Rhein-Pfalz Kreis Quartier blüht auf

Helmut Winterbauer, Irena Siemon und Guntram Kühn (von links) berichten bei einem Rundgang durch das Bobenheim-Roxheimer Sozialw
Helmut Winterbauer, Irena Siemon und Guntram Kühn (von links) berichten bei einem Rundgang durch das Bobenheim-Roxheimer Sozialwohnungsviertel, was sich seit dem großen Krach mit der Vermieterfirma alles getan hat. Unter anderem blühen die Rosen wieder.

Sinnbild für die positiven Entwicklungen, die durch eine negative Sache in Gang gesetzt wurden, ist für Irena Siemon das Rosenbeet vor dem Mehrfamilienhaus Limburgstraße 10. Die vom früheren Hauswart gepflanzten Stöcke blühen in vielen Farben und stechen heraus aus dem pragmatischen Grün der Außenanlagen in dem elf solche Häuser umfassenden Quartier. Doch auf dem Höhepunkt des Streits mit der Vonovia (vormals Deutsche Annington) am Jahresanfang seien die Rosen vom Ordnungsdienst des Unternehmens brutal und unfachmännisch abrasiert worden, erinnert sich die gelernte Gartenbautechnikerin. Damals hatte sich Siemon an die RHEINPFALZ gewandt, weil die Firma, die die Sozialwohnungen 2015 übernommen hatte, in Art und Höhe nicht nachvollziehbare Betriebskostenrechnungen verschickt hatte. Etliche der rund 90 Mietparteien waren sogar von Mahn- oder Inkassoverfahren betroffen und verzweifelt (wir berichteten am 7. Februar). Die Vonovia reagierte auf die Gründung einer Mieterinitiative und die Berichterstattung darüber unter anderem mit einer mehrstündigen Sprechstunde im Bobenheim-Roxheimer Rathaus. „Dafür danken wir Bürgermeister Michael Müller“, sagt Siemon. „Etwa zwei Drittel der Mieter haben davon Gebrauch gemacht und sich die Rechnungen erklären lassen“, sagt Guntram Kühn, der gemeinsam mit Irena Siemon und Helmut Winterbauer die Interessen der Mieter gegenüber Vonovia vertritt. Seinen Angaben zufolge konnten die Mahn- und Inkassoverfahren gestoppt sowie fehlerhafte Rechnungsposten zugunsten der Mieter korrigiert werden, das bestätigt Vonovia. „Wir haben einiges erreicht, aber es gibt auch noch viel zu tun“, sagt Kühn. Nicht nur wegen der Nebenkostenbescheide waren die Limburg- und Trifelssträßler vor Monaten auf die Barrikaden gegangen, sondern auch wegen des Zustands der Wohnungen und des Geländes. Vonovia hatte den beliebten und tüchtigen Hausmeister auf Minijob-Basis, Viktor Eckert, entlassen und eine Objektbetreuerin eingesetzt, die sich kaum blicken ließ. In den Wohnungen wurde der Reparaturstau immer größer, in den Grünanlagen parkten Autos und sammelte sich der Streumüll, in den Abfallcontainern entsorgten Fremde ihren Dreck. So schilderte Irena Siemon damals die Situation. Und genau an dieser Front müsse sich noch viel tun, meint sie. Beim Rundgang zeigt das Trio einen Müllstandplatz, an dem es immer noch möglich ist, dass Unbefugte ihre Abfälle entsorgen. „Warum kriegen die das nicht auf die Reihe?“, fragt Kühn. „Wir hier kennen die Probleme und packen sie an, die Vonovia sieht sie und lässt sie liegen.“ „Wir arbeiten an einer Lösung“, sagt dagegen ein Sprecher der Wohnungsgesellschaft. „Mülltourismus ist auch für uns sehr ärgerlich. Gleichzeitig wollen wir eine Lösung, die für die Mieter praktikabel ist.“ Wie Guntram Kühn hofft auch Helmut Winterbauer, der seit vier Jahren in dem Viertel wohnt, dass sich die Lage bessert, wenn außer dem neuen Hauswart aus den Reihen der Mieter noch ein engagierter Objektbetreuer eingestellt ist. Dann möchten sich er, Siemon und Kühn gern zurückziehen. Alle drei finden jedoch, dass ihre Aktivitäten die Gemeinschaft gestärkt haben und dass durch das viele Kommunizieren die verschiedenen Mentalitäten einander näher gebracht wurden. Elf Nationalitäten sind laut Siemon vertreten, und es habe vieler Aushänge, WhatsApp-Nachrichten und Haustürgespräche bedurft, um ein Problembewusstsein zu schaffen. Das Ergebnis: Gemeinsam wurden die Außenanlagen verschönert und aus eigener Tasche Pflanzen besorgt, und nach Nachhilfeunterricht von Irena Siemon, der sich auf über 100 Stunden summiert, wissen die meisten Bewohner jetzt, wie der Müll sortiert wird und wie sich so Betriebskosten einsparen lassen. Das Zusammenleben und das Klima seien insgesamt besser geworden, meinen die drei und kündigen an, ein Fest organisieren zu wollen. Aber bei etwa einem Drittel der Mieter müsse noch etwas Überzeugungsarbeit geleistet werden. Irma Kuzke ist froh über das Engagement der Interessenvertreter. Sie und ihre Schwester haben früher, als die Wohnungen noch dem Unternehmen Immogramm gehörten, selbst mal Unterschriften wegen der Nebenkostenabrechnungen gesammelt. Seit 1994 lebt die aus Kasachstan stammende Rentnerin in der Siedlung und hat dort mit ihrem Mann zwei Kinder groß gezogen. „Bis die Vonovia die Wohnungen übernommen hat, war ich hier sehr zufrieden“, sagt sie. Maria Eckert fühlt sich ebenfalls nicht mehr wohl, doch das hat andere Gründe. Ihr Mann war der Hauswart, von dem alle sagen, dass er seinen Job so hingebungsvoll gemacht habe. „Er hat den Laden für nur 400 Euro monatlich zusammengehalten“, sagt Irena Siemon. Er habe sich so gefreut, als er nach seiner Kündigung auf Druck der Interessenvertreter doch wieder eingestellt werden sollte. „Leider ist er vorher gestorben, ausgerechnet in seinem Arbeitskeller im Haus“, sagt Siemon. Seine Witwe will deshalb nicht mehr hier wohnen. Im Gespräch mit der RHEINPFALZ klagt sie darüber, dass die Vonovia ihr nicht gestatte, trotz verfügbarer Nachmieterin einen Monat früher zu ihren Kindern an die Mosel zu ziehen, um eine doppelte Monatsmiete zu vermeiden. Doch schon einen Tag später wird Irena Siemon verkünden: „Alles in Ordnung! Die Nachmieterin ist akzeptiert, Frau Eckert kann ausziehen.“ Am Rosenbeet vor dem Mehrfamilienhaus Limburgstraße 10 bekommt Maria Eckert Tränen in die Augen. Die Blumen waren ihrem Mann sehr wichtig. Er wollte ein schönes Entree am Haus und war entsetzt, als die Vonovia-Mitarbeiter sie kurz und klein schnitten. Für Maria Eckert ist es unerträglich, weiter hier zu wohnen. „All diese Erinnerungen ...“, sagt sie und weint.

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