Frankenthal Anonyme Alkoholiker: Drei Gruppen in Frankenthal aktiv

Für "trockene" Alkoholiker gilt: nur noch Alkoholfreies trinken, lebenslang. Denn mit jedem Tropfen kann der alte Sucht-Kreislau
Für »trockene« Alkoholiker gilt: nur noch Alkoholfreies trinken, lebenslang. Denn mit jedem Tropfen kann der alte Sucht-Kreislauf wieder aufbrechen - auch nach Jahren der Abstinenz. Archivfoto: Bolte

Die Frankenthaler Gruppe der Anonymen Alkoholiker ist seit gut 40 Jahren aktiv. In derzeit drei Gruppen können sich Teilnehmer über die Krankheit Alkoholismus und die Gemeinschaft der Anonymen Alkoholiker informieren – ohne persönliche Daten preiszugeben. Auch Angehörige finden bei eigenen Treffen Unterstützung.

„Anonymität ist unser Grundprinzip“, betont Hermann aus Frankenthal, der zur Ludwigshafener Gruppe der Anonymen Alkoholiker gehört. Die Teilnehmer würden bei Meetings nur ihren Vornamen nennen, sich damit und per Du anreden, egal ob Generaldirektor oder Straßenkehrer. „Im Meeting spricht jeder von sich selbst“, fügt er hinzu, man führe keine Diskussionen. Und ein jeder dürfe aussprechen, werde nicht unterbrochen, unterstreicht Dieter, der ebenfalls regelmäßig zu den Treffen der Gruppe kommt. Ausgangspunkt für jeden Anonymen Alkoholiker ist das Eingeständnis, dass er gegenüber dem Alkohol machtlos ist – sein Leben nicht mehr meistern kann. So ist es auch in den zwölf Schritten, die den Weg zur Genesung beschreiben, niedergelegt. Die Teilnehmer sollen Schritt für Schritt zu einem spirituellen Erwachen gelangen, das ihnen ermöglicht, mit ihrer Krankheit umzugehen. Dabei spielen Ehrlichkeit, Nächstenliebe, Barmherzigkeit und auch Wiedergutmachung eine große Rolle. „Wir wollen nicht nur vom Alkohol wegbleiben, sondern zu einer Macht größer als wir finden“, verdeutlicht Hermann, „wir wollen als Menschen vorankommen“. Dabei sei man keine Sekte, gehöre keiner Religionsgemeinschaft an.

„Sinnvolles Leben führen“

„Die meisten Alkoholiker heute sind normale Menschen mit Arbeit, Familie und Besitz“, sagt der Sprecher. Wenn die Krankheit weiter voranschreite, löse sich das oft auf. Arbeitsplatzverlust, Führerscheinentzug, Scheidung, Obdachlosigkeit, Depression bis hin zum Selbstmord beschreiben die Abwärtsspirale, in die der Alkoholiker geraten kann. Dieter hat da noch Glück gehabt. Er hat regelmäßig getrunken. „Irgendwann war ich bei drei Flaschen Wein am Tag“, erinnert er sich. Da habe er auch schon heimlich getrunken, auch auf der Arbeit, habe Alkohol deponiert, Vorräte angelegt. Dann baute er – selbstverständlich alkoholisiert – einen schweren Unfall. „Ich muss heute noch der Krankenkasse danken, dass sie für mich binnen zwei Tagen einen Therapieplatz fand“, erzählt er. Diese vier Monate seien seine schönste Zeit gewesen. Auch der Arbeitsplatz konnte erhalten werden. „Ich möchte jetzt nur ein sinnvolles Leben führen“, verrät er. Auch wolle er nicht mehr erleben, dass sein Enkel sagt: „Opa, du riechst nach Alkohol.“

„Einfach vorbeikommen“

Einen positiven Wandel erlebte auch Hermann. „Die Ansprüche ändern sich“, findet er. Früher, als er noch trank, sei er Anerkennung, Sex, Geld, einem hohen Lebensstandard hinterhergejagt. Das habe nun nicht mehr diese Bedeutung für ihn. Seit 1964 ist der Alkoholismus in Deutschland als Krankheit anerkannt. „Die Hilfe, die der Staat hier anbietet, ist einmalig“, findet Dieter. Auch die Kündigung durch den Arbeitgeber sei stark eingeschränkt. Ein Grund mehr für Betroffene, den Absprung zu wagen. „Einfach vorbeikommen“, sagt Hermann, es dürfe jeder teilnehmen, der ein Alkoholproblem habe. Allerdings sei oft die klinische Entgiftung und Therapie Voraussetzung, dass der Mensch wieder in Ordnung komme. Man mache auch in Krankenhäusern, Psychiatrie und in Justizvollzugsanstalten Infoveranstaltungen. Für Angehörige und Freunde von Alkoholkranken gibt es ebenfalls eine Selbsthilfegruppe. „Alkoholismus ist, wie einen Stein ins Wasser werfen“, verdeutlicht Hermann. Das ziehe Kreise, das ganze Umfeld in Mitleidenschaft und mache krank. Zu seiner Gruppe der Anonymen Alkoholiker sagt Dieter: „Mit der Zeit wurden das für mich wahre Freunde.“ Wie Hermann und alle anderen engagieren sich die Anonymen Alkoholiker ehrenamtlich und sind hierarchiefrei miteinander verbunden.

Stichwort: Anonyme Alkoholiker

Die Anonymen Alkoholiker wurden 1935 in Acron, Ohio in den USA gegründet. Damals fanden sich Will und Bob, ein Börsenmakler und ein Mediziner – beide Alkoholiker – zusammen. Und sie stellten fest: Während sich zwei Alkoholiker über ihre Krankheit unterhalten, müssen sie nicht trinken. 1953 wurde die erste deutsche Gruppe in München gegründet. Die Teilnehmerzahlen wuchsen rapide. 1968 soll es weltweit schon 350.000 Mitglieder in 13.000 Gruppen gegeben haben. In der Bundesrepublik gebe es derzeit rund 2.230 Gruppen, die sich regelmäßig treffen, sagt Hermann aus Frankenthal. Dort treffen sich Anonyme Alkoholiker seit 41 Jahren. „Von der Frankenthaler Gruppe sind viele Impulse zur Neugründung von Gruppen in der Umgebung ausgegangen“, betont Hermann. Derzeit gebe es drei starke Gruppen in der Stadt. So treffe sich sonntags um 9.30 Uhr eine Gruppe im Ökumenischen Gemeindezentrum Pilgerpfad, dienstags um 19 Uhr eine Gruppe, die vom ehemaligen Leiter der dortigen Psychiatrie Fritz Straub initiiert wurde, in der Stadtklinik und donnerstags um 19.30 Uhr eine im Turm der Kirche St. Ludwig in der Wormser Straße. Donnerstags und sonntags gibt es im Pilgerpfad wie in Sankt Ludwig parallel auch Angehörigentreffen.

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