gesetzgebungsbefugnis, verlangt mehr Finanzmittel, schlägt eine kollegiale Verwaltungsleitung, basierend auf modernen Personal-, Finanz- und Verwaltungsmanagement-Methoden – Verwaltung 4.0 – vor. Überwinden will Eichhorn die „Ohnmacht der Städte“ mit einer radikalen Reform: Er schafft die Landkreise ab, macht die Städte zu Zentralen sogenannter Regionalkreise aus einer Kernstadt mit mindestens 40.000 Einwohnern und Umlandgemeinden. „Die Kernstadt übernimmt wie bei einer kreisfreien Stadt die Kreis-, Verbands und Ortsaufgaben der Umlandgemeinden“, definiert Eichhorn. „Regionalkreise könnten Stadt-Umland-Probleme lösen helfen“, ist der Autor überzeugt. Der neueste Eichhorn liest sich flüssig und schlüssig, enthält Praxisbeispiele als Beleg seiner Thesen. Dass Entscheidungsprozesse lange dauern, dass der Bürger oft noch Bittsteller und nicht Kunde und damit König ist, das ist brillant analysiert. Auch die Forderung nach mehr Entscheidungskompetenz auf unterer Basis ist richtig. Wie breit oder schmal diese Basis sein darf und funktionieren kann, wenn sie gut gemanagt, aufgestellt und mit Fachwissen ausgestattet ist, sagt Eichhorn leider nicht. Eichhorns „Ohnmacht-Reflexionen“ dürften die Debatte um eine Kommunalreform anheizen. Das Werk hat das Zeug dazu, bei Bürgermeistern und Ratsmitgliedern Ohnmachten auszulösen wie vorzubeugen. Zum Weiterlesen: Peter Eichhorn: Ohnmacht der Städte, 2018, ISBN 978-3-8305-3917-9, 29 Euro.

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