Ludwigshafen „Statisch unterdimensioniert“

Heinz-Josef Vieth.
Heinz-Josef Vieth.

Interview: Ab Sommer 2020 soll die Hochstraße Süd zweieinhalb Jahre lang saniert werden. Dass die Arbeiten teurer und aufwendiger werden als geplant, hat die Stadtspitze am Montag angekündigt. Ein Galeriebauwerk sei die beste Lösung, um die Trasse zu stabilisieren, sagt Heinz-Josef Vieth vom beauftragten Ingenieurbüro Krebs und Kiefer aus Karlsruhe.

Herr Vieth, was macht die sogenannte Pilzhochstraße in ihrer Konstruktion so einzigartig?

Es handelt sich um einen Brückenzug mit einer schalenartigen Konstruktion und einer Fahrbahnplatte auf Stützen und gewölbten Trägern, sogenannten Voutenträgern. Das allein ist für eine Brücke schon einzigartig. Zusätzlich sind bei der Pilzhochstraße die Fugen mit Querkraftkopplungen verbunden, um vertikale Verkehrsbelastungen im Fugenbereich auf Nachbarbauwerke zu übertragen. Ein bekanntes Beispiel für eine Schalenkonstruktion ist übrigens die Schwangere Auster genannte Kongresshalle in Berlin. Ein Galeriebauwerk, also eine neue Brücke unter der alten, soll die Hochstraße Süd künftig stützen. Warum ist das für Sie die optimale Lösung? Es ist aufgrund der alternativen Untersuchungen und den Randbedingungen vor Ort sogar die einzig verbleibende Lösung, um den Verkehrsweg aufrechtzuerhalten. Ist diese Herangehensweise tatsächlich so alternativlos wie die Verwaltungsspitze behauptet? Meiner Meinung nach, ja. Gab es aus Ihrer Sicht in der Vergangenheit Versäumnisse bei der Instandhaltung der Südtrasse? Oder sind derlei Schäden unvermeidbar? Die Brücke wurde regelmäßig nach DIN-Norm geprüft. Alle Brücken sind den Witterungseinflüssen und Verkehrsbelastungen ausgesetzt. Somit sind bei jeder turnusmäßigen Überprüfung Schäden zu erwarten. Der Schadensumfang, wie er sich jetzt darstellt, war bei früheren Kontrollen also nicht zu erkennen? Schäden an der Brücke waren bereits bekannt, auch Korrosionsschäden. Dabei handelte es sich um normale Schadensbilder, wie sie bei Brücken dieses Alters auftreten. Solche Schäden sind beherrschbar und waren bisher auch in laufende Sanierungsplanungen eingetaktet. Aber der Zustand ist viel schlimmer als befürchtet. Der Umfang der Schäden an den Spanngliedköpfen ist erst jetzt durch endoskopische Aufnahmen festgestellt worden. In Zusammenhang mit der Sanierung der Spanngliedköpfe müssen Eingriffe in die Tragstruktur vorgenommen werden. Somit war zwingend eine statische Nachrechnung nötig. Dabei stellte sich heraus, dass die Brücke – legt man heutige Berechnungsvorschriften zugrunde – in verschiedenen Bereichen statisch unterdimensioniert ist. Woran liegt das? Das ist darauf zurückzuführen, dass man zum Zeitpunkt des Baus in den 50er-Jahren noch nicht die rechnerischen Möglichkeiten hatte, alle statischen Einflüsse zu erfassen. Dass man das erst jetzt festgestellt hat und nicht bereits in den vergangenen Jahren, liegt daran, dass es bisher überhaupt keinen Grund gab, die Brücke nachzurechnen. Die statische Unterdimensionierung ist das eigentliche Problem, das letztlich zu der Explosion des Sanierungsumfangs und der Kosten führt. Ein Problem ist mit Blick auf den Beginn des Abrisses der Nord-Hochstraße auch der Zeitdruck. Ist die Sanierung der Südtrasse wirklich in zweieinhalb Jahren zu stemmen? Nach jetzigem Kenntnisstand, ja. Und die größten Risikofaktoren … … sind unabhängig von der Zeit sicher der Planungsablauf an sich und die finanzielle Genehmigung. Im Herbst soll die Vorplanung beendet sein – zumindest das steht fest. Ja, sie berücksichtigt die neue Brücke unter der alten Konstruktion, das Zusammenwirken beider Tragwerke und die gesamten Punkte der Bauabwicklung unter technischen und verkehrlichen Rahmenbedingungen in der Innenstadtlage. Die Kosten für das Südprojekt sind indes noch nicht abzuschätzen, sollen aber weit über den bisher veranschlagten 25 Millionen Euro liegen. Womit muss die Stadt rechnen? Schwer zu sagen. Ohne die Vorplanung ist eine seriöse Abschätzung einfach nicht möglich. Baudezernent Klaus Dillinger (CDU) sagt, das Hochstraßensystem ist ein laufender Sanierungsprozess. Das bedeutet, die Stadt wird das Thema nie wieder loslassen? So ist es. Brückenbauwerke unterliegen wie jedes andere Bauwerk einer Unterhaltungsverpflichtung durch den Bauherrn. Und das ist in diesem Fall die Stadt. Insofern müssen Verschleißteile turnusmäßig ausgetauscht und die gesamten Anlagen fortwährend in einem tauglichen und sicheren Zustand gehalten werden. Das Unternehmen Heinz-Josef Vieth, 60, ist Geschäftsführer beim Ingenieurunternehmen Krebs und Kiefer. Es zählt seit über 60 Jahren bundesweit zu den Branchenführern mit zahlreichen Standorten im In- und Ausland und derzeit über 550 Mitarbeitern.

Die markanten Stützpfeiler geben der „Pilzhochstraße“ ihren Namen. Eine neue Brücke unter der alten soll die Konstruktion auf ei
Die markanten Stützpfeiler geben der »Pilzhochstraße« ihren Namen. Eine neue Brücke unter der alten soll die Konstruktion auf einem 500 Meter langen Teilstück für die nächsten 30 Jahre stabilisieren. Der betroffene Abschnitt besteht aus insgesamt zehn Einzelbauwerken.
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