Rhein-Pfalz Kreis Fake-News-Fall geht in Verlängerung

Die Polizei hat damals früh darüber informiert, dass der Artikel in dem Blog erfunden ist.
Die Polizei hat damals früh darüber informiert, dass der Artikel in dem Blog erfunden ist.

„Gonzo“ ist die Bezeichnung für eine Variante von Pornofilmen und für eine Variante des Journalismus. In diese Kategorie ordnet der Betreiber und Redaktionsleiter des Rhein-Neckar-Blogs eine Veröffentlichung ein, wegen der er sich seit gestern vor dem Amtsgericht Mannheim verantworten muss. Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten wirft Staatsanwältin Melanie Reichert dem 52-jährigen Mannheimer vor.

„Überall in den Straßen liegen leblose Körper auf dem Boden. In der Luft liegt der Geruch von Blut. Verletzte schreien oder betteln um Hilfe. Menschen rennen ziellos umher.“ Das ist ein Auszug aus einem Text, der am 25. März nachts um 3.42 Uhr im Rhein-Neckar-Blog veröffentlicht worden ist. Ein Autor mit dem Namen „Helle Sema“ beschreibt einen Terrorangriff einer vermutlich islamistischen Gruppe im Stadtteil Jungbusch. Dies „wider besseres Wissen“ und um Aufmerksamkeit zu erregen, so die Staatsanwältin. Der Autor habe in Kauf genommen, dass durch das „drastisch geschilderte Szenario“ der öffentliche Frieden gestört wird. Das ist ein Straftatbestand. Der Journalist bekam einen Strafbefehl, gegen den er Widerspruch einlegte. Deshalb wurde eine Verhandlung nötig. „Ich bin der Verfasser dieses Textes“, sagt der Journalist. Helle Sema sei ein Pseudonym, so der 52-Jährige, der früher in Heddesheim gearbeitet hat. Der dortige Karnevalsverein heißt „Hellesema Grumbe“. Eine halbe Stunde nachdem der Text in den Blog gestellt worden sei, habe der 52-Jährige bei der Mannheimer Polizei angerufen und mitgeteilt, dass er „die fiktive Geschichte eines Terroranschlags“ online gestellt habe, berichtet ein Polizist vor Gericht. Der Anrufer habe gesagt, dass er sein Vorhaben mit Oberbürgermeister und Polizeipräsident abgesprochen habe. Der Polizeibeamte erzählt weiter, dass er damals unter anderem seine Vorgesetzten und den Staatsschutz informiert und auf Facebook und Twitter Mitteilungen gestellt habe, dass der Artikel erfunden sei. Diese Mitteilungen hat der Journalist nach Angaben der Staatsanwältin etwa um 6 Uhr zu seinem Text ins Internet gestellt – als Beleg dafür, dass die Behörden „eine Nachrichtensperre verhängt“ haben, wie es in dem Text von „Helle Sema“ heißt. Es sei richtig, dass der Autor den Oberbürgermeister und den Polizeipräsidenten über sein Vorhaben informiert habe, doch diese hätten ihm abgeraten, weil sie „eine Verunsicherung der Bevölkerung“ befürchteten, berichtet ein Beamter des Staatsschutzes. Nach der Veröffentlichung seien bei der Polizei „fünf bis zehn Anrufe“ eingegangen. Auch seien bei Polizei und Staatsanwaltschaft je zwei Anzeigen erstattet worden. Außerdem habe es zahlreiche Facebook-Posts von „besorgten Bürgern“ gegeben, so die Richterin, die beginnt, einige von ihnen vorzulesen. Was den 52-Jährigen und seinen Anwalt Maximilian Endler zum Eingreifen veranlasst. Die Richterin solle alle 400 Kommentare vorlesen, auch die von Usern, die den Text als Fake News, also falsche Nachricht, erkannt haben. Als die Richterin dies ablehnt und weitere Posts vorliest sowie zwei Beiträge vortragen will, die nicht in den Akten enthalten sind, stellt Endler einen Befangenheitsantrag gegen sie. Es bestehe Grund zur Annahme, dass sie „nicht unvoreingenommen“ sei. Endler begründet das mit der Auswahl der Facebook-Kommentare und der Verwendung des Wortes „besorgt“. Zudem habe die Richterin den Oberbürgermeister als Zeugen abgeladen und eigene Ermittlungen geführt, ohne die anderen Verfahrensbeteiligten darüber zu informieren, sagt der Anwalt. Nachdem ein anderer Richter den Antrag ablehnt, beantragt Endler das Verfahren auszusetzen, da er sich erst mit den Posts befassen müsse. Man einigt sich auf eine Unterbrechung – am 7. Januar geht es weiter.

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