Frankenthal Viele Bücher und ein Daunensturm

Mehr als 77.000 Artikel hält die Buchhandlung Thalia bereit, berichtete Andrea Braunbeck (links) den Besuchern.
Mehr als 77.000 Artikel hält die Buchhandlung Thalia bereit, berichtete Andrea Braunbeck (links) den Besuchern.

Lesen, hören, liegen – dieser Dreiklang prägte den vierten Abendspaziergang des City- und Stadtmarketingvereins Frankenthal am Freitag. Den Teilnehmern präsentierten sich die Buchhandlung Thalia, SK-Hörakustik und Betten Lang – vor rund 100 Jahren noch bekannt als „erste Frankenthaler Dampf-Bettfedern-Reinigungs-Anstalt“.

An einem Blick hinter die Kulissen der drei beteiligten Geschäfte waren die Frankenthaler so interessiert, dass die Tickets laut Citymanager Daniel Strotmann innerhalb von zwei Tagen ausverkauft waren. Mit 35 Teilnehmern wurde ein Besucherrekord innerhalb dieser Veranstaltungsreihe erreicht. Mit einem Quiz begrüßt Buchhändlerin Andrea Braunbeck die abendlichen Gäste bei Thalia. Dass das meistverkaufte Buch die Bibel ist, weiß jeder. Bei der Frage, wie viele Artikel in der Buchhandlung am Rathausplatz stehen, scheiden sich die Geister. Die Schätzungen reichen von 30.000 bis zehn Millionen. „Es sind 77.722 – wir haben sie vor drei Wochen bei der Inventur alle gezählt“, informiert Braunbeck. Im Online-Shop der Buchhandelskette mit 300 Geschäften im deutschsprachigen Raum seien es wesentlich mehr Artikel, da der Einkauf im Internet zunimmt. „Das merken wir auch hier, es kommen immer weniger Kunden.“ Braunbeck nimmt die Teilnehmer mit auf eine Reise der Ware – in grauen Styroporboxen wird sie aus dem Zentrallager im thüringischen Hörselgau angeliefert, auf Transportwagen vorsortiert und wandert von dort in die Regale. Die Besucher lauschen interessiert – sie entsprechen genau der Zielgruppe der Deutschen, die laut Braunbeck die meisten Bücher kaufen: weiblich und zwischen 45 und 70 Jahre alt.

Aquarien als Blickfang

Einige erinnern sich noch an die Zeiten, als das Buchgeschäft in der Speyerer Straße war und zur Buchhandelskette von Reinhold Gondrom gehörte. 2006 wurden Gondroms 26 Filialen dem Unternehmen Thalia angegliedert. Was in diesen Filialen bis heute geblieben ist, sind die Fischaquarien an der Hauptkasse – so auch im Thalia Frankenthal, wo ein Schwarm von Buntbarschen hinter Glas einen unterhaltsamen Blickfang bietet. Auf der nächsten Station des Abendspaziergangs erwartet die Besucher eine Selfmadefrau: Sabine Köbel ist Meisterin für Hörgeräteakustik und hat 1992 in Frankenthal ihr erstes Fachgeschäft gegründet, SK Hörakustik. Damals hatte sie nur einen Konkurrenten vor Ort. Heute gibt es in Frankenthal sieben Geschäfte in diesem Bereich. Der Bedarf an Hörgeräten ist weitaus höher. Nach Köbels Einschätzung benötigen bundesweit sechs bis sieben Millionen Menschen ein Hörgerät, nur zwei Millionen Bundesbürger tragen eines. Einer der Gründe: Der altersbedingte Hörverlust sei schleichend, und man bemerke ihn lange Zeit nur wenig. Nach der Frankenthaler Unternehmensgründung eröffnete Köbel zwei weitere Filialen – in der Pfingstweide und in Maxdorf. 15 Mitarbeiter, bis auf zwei Ausnahmen alle weiblich, beschäftigt die Unternehmerin insgesamt. 2012 entwickelte die findige Handwerksmeisterin ein eigenes Anpassungskonzept, das sie „Am Ohre“ nannte und patentieren ließ. Es basiert auf einem Hörprofil des Kunden, der Anpassung eines Hörsystems und einem Hörtraining, das das Gehirn wieder an die Verarbeitung akustischer Reize gewöhnen soll.

Vorträge bei Kaffee und Kuchen

Seit einem Jahr bietet Köbel in ihren Räumen in der Schlossergasse 15 ein alle sechs bis acht Wochen stattfindendes kostenloses Hörcafé an, mit Fachvorträgen rund um Hörprobleme, Kaffee und Kuchen. Und seit 2015 betreibt die umtriebige 56 Jahre alte Frankenthalerin noch ein anderes Geschäft, das mit Hörakustik nichts gemein hat: Sabines Wollke 7 an der Ecke Schlossergasse und Bahnhofstraße – mit Wolle und Häkelgarnen auf zwei Etagen. Die dritte Station ist Betten Lang in der Schnurgasse. Das Geschäft rund um Schlafkomfort gibt es seit 1893. Damit sei es nach Haushaltswaren Kisling in der Speyerer Straße das zweitälteste Fachgeschäft in der Stadt, erzählt Inhaber Thomas Curschmann stolz. Er führt das Familiengeschäft in der vierten Generation und hat einige historische Dokumente der Firmengeschichte aufbewahrt. Zum Beispiel eine Anzeige seines Urgroßvaters Friedrich Lang aus dem Jahre 1920, die für die „erste Frankenthaler Dampf-Bettfedern-Reinigungs-Anstalt“ warb. Im Kellergeschoss zeigt der 49-Jährige zusammen mit seiner Frau Stefanie, wie 98 Jahre später die Daunen gesäubert werden: In einer rund zwei Meter hohen Maschine werden die Daunen aus den Inletts gesaugt, mit heißem Dampf besprüht und dabei von Fett und Staub befreit. Dabei pustet ein Gebläse die zarten Entenfedern permanent durch die Luft, was die Besucher durch ein Bullauge beobachten können – ein Erlebnis, das an Frau Holle und wilde Schneestürme denken lässt.

Bettdecke für 4000 Euro

„Je mehr Verästelungen eine Daune hat, desto besser isoliert und wärmt sie“, erläutert Curschmann und bittet die Gäste, die kostbarste Daunenart zu berühren: die Daunen der in Grönland und Island beheimateten Eiderente. So leicht und weich sind sie, dass 1000 Eiderdaunen nur ein Gramm wiegen. Mit ihnen polstert das Entenweibchen sein Nest aus. Nachdem die Küken das Nest verlassen haben, ernten zertifizierte Sammler die teuren Daunen, erzählt Ehefrau Stefanie. Kostenpunkt für eine mit echten Eiderdaunen gefüllte Bettdecke: 4000 Euro.

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