Frankenthal „Ich bin ein vorsichtiger Mensch“

Aufmerksamer Zuhörer: Bernd Leidig als Fraktionschef. Hinter ihm die SPD-Routiniers Dieter Schiffmann und Alis Hoppenrath.
Aufmerksamer Zuhörer: Bernd Leidig als Fraktionschef. Hinter ihm die SPD-Routiniers Dieter Schiffmann und Alis Hoppenrath.
Herr Leidig, die erste Hürde in Richtung Rathaus haben Sie locker genommen. Sie sind in solchen Momenten aber offenbar ein stiller Genießer. Warum so zurückhaltend?

Das Pokerface wird mir ja immer nachgesagt. Es ist einfach meine Art, die Dinge etwas mit Bedacht auf mich wirken zu lassen. Und dann – vielleicht bin ich da auch übervorsichtig – steht für mich immer noch der Termin 20. März mit der Wahl im Stadtrat im Raum. Da will ich nicht vorher jubeln. Ich bin ein vorsichtiger Mensch. (lacht) Erst Beate Steeg, jetzt Andreas Schwarz – zweimal hatte die SPD in den vergangenen zwölf Monaten akute Personalprobleme zu lösen, zweimal haben Sie sich in die Pflicht nehmen lassen. Was treibt Sie an: Pflichtbewusstsein, Verantwortungsgefühl, vielleicht auch ein bisschen Ehrgeiz? Ehrlich gesagt, überwiegt bei mir das Pflichtbewusstsein. Ich wusste natürlich, wenn ich mich auf eine Wahlliste setzen lasse, was passieren kann. Ich will es jetzt nicht überbewerten: Aber so ein Stadtrat ist kein Kindergeburtstag, da geht es schon um etwas: die Verantwortung für eine ganze Stadt, das Personal, die Finanzen. Und ich habe als Vorsitzender des Stadtverbands auch Verantwortung übernommen für die Partei hier am Ort. Da sollte man dann auch geradestehen, wenn es zum Ruf kommt. So sehe ich das zumindest. Sie werden sich vor der Wahl im Stadtrat im März jetzt noch allen Fraktionen vorstellen. Wie werben Sie bei der Konkurrenz für sich? Ich werde das in gleicher Weise tun, wie ich das vor meiner Partei getan habe. Ich versuche, mein Gegenüber zu überzeugen, dass ich ein hier fest verwurzelter, fleißiger Mensch bin. Dass ich bereit bin, Aufgaben anzunehmen und zu erledigen, und dass ich für meine Heimatstadt Verantwortung übernehmen will. So habe ich mir das vorgenommen. Das Dezernat, dass Sie im Falle Ihrer Kür im März übernehmen, ist eins mit manchmal eher undankbaren Themen: Finanzen, Soziales, Stadtklinik. Oder sehe ich das zu negativ? Sie haben da schon Recht. Für das Thema Kämmerei und Finanzen werden sich vielleicht nicht so viele erwärmen können. Da sind dann von der Außenwirkung bestimmt Dinge wie ein Parkverbot oder eine verschmutzte Grünanlage interessanter. Aber in dem Dezernat sind entscheidende Schaltstellen angesiedelt. Der Bereich Familie, Jugend und Soziales steht für den größten Haushaltsposten, natürlich geprägt von Pflichtaufgaben. Aber das Interessante für mich, wenn ich dann hineinschnuppern darf, ist etwas anderes: nämlich die Stellen zu finden, an denen wir vor Ort etwas steuern und bewegen können. Und diese Möglichkeiten gibt es: Im vergangenen Jahr hat sich das noch unter der Ägide von Andreas Schwarz beispielsweise beim Armuts- und Reichtumsbericht gezeigt. Über einen Workshop sind wir dann beim Thema Kinderarmut tatsächlich zu konkreten Ansätzen gekommen. Das ist das Spannende. Und das Krankenhaus ist ja auch, ganz abgesehen von seiner Bedeutung für die Gesundheitsversorgung, einer der größten Arbeitgeber in der Stadt. Sie haben zwei Dinge angeführt, die Bürger bestimmt