Frankenthal Berufsverbot oder Ausreise

Stephan Krawczyk entschied sich 1988 gegen die Gefängniszelle und für die Ausreise in den Westen. Im Frankenthaler Rathaus beric
Stephan Krawczyk entschied sich 1988 gegen die Gefängniszelle und für die Ausreise in den Westen. Im Frankenthaler Rathaus berichtete er aus seinem Leben, las aus einem Roman und spielte seine Lieder.

„Man kann sich das heute nicht mehr vorstellen“, sagte Oberbürgermeister Martin Hebich (CDU) in seiner Eröffnungsrede. Wie sehr der Staat bis in die Privatsphäre seiner Bürger vorgedrungen sei und wie wenig man sich in der DDR den staatlichen Institutionen habe entziehen können, dafür solle die Ausstellung einen Blick schaffen. Vor allem junge Leute, die die DDR nicht mehr bewusst erlebt haben, müssten über das, was das SED-Regime ausgemacht habe, aufgeklärt werden, sagte der OB. Dass an der Ausstellungseröffnung auch Jugendliche teilnahmen, die am Frankenthaler Albert-Einstein-Gymnasium den Leistungskurs Geschichte belegen, war insofern sehr passend. Sie erlebten einen Stephan Krawczyk, der seine Zuhörer trotz staubedingter Verspätung und deshalb auch ohne jegliche technische Verstärkung seines Gitarrenspiels sehr sympathisch und kraftvoll an den Erfahrungen aus seinem Leben in der DDR teilhaben ließ. Der Liedermacher und Autor erzählte vor allem von den Repressionen, die er seitens des SED-Regimes zu spüren bekam: Stasi-Überwachung, Berufsverbot, Gefängnis und schließlich die Ausweisung aus der DDR. Nach der Teilnahme an einer Liebknecht-Luxemburg-Demonstration im Januar 1988 wurde er verhaftet und sei vor die Wahl gestellt worden: zehn Jahre Haft oder Ausreise in den Westen. Seine biografische Erzählung untermalte Krawczyk immer wieder musikalisch. Nach seiner Verhaftung habe er in einer Sammelzelle gemeinsam mit 70 weiteren Inhaftierten sein Lied vom „Polizeistaat“ gesungen. Den Refrain lässt er das Publikum mitsingen: „Frag doch mal’n Polizist, was’n Polizeistaat ist, und zur Antwort kriegst du dann, alle scheißen alle an, alle scheißen alle an.“ Stephan Krawczyk erzählte aber nicht nur aus seinem eigenen Leben, sondern er las auch aus der Erzählung „Mein bester Freund wohnt auf der anderen Seite“. Es ist die Geschichte zweier Jugendlicher, die sich während eines Klassenausflugs auf der Plattform des Berliner Fernsehturms kennenlernen. Simon wohnt in Westberlin, Ronald im Ostteil der Stadt. Dass sie sich Briefe schreiben und heimlich in Ostberlin treffen, hat Konsequenzen für beide. „Es ist wichtig, dass es Sie als Zeitzeuge gibt“, sagte Christian Baldauf (CDU) an Stephan Krawczyk gewandt und freute sich, dass zu dem eher ungewöhnlichen Nachmittagstermin so viele Zuhörer ins Rathaus gekommen waren. Diese und auch der Künstler hätten es allerdings verdient gehabt, die ersten 20 Minuten der Ausstellungseröffnung ohne Handwerkerlärm aus dem Treppenhaus zu erleben. Ein früheres Unterbinden lauter Hammerschläge könne man vom Veranstalter einer Konzertlesung durchaus erwarten. Die Ausstellung im Rathaus ist noch bis 11. Januar zu sehen.

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