Donnersbergkreis Von null auf hundert in zwei Jahren
Gehrweiler. Marco Speckmanns Geschichte liest sich wie ein Sportmärchen. Er kam aus dem Nichts – und stieg nach nur zwei Jahren Training zu einem der besten Bogenschützen der Nation auf. Disziplin und eiserner Wille machten aus dem 30-Jährigen, der für die SG Gehrweiler schießt, eine Nummer der Szene: Mehrere Kreis- und Landestitel hat er in der Vitrine, auf Deutschen Meisterschaften schlug er sich wacker. Vom No-Name zum Fast-Profi – Speckmann ist angekommen.
Körperstarre. Absolute Beherrschung und volle Konzentration. Die Grundbedingungen für einen guten Schuss, anders funktioniert es nicht, wird er später erklären. „Wenn ich einen kleinen Wackler hab′, dann geht mir der Pfeil ab“, weiß Marco Speckmann. Und das bedeutet: Selbst auf der Hallendistanz von nur 18 Metern zwischen Schütze und Zielscheibe würde die kleinste Unsicherheit vielleicht drei, vier Ringe kosten. Im Wettkampf fatal. Marco Speckmann presst die Lippen eng zusammen. Es braucht Kraft, Anstrengung. In der linken Hand hält er sein Sportgerät: einen geschwungenen olympischen Recurve-Bogen, orange-metallic, 68 Zoll, also über 1,70 Meter lang. Kompliziert kommt das technische Ungetüm daher. Vorne das Visier, dazu in Blickrichtung den Stabilisator, um die Schwingungen beim Schuss zu verringern. Den Pfeil hat der Schütze bereits aufliegen. Er zieht – ein gewaltiges Gewicht von 17 bis 18 Kilogramm. Fokussiert starrt Speckmann auf die Scheibe, zielt auf die „Mitte“. Ein letztes Mal atmet er ruhig ein. Dann lässt er den Pfeil aus seinen Fingern schnellen. Tock! Bebend bleibt das Geschoss in der vier Zentimeter breiten Zehn stecken. Volltreffer. Speckmann nickt. „Die Bewegungen müssen automatisiert werden. Und man muss den Ehrgeiz haben, immer besser zu werden“, ist er überzeugt. Marco Speckmann ist 30 Jahre alt, aus Katzweiler und von Beruf Zerspanungsmechaniker. Seine Berufung aber ist das Bogenschießen. Er ist ein Paradebeispiel dafür, was man in kurzer Zeit mit Wille, Trainingsfleiß und einer Portion Talent erreichen kann. Erst seit zwei Jahren hält er den Bogen, im Januar 2013 begann er so richtig mit dem Training. Seine Freundin war ihm gerade „weggelaufen“, da stand er sechs, sieben Mal pro Woche an der Scheibe. Er habe Ablenkung gebraucht. Rasant ging es bergauf. „Ich habe nicht unbedingt den Drang, auf etwas zu schießen. Aber es ist ein Sport, den nicht jeder macht. Mir hat mal jemand gesagt: Wenn du eine Sportart ausübst, dann richtig“, muss er mit einem Blick auf Vater Manfred schmunzeln. „Er hat eigentlich noch gar nicht viel Erfahrung. Bei ihm ist das jedoch unheimlich schnell gegangen. In der Liga hat er sich gut entwickelt, am Schluss war er der Beste von uns“, erkennt auch Jürgen Gerstenkorn, Abteilungsleiter bei der SG Gehrweiler, an. Teilweise drei Stunden pro Einheit schoss und schießt Speckmann zu Übungszwecken. Er habe gemerkt, wie schnell er Fortschritte mache, habe den Ehrgeiz entwickelt, nach ganz oben zu kommen. Das Ergebnis: In seiner ersten Freiluft-Saison 2013 landete er in der Pfalzliga auf Platz eins. Er ist mehrmaliger Kreis- und Landesmeister in der Halle als auch im Freien. Während den Kreiskämpfen in Kirchheimbolanden Anfang Februar erreichte er sogar 567 Ringe – und schaffte die 550-Norm, um bei den Deutschen Meisterschaften nahe Hamburg anzutreten. Nach nur knapp zwei Jahren gehörte er zu den besten Schützen des Landes. Ein Meilenstein. „Ich bräuchte eben richtiges Training. Alles, was ich kann, habe ich mir selbst erarbeitet“, sagt Speckmann. „Ich habe mir kleine Fehler angeeignet, musste die wieder rauskriegen. Wenn man das nicht kontrolliert, macht man Rückschritte.“ Nahezu 1000 Videos von sich analysierte er, nahm an verschiedenen Lehrgängen teil. Das Niveau, in der Bundesliga zu schießen, das hat der Katzweilerer. Den Verein (noch) nicht. „Ich würde mir das zutrauen. Aber dafür muss ich gesichtet werden. Wenn ich die Chance hätte, würde ich es machen“, gibt Speckmann zu. Mit der SGG verpasste er zuletzt nur um wenige Ringe die Aufstiegsrelegation zur Regionalliga. Je niedriger die Klasse, desto schwieriger auch die Möglichkeit für den Einzelnen, ins deutsche Oberhaus zu kommen. Die Hoffnung lebt. Wer die Speckmann-Story zum ersten Mal hört, kann sie fast nicht glauben. Von null auf hundert in zwei Jahren, Titel um Titel. Es ist fast perfekt. Wäre da nicht dieser eine Haken: Speckmann ist 30. Um wirklich an die obere Grenze zu kommen, zu alt, weiß er. „Ich habe mal geträumt von Olympia. Da müsste ich jetzt aber immer die volle Punktzahl schießen.“ Ein Ding der Unmöglichkeit. Für einige Deutsche Meisterschaften könne es noch reichen, meint er. Wer weiß, wo Speckmann jetzt wäre, hätte er nur einige Jahre früher mit gleichem Enthusiasmus angefangen