Frankenthal Labsal des betrübten Menschen

Luther hat „dem Volk aufs Maul geschaut“ – das Ensemble Ranunculus hat nun dem Reformator aufs Maul geschaut: Im Rahmen des Festivals Wunderhoeren traten die Spielleute in der Wormser Friedrichskirche auf. Im Mittelpunkt standen Sprüche Luthers, die das Ensemble musikalisch illustrierte.

Luthers Zeit sei eine Zeit des Umbruchs und der Erwartung gewesen, erklärte Volker Saueressig, der Sprecher der Gruppe, den Zuhörern. Die alte Ordnung geriet damals ins Wanken: Wer reich ist, wird arm werden, und Arme werden reich. Wer froh ist, wird traurig, und umgekehrt. Der Nürnberger Meistersinger Hans Sachs, ein Zeitgenosse Martin Luthers, hatte das in seinem Lied „Baldanders“ dargestellt. Der Baldanders erscheint in immer anderer Gestalt. Auch im folgenden Lied besang Ranunculus die Figur, die den Wandel personifiziert. „Es zieht ein Mann wohl durch das Land, mit seiner Flöte in der Hand“, heißt es da, „der Baldanders ist’s“ Luther war selbst ein begabter Musiker, Sänger und Komponist. Viele seiner Lieder werden heute noch in Kirchen gesungen. „Ein feste Burg ist unser Gott“ ist wohl das bekannteste. Entsprechend hoch schätzte der Reformator die Musik. Sie sei „das beste Labsal eines betrübten Menschen“, war er überzeugt. Da hatte er bestimmt nichts gegen ein Tänzchen einzuwenden. Vier Stück davon, die Tielman Susato arrangiert hat, kombinierte das Ensemble Ranunculus zu einer Suite. Der flämische Komponist der Renaissance hat dafür vermutlich auf bereits überlieferte Melodien zurückgegriffen und weitere Stimmen dazu geschrieben. Schön zu hören war hierbei die Steigerung und Entfaltung der Klangfarben durch das Ensemble. Die Musiker spielen natürlich Instrumente aus der Renaissance. Typisch ist die Cornamuse, die mit ihrem hellen, harten Klang sehr durchsetzungsfähig ist. Sie ist ein Doppelrohrblattinstrument, ähnlich der weicher klingenden Oboe. Oder die Rauschpfeife mit selber Tonerzeugung, aber anderer Größe und Griffweise. In vielen Stücken gibt es einen Bordun zu hören. Borduntöne sind durchgängig liegende Basstöne. Man kennt sie vom Dudelsack, der im Ensemble ebenfalls in verschiedenen Formen gespielt wird. Da sind es lange Basspfeifen, die den Grundton spielen. Bei der Drehleier gibt es Bordunsaiten, die den Grundton halten. Zu hören war hier auch der Schnarr-Effekt, der rhythmische Betonungen markiert und durch einen Impuls des drehenden Rades erzeugt wird. Vom Aussehen her ähnlich, aber ohne das Rad, das die Saiten in Schwingung versetzt, ist die Nykelharpa, auch Schlüsselfiedel genannt. Sie wird wie eine Geige mit dem Bogen gespielt, die Spieler drücken aber nicht mit der Greifhand die Saiten aufs Griffbrett, sondern drücken Tasten einer Mechanik. Akkorde spielen verschiedene Lauten-Instrumente. Ganz wichtig und bei allen Stücken beteiligt ist die Perkussion: Es gibt verschiedene Trommeln und Schellen, die den Rhythmus unterstreichen. Das kann ganz schön rumpeln. Die Themen der Lieder und der Luther-Sprüche waren vielfältig, oft auch humorvoll. So zum Beispiel das Lied über den Ehestand: „Die Hochzeit ist, bei meiner Trau, ein pudelnärrisch Ding. Man isst und trinkt sich voll dabei, da heißt es ,tanz und spring’!“ Doch dann folgen die Mühen des Ehestands und zwölf Kinder. Üblich war es zu Luthers Zeiten, bekannte Lieder umzudichten. So konnte man schnell Leute erreichen und zum Mitsingen gewinnen. Luther machte sich das zunutze, erklärte Saueressig. „So treiben wir den Winter aus“ münzte der Reformator um auf den Papst, der nach seiner Ansicht Seelen verführte und aus der Kirche herausgetrieben werden sollte. Die Luther-Sprüche ließen den Reformator als Mann mit Lebenserfahrung und guter Laune erscheinen. Man dürfe über alles predigen, nur nicht über 40 Minuten, soll er gesagt haben. Auch wenn das Konzert länger dauerte, war es doch keine Minute zu lang und sehr unterhaltsam. Am Ende durfte der wohl berühmteste Satz Luthers nicht fehlen: „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz!“ – damit ging es in die Zugaben.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x