beschäftigen: Knöllchen und Sauberkeit. Was glauben Sie ganz persönlich, was die Leute von der Verwaltung erwarten, was sie vielleicht bisher auch vermisst haben? Ein heikles Thema war ja die ganze Flüchtlingsgeschichte, die uns schon lange beschäftigt. Da war die Unterbringung ein großes Thema, wo aus meiner Sicht als Stadtratsmitglied manches hätte besser laufen können. Die Notunterkunft mit den Messehallen war zunächst unausweichlich, auf die lange Strecke hätte man hier aber etwas offensiver nach anderen Lösungen suchen sollen. Auch das Thema Kindertagesstätten bewegt die Menschen. Als im Winter 2017/18 eine Phase mit vielen Krankheitsfällen und Schließungen war, hatten wir schon vorher für den Einsatz von Springerkräften plädiert. Das ist sicher nicht das Allheilmittel, aber eben doch ein vernünftiges Instrument, um eingreifen zu können. Ein großes Problem – und hier möchte ich niemandem einen Vorwurf machen – ist aber, dass es in der Stadt eine wachsende Anzahl von Menschen gibt, die wir nicht mehr erreichen. Wie man unabhängig von Bescheiden und Unterschriften an die Menschen herankommt und sie in Gesellschaft integrieren kann, da ist viel zu tun. Und da hat die Frustration bei manchem tiefe Wurzeln. In Ihrer Rede am Samstag haben Sie Ihre beruflichen Schwerpunkte als Bauprojekte aufgezählt: Projekte im Kita-, Schul- und Krankenhausbau, Controlling. Schmerzt es Sie, dass der Bereich Planen und Bauen nicht zu Ihrem Verantwortungsbereich gehört? Die Frage musste kommen (lacht). Klar, hätte ich mir auch noch andere Bereiche vorstellen können. Aber das stand nicht zur Debatte. Die Frage war: Nehme ich jetzt das Dezernat, so wie es ist? Und das habe ich für mich mit Ja beantwortet. Mit dem Wechsel von der Fraktions- in die Verwaltungsspitze haben Sie eine komplett andere Rolle. Statt Zuspitzen und Nachhaken ist dann Vermitteln und Ausgleichen gefragt. Letzteres liegt Ihnen vermutlich mehr? Ja, ganz klar. Im Stadtvorstand war zuletzt das Einvernehmen nicht immer das Beste. Wie werden Sie wohl mit Oberbürgermeister Martin Hebich und Bürgermeister Bernd Knöppel (beide CDU) auskommen? Ich habe auch keine Glaskugel, muss mich insofern auf mein Gefühl verlassen. Bei Gesprächen mit Martin Hebich oder Bernd Knöppel in der Vergangenheit hatte ich nicht das Gefühl, dass wir wie Katz’ und Hund’ sind, wir haben da schon eine Ebene gefunden. Wie es dann tatsächlich läuft, wird sich zeigen. Es kommen ja dann im Stadtvorstand schon andere Themen auf den Tisch als das, was ich jetzt mit ihnen als Fraktionsvorsitzender zu besprechen hatte. Ist die Wahl von Aylin Höppner zur Spitzenkandidatin und Nummer eins der SPD-Stadtratsliste am vergangenen Samstag schon eine Festlegung gewesen, wer auf Sie als Fraktionsvorsitzender folgt? Noch nicht, das muss jetzt noch diskutiert werden. Auch da möchte ich nichts vorwegnehmen, es ist ja auch eine Entscheidung der Fraktion. Aber es geht ja jetzt faktisch noch um fünf Wochen. Dann wissen wir mehr. | Interview: Jörg Schmihing

Teamwork: Bernd Leidig mit seinen Stellvertreterinnen in der Stadtratsfraktion: Monika Reffert (links) und Gisela Werle-Schneide
Teamwork: Bernd Leidig mit seinen Stellvertreterinnen in der Stadtratsfraktion: Monika Reffert (links) und Gisela Werle-Schneider.
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