Frankenthal „Vollhorst“ und verhungerte Drachen

„Eisgekiehlder Grauburgunder“: die Dubbeglas-Brieder Olli Herrmann (vorne) und Willi Brausch.
»Eisgekiehlder Grauburgunder«: die Dubbeglas-Brieder Olli Herrmann (vorne) und Willi Brausch.

Fünf Stunden Fasnacht vom Feinsten im fast ausverkauften Congress-Forum erlebten die Zuschauer am Samstagabend bei der Prunksitzung des Frankenthaler Carneval-Vereins (FCV). Unter dem Motto „Meer Fastnacht“ zeigten die Garden attraktive Schautänze.

Die Sitzung – sympathisch moderiert von FCV-Präsident Andreas Schuff – glänzte durch inhaltliche Vielfalt, Gastkünstler mit Niveau und wirkte trotz ihrer Länge nicht langatmig. Dramaturgischer Kunstgriff: Ehrungen und Ordensrunde wurden am Anfang zügig abgearbeitet. Zur Eröffnung hielt – eskortiert von Geheimagent James Gockel – das Frankenthaler Stadtprinzenpaar Emily I. (Miss Strohhut Emily Matejcek) und Bernd I. (Bürgermeister Bernd Knöppel) Einzug. Die beiden Narrheiten plädierten für Alt-OB Theo Wieder als Leiter eines Frankenthaler Fasnachtsmuseums und boten Buttons zur Unterstützung der Frankenthaler Tafel an. Starke Akzente am Anfang und Ende der ersten Sitzungsrunde setzten die Brühllerchen und der Deutsche Michel. Die neunköpfige Kabaretttruppe aus dem Saarland brillierte mit politischem Gesang über Lichtgestalten der Weltgeschichte und über das Luxus-Leben in Steuer-Oasen. Knackige mehrstimmige Chorsätze und intelligente Texte rissen die Zuschauer für eine Zugabe im Stil der Filmkomödie „Sister Act“ von den Stühlen. Feines Hirnfutter hatte auch FCV-Aktiver Frank Hüther dabei. Als Michel kritisierte er in seinem spitzzüngig gereimten Vortrag unter anderem „Vollhorst“ Seehofer, die lustlose Groko, warnte vor Populismus („schlimmer geht immer“) und Trump’schem Autokratismus. Zuletzt verstieg er sich in regionalen Fusions-Fantasien: „Wir holen uns Oggersheim, Edigheim und die Anilin – den Rest von Ludwigshafen kann Worms sich ziehn“. Für Hüthers brillanten Vortrag gab es viel Applaus. Weitere Wortbeiträge brachten „Fräulein Baumann“ (Markus Weber, Weinheim), der Kurpfälzer Kabarettist Franz Kain und Pianomann Andy Ost. Fräulein Baumann sinnierte über späte Schwangerschaften, Bratwürste im Kondom-Futteral und den Jungfrauen fressenden Nibelungendrachen, der wohl in Frankenthal verhungert sei. Bei seinem Frankenthaler Premierenauftritt wusste Franz Kain als „Babyboomer“ zu überzeugen: Er plauderte unter anderem über im Ikea-Bällchenbad entsorgte Männer und die freudlose Zukunft von Fleischessern im gastronomischen Raucherecken-Reservat. Als einzige Frau in der Bütt riskierte Anne Vog, Wahlpfälzerin mit rheinischem Migrationshintergrund, eine kesse Lippe. Nach dem Vortrag der Comedy-Preisträgerin über Untiefen in Geschlechter-Beziehungen, Push-up-BHs („Lügen-Presse“), „Blumenhochzeit“ („sie ist verwelkt, er verduftet“) und Sehkraft verdoppelnden Alkohol forderte das Publikum eine Zugabe. Ausrutscher nach unten zu später Stunde war das Duo „Babbel net“ (Pit Karg und Horst Siegelholt) in der Rolle des Doktor Fred von der Flachzange und Der Filzbacher. Angekündigt als feste Größe der Mannheimer Fasnacht, brachten die beiden Fußballmetaphern auf schwachem Niveau. Toll dagegen Andy Ost: Der Mainzer bot originell umgetextete Songs wie „Die paar Schobbe“ (Despacito), jaulte als beinenthaarter Udo Lindenberg und riss mit „Humba Täterä“ das Publikum mit. „Die blauen Dragoner, sie reiten“ hieß es zu Beginn der zweiten Sitzungsrunde, als FCV-Vize Nico Hahl und seine Mitstreiter den Saal zum kollektiven Taschentuchwinken animierten. Leichtes Spiel hatten die Dubbeglas-Brieder Olli Herrmann und Willi Brausch mit Stimmungskrachern wie „Du, du Dubbeglas“, dem „Schääne Kall“ und „gut gekiehlder Grauburgunder“. Optisches Aushängeschild des FCV sind seine mittlerweile fünf Garden. Gleich bei ihrem ersten Auftritt watschelte sich die neugegründete Minigarde (Leitung: Marlene Baldauf, Svenja Großmann), verkleidet als putzige Pinguine, in die Herzen der Zuschauer. Traditionell und zackig waren die Marschtänze der Nachwuchsgarde, Juniorengarde und Tanzgarde. Dagegen ließen die – wenngleich toll kostümierten – Garden bei ihren Showauftritten als Atlantis-Bewohnerinnen, karibische Meerjungfrauen und kesse Matrosinnen im Vergleich zu früheren Kampagnen etwas choreografische Originalität vermissen. Vom Publikum belohnt wurden sie mit „Raketen“. Das neugegründete siebenköpfige FCV-Männerballett, trainiert von Beate Ladias und Peri Wagner, zeigte bei seiner „Weltpremiere“ als raubeinige Piraten eine beachtliche doch ausbaufähige Leistung. Das phonstarke Finale wurden eingeleitet von den Ludwigshafener Huddelschnuddlern. Die Guggemusik-Truppe trieb das Publikum kurz nach ein Uhr raus ins Foyer. Dort ging die Party bis in die frühen Morgenstunden weiter.

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