Donnersbergkreis „Persönliche Beziehungen sind Grundlage für Integration“

Erika Steinert.
Erika Steinert.

Schöne Auszeichnung für die Mitglieder der ehrenamtlichen Initiative „Team Direct Help“ aus der VG Rockenhausen: Die dort Engagierten dürfen ihr Projekt „Börse Nachbarschaftshilfe – Flüchtlinge helfen“ am Sonntag beim 14. rheinland-pfälzischen Ehrenamtstag in Ingelheim zusammen mit vielen weiteren landesweiten Arbeitskreisen auf dem „Markt der Möglichkeiten“ vorstellen. Mit dabei sind auch einige der jungen ausländischen Menschen, die seit Februar ihre Arbeitskraft unentgeltlich für verschiedene Tätigkeiten zur Verfügung stellen (wir berichteten). Rainer Knoll hat sich mit Team-Sprecherin Erika Steinert über die Präsentation, die Motivation der Helfer und die Perspektiven des Angebots unterhalten.

Frau Steinert, sehen Sie die Teilnahme am Ehrenamtstag nur als Lohn für das bisherige Engagement oder knüpfen Sie daran auch handfeste Hoffnungen?

Zunächst einmal freuen uns, dass wir uns dort präsentieren dürfen. Es ist uns wichtig, uns mit anderen Menschen, die sich für Neubürger einsetzen, auszutauschen und von ihren Erfahrungen zu profitieren. Umgekehrt wollen wir unsere Projektidee verbreiten, auf Augenhöhe mit Geflüchteten an ihrer Integration zu arbeiten, indem wir ihnen die Möglichkeit geben, selbst zu Helfern für Einheimische zu werden. Ein gemeinsamer Ausflug, der damit verbunden ist, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren, ist außerdem wichtig für die Gruppe: Er hebt die jungen Neubürger über den Alltag hinaus, er ist mit Freude und Abwechslung verbunden und kann die Attraktivität der Gruppe nach innen ebenso wie nach außen wegen der Beachtung, die sie findet, erhöhen. Natürlich wäre uns auch finanzielle Hilfe sehr willkommen, denn die Projektmaterialien, die wir für den Ehrenamtstag vorbereitet haben, sind mit Kosten verbunden. Bisher hatten wir außer den Fahrtkosten, die uns als Organisatoren entstehen, wenn wir die Helfer zu den Einsatzorten bringen, keine Ausgaben. Wie wird der Sonntag ablaufen? Die Börse ist Teil des „Team Direct Help – Aktive Flüchtlingshilfe in und um Rockenhausen“, einer freiwilligen Initiative von ehrenamtlichen Helfern. Beim Ehrenamtstag sind beide – Börse und „Team Direct Help“ – vertreten. In der Börse unterscheiden wir zwischen den Helfern, also den jungen Neubürgern, und den Organisatoren. In Ingelheim sind vor allem die Helfer präsent, fünf von ihnen fahren mit, darüber hinaus zwei Organisatoren. Wir präsentieren uns mit verschiedenen Materialien: mit einem neuen Flyer, einer Projektbeschreibung, Fotos von Gruppenmitgliedern, Porträtfotos mit Sprechblasen, die darüber informieren, warum man sich in der Börse engagiert. Das DRK überlässt uns einen Bus, sodass wir gemeinsam fahren können. Ganz früh geht es los, bis 9 Uhr muss unser Zelt in Ingelheim vorbereitet sein, dort können wir bis 17 Uhr aufgesucht werden. Ab 18.15 Uhr findet die Livesendung „Ehrensache“ des SWR statt, so dass es sehr spät wird. Aber das nehmen wir gerne in Kauf. Oft gibt es ja gute Ideen für die Integration von Flüchtlingen, die daran scheitern, dass sie in der Praxis nicht oder nicht im erwarteten Maße angenommen werden. Wie sieht es da mit der „Börse Nachbarschaftshilfe“ aus? Man muss berücksichtigen, dass die jungen Neubürger wochentags zur Schule gehen und Sprach- und Integrationskurse besuchen. Sie haben also überwiegend nur am Wochenende Zeit. Seit dem Start gehen pro Monat etwa fünf Anfragen ein, über Sommer etwas weniger. Zum Teil haben sich bereits wiederkehrende Hilfen entwickelt. Eine ältere, gehbehinderte Dame wünscht sich etwa in regelmäßigen Abständen Unterstützung bei der Wohnungsreinigung. Eine andere Seniorin wohnt auf einem abgelegenen Hof und möchte Gesellschaft haben – sie bekommt nun wöchentlich Besuch von