Frankenthal Manche Fragen bleiben offen

In der Nähe des Wormser Tors kam es zu dem Angriff mit einem Messer.
In der Nähe des Wormser Tors kam es zu dem Angriff mit einem Messer.

Was geschah am Silvesterabend 2017 kurz nach 19 Uhr in dem verkehrsberuhigten Abschnitt der Wormser Straße zwischen Schmiedgasse und Wormser Tor genau? Ein 52-jähriger Mann ist vor dem Landgericht Frankenthal angeklagt: Er soll einen 26-Jährigen mit einem Messer so schwer verletzt haben, dass dieser notoperiert werden musste. „Versuchter Mord“ lautet der Vorwurf. Die gestrige Aussage des Opfers ließ einige Fragen offen.

Unstrittig ist: Am Silvesterabend gegen 19.10 Uhr begegneten sich drei Frauen, die dem weiteren Familienumfeld des Angeklagten zuzurechnen sind, das Opfer und dessen Bruder in dem besagten Straßenabschnitt in Höhe einer Spielothek. Die beiden Brüder waren nach Aussagen des 26-Jährigen auf dem Weg zu einem Lokal am Wormser Tor, das an diesem Abend geöffnet hatte. Er und sein Bruder hätten schon Alkohol konsumiert, sagt der 26-Jährige vor Gericht: Wodka, Rum, Bier in nicht unerheblichen Mengen. Es könne sein, dass sein Bruder im Vorbeigehen irgendetwas „Blödes“ zu den Frauen gesagt habe. Mehr sei nicht gewesen. „Die Frauen haben mich nicht interessiert.“ Von Anmache könne keine Rede sein, sagt er auf Nachfragen. Danach sei es für ihn wie in einem Film abgelaufen. Der Angeklagte sei auf ihn zugekommen und habe ihn auf das Verhalten gegenüber den Frauen angesprochen. Dann habe er sofort zugestochen. Er habe nicht gewusst, wie ihm geschehe. Als er gemerkt habe, dass er von dem Messer im Bauchraum getroffen worden sei, sei er davongelaufen. Der Angeklagte sei ihm nicht gefolgt, wohl aber andere Personen. Der 26-Jährige ist sich inzwischen „zu 90 Prozent sicher“, dass es sich bei dem Angreifer um den 52-Jährigen gehandelt habe. Bei der ersten Aussage bei der Polizei hatte er nach Vorlage von Lichtbildern dessen Bruder der Tat bezichtigt. Der 26-jährige räumt ein, dass sein Bruder am Tatabend Pfefferspray eingesetzt habe, allerdings nicht gegen die Frauen. Nachdem er gemerkt habe, dass er von dem Messer getroffen worden war, sei er davongerannt – und das, obwohl Teile des Darms aus der Wunde austraten. Die Flucht muss von einer Kamera in der Straße zumindest teilweise aufgezeichnet worden sein, denn der 26-Jährige erwähnt diese Filmaufzeichnung. Die Brüder schafften es bis zur Polizei. Es gibt eine Vorgeschichte. Etwa im Jahr 2014 hatte das Opfer nach übereinstimmender Aussage mehrerer Zeugen eine Wohnung von dem Angeklagten in der Wormser Straße gemietet. Die Freundin des Opfers sagt vor Gericht aus: Als der 26-Jährige nach der Notoperation im Krankenhaus aufgewacht sei, habe er gesagt: Täter sei der Mann gewesen, von dem er einst diese Wohnung gemietet hatte. Der Vorsitzende Richter Karsten Sauermilch macht deutlich, dass ihm ein Baustein in der Aussage fehlt: „Was machte den Angreifer so aggressiv?“ Der Bruder des Opfers, den das Gericht zunächst nicht hatte ausfindig machen können, kann nun wohl doch noch gehört werden. Er lebt und arbeitet nach Aussage des Opfers inzwischen in Norwegen und soll nun geladen werden. Alle Familienangehörigen des Angeklagten nehmen ihr Aussageverweigerungsrecht in Anspruch. Ein Pfarrer aus Worms, zu dessen Gemeinde der Angeklagte gehört, berichtet als Zeuge, dass der 52-jährige am Silvesterabend bei ihm gewesen sei und ein Gespräch gesucht habe. An die Uhrzeit könne er sich nicht erinnern. Es war während der Silvesterfeier der Gemeinde. Die Frau des Pfarrers sagt, dass sie den Angeklagten nach 21 Uhr kurz vor dem Saal, in der die Feier stattfand, gesprochen habe. Wenig Gefallen findet Sauermilch daran, dass Familienmitglieder des Angeklagten das Opfer und dessen Cousine nach Aussage des 26-Jährigen kontaktiert und ihnen gedroht haben sollen. Er lehnte aus diesem Grund den Antrag des Verteidigers Johann Bugday ab, den Angeklagten aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Bugday findet die Aussagen des Opfers bezüglich des Tatablaufs widersprüchlich und nicht glaubwürdig. Sauermilch stuft aber gerade die Aussagen bezüglich der Bedrohung als absolut glaubwürdig ein. Außergewöhnlich: Einige Zuhörer des Prozesses sind sehr gut über Hintergründe informiert, sprechen über eine „fehlerhafte“ Lichtbildvorlage bei der Polizei, die so im Prozess noch gar nicht zur Sprache gekommen ist. Ein Beobachter hat Kopien der polizeilichen Vernehmungen. Er ist nach eigener Aussage „Geheimagent“. Der Prozess wird am Donnerstag, 4. Oktober, um 10 Uhr fortgesetzt.

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