Gehrweiler / Höringen Sieglinde Bohlander: Seit sieben Jahrzehnten an der Kirchenorgel
„Ich bin noch voll beschäftigt“, stellt Sieglinde Bohlander erfreut fest. Neben den zwei Auftritten pro Monat in der Kirche in Höringen stehen drei Gottesdienste in Heiligenmoschel nach wie vor auf dem Einsatzplan der rüstigen 82-Jährigen. „Gott sei Dank bin ich noch mobil und kann mit dem Auto selbst zu den Gottesdiensten fahren“, sagt sie.
Sieglinde Bohlander ist durch und durch Gehrweilerin. „Ich hab’s – so gesehen – nicht weit gebracht“, erzählt sie lachend. Ihr großes Haus, zu dem früher auch eine Mühle gehört hatte, bewohnt sie zusammen mit ihrem Sohn bereits in sechster Familiengeneration. In ihrem Stammbaum finden sich viele musikalische Vorfahren, berichtet sie. Die Musik stecke ihr somit im Blut: „Bei uns zuhause wurde immer musiziert.“ Auch ihr vor 27 Jahren gestorbener Mann sei äußerst musikalisch gewesen und habe im Chor gesungen.
Sensation: 21-jährige Frau dirigiert Männerchor
Im Alter von 13 Jahren standen für die junge Sieglinde Bohlander die ersten – zunächst als Vertretung – Einsätze an den Orgeln in Höringen und Heiligenmoschel an. Seit 1962 ist sie in Höringen ununterbrochen im Einsatz, seit 1974 auch in Heiligenmoschel. Ebenfalls im Jahr 1962 begann Bohlander ihr Studium an der Pädagogischen Hochschule in Kaiserslautern und trat im Anschluss ihre erste Stelle an der Volksschule Höringen an. 1971 wechselte sie zur Grundschule nach Winnweiler und blieb dort bis zu ihrer Pensionierung Lehrerin.
Beim musikalischen Einsatz an der Orgel blieb es jedoch nicht: Als junge 21-Jährige wurde Sieglinde Bohlander gefragt, ob sie nicht den Männerchor in Höringen dirigieren wolle. „Das war damals ein bisschen eine Sensation, dass den eine Frau geleitet hat“, erzählt sie stolz. Dass der Chor sich nach der Corona-Zeit endgültig aufgelöst hat, bedauert Bohlander sehr.
Langweilig wurde es nie im Leben der Lehrerin: In den frühen 70er-Jahren kam die Leitung des Höringer Kirchenchors für die inzwischen zweifache Mutter hinzu. Dies hatte sie dem damaligen Vorsitzenden in die Hand versprechen müssen, wie sie erzählt.
Immer einen Schlafsack dabei
Eine weitere Leidenschaft der viel beschäftigten Gehrweilerin waren die Auslandsbusreisen, die vom damaligen Pfarrer Schwab ins Leben gerufen wurden. So kam Sieglinde Bohlander viel herum in der Welt. Als Reiseziele standen Griechenland, Türkei, Marokko oder Italien auf dem Programm. Gereist wurde aber nicht etwa in einem bequemen Reisebus: „Das waren normale Linienbusse. Und gewohnt wurde in sehr einfachen Hotels oder Jugendherbergen. Aber das hat uns nichts ausgemacht, wir waren jung“, erinnert sich Bohlander gerne zurück.
Auf den Reisen habe sie stets einen Schlafsack mit sich geführt. Ihr Mann sei außerdem nie ohne Werkzeugtasche aufgebrochen: „Falls mal vor Ort eine Toilette zu reparieren war“, erzählt sie schmunzelnd. Gut in Erinnerung seien ihr die Reisen nach Guildford in England, wo die Reisegruppe in Gastfamilien untergebracht war. Diese seien auch zu Gegenbesuchen in die Pfalz gekommen.
Auch die Hüft-OP soll kein Hindernis sein
An der Orgel saß Sieglinde Bohlander nicht nur in den evangelischen Kirchen. Wenn Not an der Frau war, stand sie auch der katholischen Kirche zur Verfügung: „Ich habe nie abgesagt, wenn ich beispielsweise gebeten wurde, das Sterbeamt zu spielen“, erinnert sie sich. Sie habe sich daher auch besonders gefreut, dass die katholische Kirchengemeinde ihr kürzlich beim Jubiläumsgottesdienst ein Gedicht überbracht habe, sagt sie begeistert.
Die Barock-Orgel in Heiligenmoschel liebt sie besonders: „Die ist über 200 Jahre alt und ein richtiges Kleinod.“ Was ihre musikalischen Vorlieben angeht, gibt es für Sieglinde Bohlander einen ganz klaren Favoriten: „Die Präludien und Choräle von Bach.“ Aber eigentlich spielt sie alles aus der Barockzeit gerne. „Modern liegt mir einfach nicht.“ Eines ihrer Lieblingsstücke ist Bachs Kantate „Jesus bleibet meine Freude“. Ein Stück, das auch Pfarrer Karsten Scholl besonders mag, weiß die Organistin. „Ich wollte das beim Jubiläumsgottesdienst spielen, hatte aber letztes Jahr einen kleinen Unfall und bin seither an der Hand verletzt“, bedauert sie. „Da muss man schnell spielen können. Wenn der Finger wieder geheilt ist, wird das aber nachgeholt“, kündigt Bohlander an. Auch eine anstehende Hüftoperation kann die lebenslustige 82-Jährige nicht aufhalten: „Wenn ich danach meine Stöcke wegwerfe, wird das 75. Orgeljubiläum angepeilt.“