Frankenthal Frankenthaler Kitas: Notstand als Normalzustand

Blick in die Lesecke der Kita Odenwaldstraße. Auch in dieser Flomersheimer Einrichtung gab es seit November zeitweise nur einges
Blick in die Lesecke der Kita Odenwaldstraße. Auch in dieser Flomersheimer Einrichtung gab es seit November zeitweise nur eingeschränkte Betreuung.

Der Mangel an Erziehern in den 18 städtischen Kindertagesstätten ist so groß wie nie zuvor.

Die Folge: Der Kitabetrieb läuft vielerorts auf Sparflamme. Kinder nicht voll berufstätiger Eltern müssen häufig zu Hause bleiben. Aus Sicht der Stadtverwaltung ist zumindest in nächster Zeit keine wesentliche Besserung zu erreichen Seit Ende 2017 erreichen die RHEINPFALZ-Redaktion häufiger Hilferufe betroffener Eltern. Von „aufgeheizter Stimmung“ unter der Elternschaft berichtet Tobias Prutscher, Sprecher des Elternausschusses der Flomersheimer Kita Odenwaldstraße. Hier gibt es seit Mitte November tageweise eingeschränkte Betreuung. „Seit letztem Freitag bis diesen Freitag haben wir wieder Notbetreuung, und um ein Haar wäre das Faschingsfest für die Kleinen ausgefallen“, ergänzt Sabine Hilsheimer aus dieser Kita. Aus der Studernheimer Kita Gotthilf-Salzmann-Straße meldet eine betroffene Mutter, Andrea Claas: Aufgrund eines Magen-Darm-Virus gab es Ende Januar Notbetreuung.

Betreuung nur für Kinder Berufstätiger

In den beiden letzten Januarwochen habe es in der Kita Fontanesistraße wegen drei dauerhaft erkrankter Erzieher nur eine Betreuung von Kindern berufstätiger Eltern gegeben, informiert Thomas Gösele, ein betroffener Vater. In der Adventszeit hatte es die Carl-Spitzweg-Kita getroffen (wir berichteten), als über zwei Wochen Kinder nicht voll berufstätiger Eltern daheim bleiben mussten. Drei Eltern – Christian Schatka, Yvonne Reith und Natalie Graupner – hatten diesen Zustand kritisiert.

70 Fälle von reduzierten Betreuungszeiten

Auch im vergangenen Kita-Jahr war der Betrieb nur eingeschränkt möglich gewesen. „Es hat 2017 rund 70 Fälle gegeben, in denen die Betreuungszeiten reduziert werden mussten“, bilanziert Andrea Schlossarczyk, Leiterin des Familienbüros der Stadt, beim auf RHEINPFALZ-Anfrage vereinbarten Pressegespräch. „Wir bitten bei den Eltern um Verständnis, die sich auf die Betreuungsqualität und die Öffnungszeiten verlassen wollen“, sagt Sozialdezernent Andreas Schwarz (SPD). Doch derzeit seien elf Erzieher-Stellen vakant, „das ist viel“.

Notschließungen gab es noch nicht

Ist in einer Kita Not am Mann, verfährt die Stadtverwaltung nach einem Notfallplan: Zunächst werden die Leiter für die Gruppenarbeit eingesetzt und Gruppen mit wenigen Kindern zusammengezogen. „Und wir reduzieren zeitintensive Aktionen wie Eingewöhnungen oder Vorschulprojekte“, so Schlossarczyk. Daneben würden Fortbildungen gestrichen, Erzieher gebeten, ihren Urlaub zu verlegen und Teilzeitkräfte dazu angehalten, ihren Etat aufzustocken. Im nächsten Schritt kappt die Stadt die verlängerten Öffnungszeiten nach 16 Uhr. Eltern werden angehalten, ihre Kinder nach Möglichkeit zu Hause zu lassen. Erzieher anderer Einrichtungen springen ein. Im dritten Schritt dürfen nur diejenigen Kinder in die Kita, deren Eltern beide berufstätig sind. Der vierte – bislang noch nicht eingetretene Fall: Die Stadtverwaltung schließt ganze Kitas vorübergehend.

2017 rund 100 Bewerbungsgespräche geführt

Dem Personalnotstand begegnet die Stadtverwaltung mit verstärkter Personalsuche. Etwa 100 Bewerbungsgespräche wurden 2017 für die Besetzung der offenen Stellen geführt, heißt es. Zusätzlich zu den elf offenen Stellen sucht die Stadt drei Springer, die Ausfälle bei Krankheit und Urlaub auffangen sollen. Außerdem werden 16 Erzieher für die geplante Kita Weidstraße in Eppstein gesucht. Um die Ausfallzeiten in den städtischen Kitas zu kompensieren, sind 31 Vollzeitstellen erforderlich. Das hatte die Stadtverwaltung im vergangenen Sommer errechnet. 250 Erzieher sind derzeit in den kommunalen Kitas der Stadt im Einsatz.

Urlaub, Krankheit und Fortbildungen nicht eingeplant

Die Differenz zwischen dem höheren Bedarf und der Anzahl beschäftigter Erzieher bezeichnet Schwarz als „strukturelles Problem“. „Der Personalschlüssel in Rheinland-Pfalz ist so gestellt, als ob das Personal immer verfügbar ist.“ Urlaub, Krankheit und Fortbildungen seien nicht einkalkuliert. Und so müsse in der Praxis jeder Ausfall von den Kollegen aufgefangen werden (dazu auch das „Stichwort“ auf dieser Seite). Zum strukturellen Problem gehört laut Schwarz der im Bereich der Erzieher leer gefegte Stellenmarkt. Der Bedarf an Erziehern ist bundesweit seit dem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr 2013 gewachsen. Ebenso sind die Geburtenraten gestiegen.

Langfristige Ausfälle weniger problematisch

Weniger problematisch sind Erzieher, die langfristig ausfallen. Aktuell fehlen 24 Kollegen wegen Schwangerschaft, Dauererkrankung und Elternzeit, berichtet Schlossarczyk. In diesem Bereich schlagen besonders Beschäftigungsverbote bei Schwangerschaft zu Buche. „Neun von zehn schwangeren Erzieherinnen dürfen wegen fehlender Immunität nicht arbeiten“, weiß Schlossarczyk. Da nur sieben Erzieher männlich sind, seien Beschäftigungsverbote sehr häufig. Um die 24 längerfristig fehlenden Kräfte zu ersetzen, hat die Stadt 27 zeitlich befristete Verträge abgeschlossen. „Das hält sich die Waage“, so Schwarz. Die Stadt strebe an, diese Verträge nach Ablauf in unbefristete Arbeitsverhältnisse umzuwandeln.

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