Frankenthal „Das war eine sehr schlimme Nacht“

Nur wenige Minuten, aber viele Fragen: Beim zweiten Prozess gegen den 34-jährigen Frankenthaler, der seine damals wenige Wochen alte Tochter im Mai 2016 mit einem Wurf vom Balkon einer Wohnung im Lauterecker Viertel getötet haben soll, standen gestern vor der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts die Umstände der Festnahme des Mannes durch Beamte der hiesigen Polizeiinspektion im Fokus.

Die Frage, ob er eine Pause brauche, beantwortet der Polizeibeamte nach gut anderthalb Stunden im Zeugenstand erst mit tiefem Durchatmen und dann mit klarem Nein: „Ich würde es gern hinter mich bringen.“ Mehrfach hat er an diesem Vormittag schon durchblicken lassen, dass es ihm beim zweiten Mal nicht leichter fällt, Rede und Antwort zu dem Einsatz an Pfingsten vor fast zwei Jahren zu stehen: „Das war eine sehr schlimme Nacht.“ Vor eineinviertel Jahren im ersten Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder – hatte der Polizist eine gute halbe Stunde lang stringent geschildert, womit er und seine Kollegen, die als erste Einsatzkräfte am Tatort eintrafen, dort konfrontiert waren. Damals verweist er bei Nachfragen zu Details auf Geschwindigkeit und Gefährlichkeit des Zugriffs im Schlafzimmer der Wohnung im Lauterecker Viertel. Bei seiner erneuten Befragung vor Gericht werden es am Ende mehr als zwei Stunden sein, die der Polizeioberkommissar Auskunft gibt. Auch gestern geht es darum, was sich in der Nacht auf den 14. Mai 2016 in der Kantstraße ereignet hat – allerdings geschieht das wesentlich konfrontativer als im ersten Verfahren. Verteidiger Alexander Klein versucht, Unterschiede zwischen der Aussage des Beamten als Zeuge im Gerichtsverfahren und dem Inhalt der dienstlichen Berichte, die er nach der Tatnacht verfasst, herauszuarbeiten. Er spricht von „Ungereimtheiten“ und bezieht sich damit unter anderem auf einen Satz, den der Angeklagte den Beamten gegenüber gesagt haben, soll, der sich aber in deren Kurz- und Einsatzberichten nicht wiederfinde. So soll er geäußert haben: Wenn die Polizei nicht gekommen wäre, hätte er das Kind nicht vom Balkon „geworfen“ oder „geschmissen“. Kleins Frage vor diesem Hintergrund: Ob der Polizist diesen Umstand deshalb unerwähnt gelassen habe, weil er einen Vorwurf an die Adresse der Beamten beinhalte und diese sich darüber geärgert hätten? Der Mann verneint. Ihm sei es um eine möglichst neutrale Weitergabe von Fakten an Vorgesetzte und übergeordnete Behörden gegangen, sagt er. Dass Aspekte wie der Schlagstockeinsatz einer Kollegin gegen Oberkörper und Kopf des Angeklagten in den Berichten fehlten, erklärt er mit der Konzentration auf seine Aufgabe bei der Festnahme: „Mein Körper war voll mit Adrenalin.“ Er war es nämlich, der dem 34-Jährigen das Messer aus der Hand schlug, mit dem er eins von zwei weiteren Kindern in der Wohnung am Bauch schwer verletzt haben soll. Der Beamte und seine Kollegin, die gestern nach ihm aussagt, beteuern, dass sie manches nicht in ihre Berichte geschrieben hätten – in der Annahme, sie würden von Kollegen der Kriminalpolizei ohnehin noch einmal zu den tragischen Ereignissen der Tatnacht befragt. Das sei dann allerdings nicht so gekommen. Die Polizistin hält es zudem für möglich, dass ihr Kollege die „mehr als zwei“ Schläge mit dem Einsatzstock im Handgemenge mit dem heftigen Widerstand leistenden Angeklagten nicht registriert habe. Den angeblich von dem 34-Jährigen geäußerten Vorwurf an die Adresse der Polizei, bezeichnet sie als „schon irgendwo frech“. Und dass auch ihr der nächtliche Einsatz in der Kantstraße noch in den Knochen steckt, wird deutlich, als sie Nebenklage-Vertreter Frank Peter fragt, wie es ihr heute gehe. Nach einem kurzen Blick nach unten und einer kleinen Pause antwortet die Polizistin leise: „Ganz gut.“ Der Prozess wird am 7. März, 9 Uhr, fortgesetzt.

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