Rhein-Pfalz Kreis „Kay, der Kran“ und die bärtigen Tanzmäuse

Einmal in der Woche trainiert Nancy Göpfert (links vorne) mit dem Radlerballett des Radfahrer Vereins All-Heil im katholischen P
Einmal in der Woche trainiert Nancy Göpfert (links vorne) mit dem Radlerballett des Radfahrer Vereins All-Heil im katholischen Pfarrheim St. Laurentius Bobenheim.

Seit 34 Jahren macht das Radlerballett des Radfahrer Vereins All-Heil Bobenheim-Roxheim mit rhythmischen Beinbewegungen auf sich aufmerksam. Rainer Knies ist von Anfang an dabei. Zehn Männer hören seit drei Jahren auf das Kommando von Trainerin Nancy Göpfert. Vom Alter her – könnte sie die Tochter einiger Tänzer sein.

Rainer Knies erzählt die Geschichte von der Geburt des Tanzensembles. Und alle lauschen gebannt wie Kinder in der Märchenstunde. „1984 hatte der Elferrat des Radfahrvereins All-Heil die Idee, für den damaligen Radlerball ein Tänzchen einzustudieren. Ein Jahr darauf wurde das Radlerballett gegründet“, sagt Knies. Über die Jahrzehnte hat sich die Truppe zur Visitenkarte des Vereins gemausert. Viele Faschingsvereine hätten seitdem den Bobenheimern nachgeeifert und eigene männliche Ballettgruppen ins Leben gerufen. Verkleidet als Schweine, Elche, Kühe, Matrosen, Rockstars, Prinzessinnen und Cowboys waren die Männer auf der Bühne. Noch nie jedoch im Radfahrertrikot mit Drahtesel. In der laufenden Kampagne sind sie auf den Spuren von Peter Pan auf der Suche nach der Indianerprinzessin Tiger Lily unterwegs. Aufwärmübungen gibt es nicht, dafür hockt man sich an die Heizung. „Zwei, drei, vier, los und: Hacke, Spitze, Hacke, Spitze“ schallt Göpferts energische Stimme durch den Pfarrsaal von St. Laurentius in Bobenheim. Vor der Statue des Heiligen Josef schwingen die Zehn zwischen Ostern und Fasnacht einmal in der Woche ihr Tanzbein. Und Josef als Schutzheiliger der Erzieher schaut wohlwollend zu, wie Göpfert ihren Jungs Tanzfiguren beibringt. Gnadenlos peitscht die 31-Jährige die bärtigen Tanzmäuse durch exakt sechseinhalb Minuten Programm. Ihre Wahl beweist, wie gut die Trainerin das Radlerballett inzwischen kennt. Schließlich ist Peter Pan ein Junge, der nicht erwachsen werden will. Und die Männer von Bobenheims Ballett sind im Herzen Kinder geblieben. Das sieht man ihnen bei jedem Tanzschritt an, der manchmal weniger, manchmal mehr grazil, jedoch stets in kindlicher Begeisterung ausgeführt wird. Traditionell steht Kay Stofleth ganz unten. Genannt wird er in der Runde „Kay, der Kran“, weil er so gut Männer stemmen kann. Die 80 Kilogramm von Rainer Knies hebt Stofleth pannenfrei über seinen Kopf. Zwar nicht mit der mühelosen Eleganz von Zirkusartisten, aber Knies schwebt Sekunden engelsgleich vor dem Heiligen Josef. Dabei zerreißt das Tutu, das Stofleth für die Choreografie trägt. „Das flickt mei Fra“, nimmt er’s gelassen und strampelt sich aus dem zarten Tüllrock. Endlich ist Göpfert zufrieden, die verschwitzte „Rasselbande“ eilt zu den Tischen, wo Durstlöscher warten. Das Fitnessstudio ersetze es zwar nicht, stärke jedoch die Kondition, so der allgemeine Konsens bei den Tanzmännern. „Ist gut für hier und hier und hier“, tippt Stofleth auf Kopf, Arme und Beine. „Ganzkörpertraining eben. Und man lernt Taktgefühl, davon profitieren unsere Frauen“, gibt er sich humorvoll-doppeldeutig. Schwatzend streifen die Herren die Indianerkostüme ab und stehen mit Unterhosen im Pfarrsaal, der nun der Umkleidekabine einer Turnhalle gleicht. Göpfert bewahrt Fassung. Schließlich ist sie von Kindesbeinen an aktive Faschingstänzerin, seit zehn Jahren Trainerin und coacht neben dem Radlerballett die Pampersrocker des Bobenheimer Carnevalvereins (BCV) im Kleinkindalter. „Männer sind angenehme Tanzschüler und keine Zicken“, meint sie. „Wenn man einmal was sagt, wird’s gemacht.“ In der als Buch gebundenen Historie des Radlerballetts stehen auch weibliche Namen. Also doch kein reines Männerballett? „In manchen Jahren hatten wir akuten Männermangel. Dann haben wir halt mit Frauen aufgefüllt“, plaudert Knies aus dem Nähkästchen. Freilich mussten die Damen auf der Bühne ihr Geschlecht hinter Masken und Kostümen so geschickt verbergen, dass dem Publikum diese kleine Schummelei verborgen blieb. Es ist spät geworden. Die Tänzer haben ihre bürgerlichen Beinkleider übergezogen und streben zum heimischen Herd. Morgen in der Frühe beginnt wieder für die „alten Hasen“ und auch für die Neuen in der Runde – die liebevoll „Küken“ genannten Jungspunde Lars Keiz (23 Jahre) und Johannes Geib (24) – der alltägliche Wahnsinn als Angestellte, Beamte, Bauern und Handwerker. „Du kannst uns ja später alle pflegen“, ruft der 58-jährige Rainer Knies der Trainerin beim Weggehen nach. Ein Scherz, den alle Tänzer kapieren. Und Nancy Göpfert gleichfalls. Denn sie erlernt derzeit den Beruf der Altenpflegerin.

x