einem jungen Syrer. Wiederholt geht es um Gartenarbeit – Unkraut wurde gerupft, ein Abhang entgrast, die Wiese gemäht. Ein Holztor war abzuschmirgeln, ein Gartenhäuschen zu entrümpeln und zu reinigen. Für eine kranke Frau wurde Holz von der Straße in den Keller transportiert, oder es wurde Holz gespalten. Mussten Sie auch etwas ablehnen? Ja, als in einem Fall auf einer abschüssigen Wiese eine schwere Mähmaschine eingesetzt werden sollte. Die Börsenmitglieder sind zwar als Angehörige unserer Initiative über das Land unfall- und haftpflichtversichert, aber die Helfer sollen sich keiner riskanten Situation aussetzen. Die sechs jungen Syrer, die sich von Beginn an beteiligt haben, wollten nach eigener Aussage „etwas zurückgeben“, sich für die Unterstützung, die sie bei ihrer Ankunft erfahren haben, revanchieren. Wie sieht es mit deren Motivation aus – ist die unverändert hoch und haben sich andere anstecken lassen? Ihre Motivation ist in der Tat unverändert hoch. Auf unsere kürzlich gestellte Frage, warum sie sich in der Gruppe engagieren, wurde die anfängliche Motivation bestätigt, aber auch erweitert um Aussagen wie „weil ich anderen Menschen helfen möchte“, „weil ich neue Leute kennenlernen will“, „weil ich mich gerne ehrenamtlich engagiere“ und „weil man mit Freunden zusammen arbeitet“. Mit ihrem Engagement konnten sie andere anstecken, die auch helfen wollen. Insgesamt sind es nun 20, die der Börse angehören, die „Neuen“ wollen wir sukzessive einbeziehen. Was bringt Ihrer Meinung nach die Initiative beiden Seiten – abgesehen von den Arbeiten, die erledigt werden? Unsere Initiative bringt Neubürger und Eingesessene zusammen, beide Seiten profitieren davon: Freundschaften entstehen – so nennen beispielsweise drei Jungen die ältere Dame, die sie regelmäßig unterstützen, „Mama“. Patenschaften werden eingegangen, Deutschunterricht wird über Arbeitseinsätze hinaus angeboten, Spiele werden organisiert. Die Börse ist zum Sprungbrett für Praktika und Arbeitsverträge geworden. Bei Bewerbungen oder einem benötigten Nachweis für eigenständige Integrationsbemühungen, wie es zum Beispiel beim Härtefallantrag verlangt wird, kann eine aktive, ehrenamtliche Teilnahme, von der Börse bescheinigt, von Vorteil sein. Einer der früheren Helfer ist bereits fest angestellt. Mit der Initiative nehmen wir einen Hilfebedarf wahr, der in der ländlichen Region kaum abgedeckt, ja kaum wahrgenommen wird. Selten finden sich Menschen, die – auch nicht gegen Bezahlung – für andere putzen oder kleinere Aufträge erledigen. Gibt es etwas, wo es noch hakt? Die Börse kann durchaus noch stärker genutzt werden. Wir hoffen, dass nach der Sommerpause wieder mehr Anfragen eingehen. Wünschenswert ist es, dass sich daraus mehr und mehr Patenschaften entwickeln. Persönliche Beziehungen sind die Grundlage für eine erfolgreiche Integration! Arbeit und Bedarf gibt es ja offensichtlich genug. Ist es auch denkbar, die „Börse“ auf Deutsche, die sich gerne einbringen möchten, zu erweitern? Ja. Es sind bereits zwei junge Deutsche von unseren „Börsianern“ gewonnen worden. Eine gute Mischung von Neubürgern und Einheimischen wäre sicher eine Bereicherung. Die jungen Helfer wollen mittlerweile nicht mehr als „Flüchtling“ bezeichnet werden und würden es begrüßen, nicht mehr unter sich zu bleiben. Für ihre Integration wäre es hilfreich! Info Wer in der VG Rockenhausen lebt und beispielsweise im Haushalt, Garten oder beim Einkaufen Hilfe benötigt, kann sich unter Telefon 0174 9167640 melden.

Seit Februar stellen jungen ausländische – und seit kurzem auch deutsche – Menschen in der VG Rockenhausen ihre Arbeitskraft une
Seit Februar stellen jungen ausländische – und seit kurzem auch deutsche – Menschen in der VG Rockenhausen ihre Arbeitskraft unentgeltlich zur Verfügung. Zunächst waren sechs Helfer aktiv, jetzt sind es 20.
x