Frankenthal Motetten, Lokomotiven und Chili con Carne

Bei den fröhlichen weltlichen Stücken sprang der Funke (noch) nicht über, bei den klassischen Werken umso mehr: Die rund 65 jung
Bei den fröhlichen weltlichen Stücken sprang der Funke (noch) nicht über, bei den klassischen Werken umso mehr: Die rund 65 jungen Sänger des Dresdener Kreuzchors lieferten beim Konzert in Worms unter der Leitung von Wolfgang Behrend (Mitte) eine einwandfreie musikalische Leistung ab.

Vermutlich war das warme Herbstwetter daran schuld, dass das Wormser Theater am Sonntagnachmittag beim Gastspiel des Dresdener Kreuzchors gerade einmal halb gefüllt war. Unter der Leitung von Wolfgang Behrend präsentierten die rund 65 Kinder und jungen Männer Chormusik vom 17. Jahrhundert bis heute – und belohnten die, die trotz Sonnenschein gekommen waren, mit vielschichtigem Gesang.

Das Programm des Konzerts zeigte einen Querschnitt durch das gesamte Repertoire des Knabenchors. Die etwa 65 Sänger präsentierten A-capella-Werke aus mehreren Jahrhunderten: geistliche und weltliche Stücke, Musik aus Renaissance, Romantik und Moderne. Mal waren die Stücke von ernstem, bedächtigem Charakter, mal von ausgelassen-lustigem. Im ersten Teil des Konzerts erklangen geistliche Motetten von klassischen und zeitgenössischen Komponisten. Die Intonation war durchweg sehr gut, gerade auch bei den ungewöhnlichen Harmoniewechseln und dissonanten Klangflächen moderner Kompositionen wie dem „Pater Noster“ von Max Baumann. Sehr beeindruckend war die Motette „Unser Herr Jesus Christus in der Nacht, da er verraten ward“ von Heinrich Schütz. Sie ist für zwei vierstimmige Chöre komponiert, die sich in einem polyphonen Klanggeflecht einzelne Motive zuwerfen. Trotz dieser extremen Klangfülle war der Gesang durchsichtig und gut nachvollziehbar. Bei Mendelssohns Psalmvertonung „Warum Toben die Heiden“ war die differenzierte Ausgestaltung der Musik bemerkenswert. Der Beginn war schnell und rhythmisch markant, wirkte bedrohlich. Im Mittelteil wurde es ruhiger und innig, sogar fast flehend. Das Lob des dreieinigen Gottes bildete in einem majestätischen Fugato den Abschluss des Psalms. All diese Eigenheiten konnte der gebürtige Dresdener Wolfgang Behrend, der seit 2017 Dirigent des Kreuzchores ist, bedacht und präzise mit dem Taktstock aus den jungen Sängern herauslocken. Einzig beim getragenen „Das Agnus Dei“ von Max Reger waren seine Bewegungen ausladender und forcierten einen dichten Stimmenklang. Weltliche Gesänge, die stark an Popmusik erinnern, standen anschließend im Mittelpunkt des Konzertabends. In „Chili con Carne“ von Anders Edenroth sangen die Jungen vom mexikanischen Nationalgericht und tischten dazu südamerikanische Rhythmen auf. An die Comedian Harmonists erinnerte das folgende „It Was a Lover and His Lass“ von John Rutter, das fröhlich von zwei Liebenden im Sommer erzählt. Und bei „I’m a Train“ von Albert Hammond imitierten die Jungen lautmalerisch alte Dampflokomotiven – alles musikalisch einwandfrei interpretiert. Schade nur, dass bei den drei Stücken die fröhlich-ausgelassene Stimmung kaum auf das Publikum übersprang. Die jungen Sänger, die zwischen neun und 18 Jahren alt sind, blickten meist doch sehr ernst drein, während sie steif auf der Wormser Bühne standen. Eine umfassende Gesangsausbildung erhalten die Sänger des Kreuzchors neben der schulischen Bildung am Evangelischen Kreuzgymnasium in Dresden. Der Chor zählt zu den ältesten und bekanntesten der Welt. Seine Geschichte reicht nach eigenen Angaben bis zur ersten Erwähnung der Stadt Dresden ins frühe 13. Jahrhundert zurück. Hauptaufgabe der „Kruzianer“ ist die Gestaltung der Gottesdienste in der Kreuzkirche am Altmarkt der Stadt. Daneben pflegt der Chor eine rege Konzerttätigkeit in Deutschland und im Ausland. Beim Gastspiel in Worms überzeugten die jungen Sänger gegen Ende des Konzerts noch einmal mit ihrer Klangfülle bei „klassischen“ Stücken wie den „Trois Chansons“ von Claude Debussy. Bei Antonín Dvoráks fünf Gesängen „In der Natur“ erlebten die Zuhörer die vom Chor besungene Landschaft geradezu mit. Mit Josef Gabriel Rheinbergers „Abendlied“ als Zugabe endete der Wormser Konzertabend des Kreuzchors so, wie er begonnen hatte: mit einer geistlichen Motette, die die Zuhörer mit einer Segensbitte in den lauen Herbstabend entließ.

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