Donnersbergkreis Viel Engagement am Längengrad

Mit Hexen, Jugendfeuerwehr, kleinen und großen Teilnehmern: Rund 100 Weitersweilerer haben sich am Dienstagabend zum Gruppenfoto
Mit Hexen, Jugendfeuerwehr, kleinen und großen Teilnehmern: Rund 100 Weitersweilerer haben sich am Dienstagabend zum Gruppenfoto versammelt.

«Weitersweiler.» Da staunt auch Ortsbürgermeister Armin Göbel nicht schlecht. Kurz vor Beginn des RHEINPFALZ-Dorfspaziergangs ist der Brunnenplatz in der Ortsmitte voll mit Menschen. „Wenn es darauf ankommt, kann man sich auf die Weitersweilerer verlassen“, sagt der Ortschef schmunzelnd. Und das auch bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Von Frühling keine Spur an diesem Abend. Das macht den Spaziergängern aber nichts aus. Schließlich gibt es einiges zu zeigen und zu erzählen. Denn Weitersweiler, das wird an diesem Abend deutlich, ist nicht nur eine Gemeinde mit großem bürgerschaftlichem Engagement, sondern auch mit jeder Menge Geschichte und Geschichten. Und die gibt es schon direkt am und um den Brunnenplatz. Der Dorfplatz wurde 1987 eingeweiht. Ein echter Hingucker ist der Stockbrunnen mit der vom Weitersweilerer Künstler Uli Lamp gestalteten Bronzefigur „Der Sämann“. Gegenüber des Platzes befindet sich auch das älteste Wohnhaus in Weitersweiler. Das Fachwerkgebäude wurde im Jahr 1742 erbaut. Nach ein paar Schritten in der Bolander Straße bleibt Jürgen Cronauer stehen und blickt auf ein weißes Haus. Auch wenn man das von außen heute nicht mehr erkennt – darin steckt jede Menge Geschichte. Denn dort befand sich mal ein richtiges „Kommunikationszentrum“ für die Weitersweilerer, wie das Mitglied des historischen Arbeitskreises erläutert. Los ging es 1958, als die Eheleute Antonin und Ella Kirschner einen kleinen Gemischtwarenladen einrichteten. 1968 entstand hier nach Umbauarbeiten ein Selbstbedienungsladen. 2002 stellte Ella Kirschner schließlich nach 44 Jahren den Geschäftsbetrieb ein. Der Laden wurde zum Wohnraum umgebaut. Dass es keinen Laden mehr in der Ortsgemeinde gibt, bedauert nicht nur Jürgen Cronauer: „Das war gerade für die Leute wichtig, die nicht so mobil sind.“ Auch ein weiteres Kommunikationszentrum gibt es nicht mehr: die Dorfgaststätte. Sieben Gasthäuser gab es einmal in Weitersweiler – Vergangenheit. 1995 schloss in der Bolander Straße das Gasthaus Göbel. Nur wenige Meter weiter befand sich einst das Gasthaus Müller. „Mit Kegelbahn und Tanzsaal“, sagt Otto Maier. Der 74-Jährige lebt seit 71 Jahren in der Gemeinde, ist bestens mit der Geschichte vertraut und ebenfalls im historischen Arbeitskreis aktiv. Doch auch ohne Gaststätte wird hier in der Straße noch gefeiert. Einmal im Jahr ist sie für die Kerwe gesperrt. Der Weinstand ist berüchtigt. Und Otto Maier weist auf eine Besonderheit hin: „Wir sind eine der wenigen Gemeinden, in denen an sechs Tagen Kerwe gefeiert wird.“ Wer hält so lange durch? Schmunzeln. Kerweparre Thomas Göbel auf jeden Fall. Und seine Kerweborsch auch. „Die sind generell sehr aktiv“, gibt es Lob für die jungen Leute. Kerwe, das war mal das Kirchweihfest. Die katholische Kirche befindet sich direkt neben dem Kerweplatz. Zwischen 1876 und 1880 wurde sie erbaut. Sie ist eines der markantesten Gebäude im Ort. Und es gibt in dieser Kirche eine Besonderheit, wie Otto Maier erzählt: Seit vielen Jahren finden dort auch protestantische Gottesdienste statt. Weiter geht es bergab zur alten Linde. 1891 wurde sie vom damaligen Krieger- und Soldatenverein gepflanzt – anlässlich des 70. Geburtstags von Prinzregent Luitpold, wie Maier und Cronauer berichten. Im vergangenen Jahr restaurierten Horst Krüger und Maier ein altes Schild, das an die Pflanzung der Linde erinnert. Die Anbringung der Tafel wurde mit einem spontanen Fest gefeiert. Die Landmänner hatten das Bier dazu gestiftet – standesgemäß Prinzregent Luitpold. „Es geht nichts über ein schönes, spontanes Fest“, sagt Cronauer schmunzelnd. Wer weiß, vielleicht gibt es ja eine Wiederholung – ganz spontan, versteht sich ... Aber hier an der Linde gibt es noch so viel mehr Geschichte. Etwa vom ehemaligen Gasthaus Burgey. „Hier gab es das kälteste Bier von Weitersweiler“, berichtet Maier schmunzelnd – und fügt an: „Da lief Grundwasser durch das Keller, und das Bier war so grundwassergekühlt.