Frankenthal „Die Situation ist verheerend“

Kreideschriftzüge wie dieser sind derzeit auch in Frankenthal zu finden – unter anderem in der Glockengasse.
Kreideschriftzüge wie dieser sind derzeit auch in Frankenthal zu finden – unter anderem in der Glockengasse.

„Therapeuten am Limit“ heißt eine bundesweite Aktion, mit der Ergo- und Physiotherapeuten, aber auch Logopäden und Podologen am Samstag auf ihre Probleme aufmerksam machen wollen. Die Aktion in Ludwigshafen wird unter anderem von Susanne Weber koordiniert. „Wir werden die Straßen mit Kreide vollmalen und versuchen, die Leute zu sensibilisieren“, kündigt die Physiotherapeutin mit Praxis in Frankenthal an.

„Die Situation der Berufsgruppe ist verheerend“, sagt Weber. Und sie meint damit noch nicht einmal, dass 80 Prozent ihrer Kollegen nach der selbstfinanzierten Ausbildung ihr Berufsleben in der Regel mit einem Schuldenberg von bis zu 20.000 Euro beginnen – bei einem monatlichen Durchschnittsverdienst von 2200 Euro brutto. Weber: „Ich kenne Kollegen, die zusätzlich zu ihrer Vollzeitbeschäftigung noch auf Stundenbasis in bis zu drei weiteren Praxen arbeiten.“ Die 31-Jährige weist darauf hin, dass ihre Berufsgruppe beim Verdienst um etwa 34 Prozent hinterherhinke. Die Ursache dafür seien Vereinbarungen der Krankenkassen in den vergangenen neun Jahren mit anderen medizinischen Berufen. „Viele Therapeuten sind eben echte Gutmenschen. Das Gehalt steht für uns nicht im Vordergrund“, gesteht sie mit bittersüßem Lächeln. Was die Therapeuten umtreibt, sei der Berg an Bürokratie, der die Arbeit behindere und letztlich auf Kosten der Patienten gehe. „Es wird immer mehr ein Abfertigen im 20 Minuten-Takt“, so Weber. Und dabei müssen Physios und ihre Kollegen auch noch für Fehler in den Arztpraxen büßen: „Wenn dort einmal ein Häkchen oder ein Kreuzchen an der richtigen Stelle vergessen wird, dann kürzen uns die Kassen, ohne mit der Wimper zu zucken, bis zu sechs Behandlungen“, schimpft sie. Dass sich immer weniger Schüler für den Dienst am Menschen entscheiden, bekommt auch Susanne Weber zu spüren. In ihren beiden Praxen in Ludwigshafen und Frankenthal hat sie inklusive Freiberuflern und 450-Euro-Kräften 13 Personen beschäftigt. „Ich habe in meiner Praxis seit vier Jahren immer wieder eine Stelle ausgeschrieben. Ich bekomme dafür noch nicht mal mehr Bewerbungen.“ Den Grund dafür kennt sie: „Viele studierte Physiotherapeuten steigen frustriert aus.“ So weit ist die Ludwigshafenerin noch nicht. „Es ist nach wie vor mein Traumberuf.“ Aber es sei an der Zeit, bessere Voraussetzungen für diesen Beruf zu schaffen. Als Beispiel nennt sie den freien Patientenzugang. Im Gegensatz zu anderen Ländern müssten sich deutsche Kassenpatienten die Behandlungen zunächst von einem Arzt verschreiben lassen. Darauf, auf den drohenden Fachkräftemangel und auf viele weitere Probleme will sie am Samstag aufmerksam machen. Los geht die Aktion um 13 Uhr am Berliner Platz. Von dort aus soll der Schriftzug „Therapeuten am Limit“ sich durch die ganze Stadt ziehen. Außerdem beantworten Susanne Weber und ihre Kollegen Fragen, suchen das Gespräch mit Passanten und möglichen Patienten. noch fragen? Weitere Informationen im Internet unter www.therapeuten-am-limit.de.

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