“ Oder der Bauernhof Schmitt an der Bushaltestelle. „Es soll früher ein Klosterhof gewesen sein“, erläutert Jörg Espenschied, ebenfalls Mitglied des Arbeitskreises. 1905 brannte das Anwesen fast komplett ab. Dahinter befindet sich die Kapelle Sankt Bartholomäus. Seit dem 14. Jahrhundert ist an dieser Stelle eine Kapelle nachgewiesen, später wurde sie erweitert zur Kirche, 1856 durch einen Blitzeinschlag schwer beschädigt. Heute ist von dem Gotteshaus noch eine Kapelle geblieben. „Leider wird der Raum zu selten genutzt“, bedauert Cronauer. Taufen fanden darin unter anderem statt. Zurück aber in die Nähe der Linde. Gegenüber ist das Reich von Uli Lamp. „Das Anwesen wird mit uns alt. Und das darf es auch“, sagt der Bildhauer. 1980 kam er mit seiner Frau aus Mannheim nach Weitersweiler. Aus ursprünglich zwei eigenständigen Höfen am Häferbach hat er ein Anwesen gemacht – unter anderem mit Seminarraum. Auch an anderen Orten gibt es so viel Interessantes zu erzählen. Etwa vom Häferbach, der rund 400 Jahre lang die Grenze zwischen zwei Herrschaften – den Nassauern und den Herren von Wambold – bildete, dem alten Schulhaus, dem Pferdehof Hofmann, dem deutsch-französischen Obstgarten, Bauernmarkt oder dem alten Wasserpumpenhaus, von wo aus die Siedlung Bannholz früher mit Trinkwasser versorgt wurde. Dort gibt es mittlerweile eine eigene Wasserversorgung. Bernhard Schmitt hat das Gebäude aber erhalten – nutzt es heute als Gartenhaus. Auf dem Rückweg Richtung Bürgertreff geht es nicht nur an einem ehemaligen öffentlichen Backofen, sondern auch an einem markanten Fachwerkhaus vorbei. Das gehörte früher einmal der Zimmerei Kimmel, wie Cronauer erzählt. Egal ob Bäckerei, Gemischtwarenladen, Schlosserei oder Zimmerei: Weitersweiler war einmal gut versorgt. Auch heute noch gibt es eine Besonderheit, auf die Otto Maier aufmerksam macht. Durch den Ort verläuft der 8. Längengrad. 2020, wenn die Ortsgemeinde ihren 900. Geburtstag feiert, will Maier dort Luftballons steigen lassen. Denn auch das ist Weitersweiler: Man blickt nicht nur zurück auf die Geschichte, sondern auch in die Zukunft. Dafür war man in der Vergangenheit fleißig. Bestes Beispiel: der Bürgertreff und seine wunderbare Außenanlage mit Spiel- und Mehrgenerationenplatz. Die „Weiterschwiller Hexe“ haben mit ihrem Wegezoll dafür gesorgt, dass dort allerhand Spielgerät steht, neuerdings auch ein Bodenschachbrett. Besonders stolz sind sie auf den Seilzug, finanziert von den Hexen und montiert von deren Männern. Eine Gemeinschaftsleistung – typisch Weitersweiler. Die Hexen fehlen beim Dorfspaziergang genauso wenig wie die Jugendfeuerwehr. Und während der elfjährige Rafael auf den letzten Metern zum Bürgertreff stolz von den Übungen erzählt, wird drinnen schon fleißig von Stammtischen bei der Feuerwehr, gemeinsamen Schauen von FCK- oder Bayern-Spielen berichtet. Und es geht auch um künftige Vorhaben: Etwa den geschichtlichen Rundwanderweg und eine Chronik, die der historische Arbeitskreis plant. „Wir wollen, dass die Menschen so Weitersweiler mit anderen Augen wahrnehmen“, sagt Jürgen Cronauer. Keine Frage: Das werden sie.

Früher ein großes Gotteshaus: die Spaziergänger an der Kapelle.
Früher ein großes Gotteshaus: die Spaziergänger an der Kapelle.
Viel Geschichte und viele Geschichten: Nicht nur über die katholische Kirche (im Hintergrund) oder die Linde gibt es einiges zu
Viel Geschichte und viele Geschichten: Nicht nur über die katholische Kirche (im Hintergrund) oder die Linde gibt es einiges zu erzählen.
Kunstwerk am Fachwerk: Schild an einer ehemaligen Zimmerei.
Kunstwerk am Fachwerk: Schild an einer ehemaligen Zimmerei.
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