Kirchheimbolanden Martin Reitzig bereitet den diesjährigen Orgelsommer vor
Der Kirchenmusiker Martin Reitzig ist seit 1988 Bezirkskantor, und die Einführung des Orgelsommers war zugleich seine erste prägende Amtshandlung. Der examinierte Kirchenmusiker kam von seiner ersten Stelle in Nürnberg zusammen mit Ehefrau in die Nordpfalz, weil ihn die waldreiche Gegend um den Donnersberg mit der Kleinen Residenz lockte.
Zudem reizte ihn die aus seiner Sicht bedeutendste Denkmalorgel der Pfalz, für ihn zudem eine der bedeutendsten erhaltenen Barock-Orgeln Deutschlands. Diese Stumm-Orgel von 1745 sei vergleichbar mit den großen Silbermann-Orgeln, schwärmt Reitzig. Da er den hohen Rang des Instruments herausstellen möchte, hatte er die Konzertreihe eingeführt – und der Orgelsommer hat nun auch die Coronakrise überstanden. In diesem Jahr finden sogar sechs Konzerte statt.
Der Orgelsommer ist die einzige Veranstaltungsreihe dieser Art in der Landeskirche: Selbst der Amtssitz Speyer und die weitaus größeren Städte wie Kaiserslautern und Ludwigshafen können einen vergleichbaren Konzertzyklus mit überregionalen Organisten nicht vorweisen.
An der Stumm-Orgel sind, so Reitzig, noch alle Pfeifen und Windladen sowie Gehäuse und Prospekt im Originalzustand erhalten. Allerdings wurde der von Mozart im Jahr 1778 gespielte Spieltisch nur bis 1966 genutzt, nun ist er zusammen mit einer Dauerausstellung zu Mozarts Zeit in Kirchheimbolanden in einem Kirchenraum zu besichtigen. Gespielt wird heute an modernen Spieltischen unten und oben. Eine damalige Entscheidung, die nach Reitzigs Darstellung heute vermutlich nicht mehr getroffen würde. 1936 wurde n durch die Orgelbaufirma Steinmeyer die Trakturen elektrifiziert, und 1966 ersetzte die Werkstatt Oberlinger den historischen Spieltisch.
Die Akustik in der Paulskirche wiederum ist einmalig: Die Orgel sei auf eine wunderbare Weise in die Kuppel eingehängt, was aufwendige Schmiedearbeiten erforderlich machte, erklärt Reitzig den besonderen Orgelklang in der Paulskirche. Konzerte sind hier ein Erlebnis, wovon sich die Konzertbesucher beim Orgelsommer-Auftakt am Sonntag, 4. Juni, um 17 Uhr überzeugen können. Heiner Graßt aus Essen ist einer von zwei hier konzertierenden und ursprünglich aus Russland stammenden Künstlern. Er wird Orgelwerke aus vier Jahrhunderten aufführen, gefolgt von dem in Moskau gebürtigen Stuttgarter Organisten Nikita Morozov, der ebenfalls mit Werken des deutschen und italienischen Barock und der Frühromantik am Sonntag, 16. Juli, um 17 Uhr die klangliche und stilistische Vielseitigkeit der Orgel demonstrieren will.
Dazwischen gibt es noch ein weiteres besonderes Konzert: Die Brüder Christian und Daniel Wolf aus Köln und Worms präsentieren am Sonntag, 25. Juni, um 17 Uhr ein ausgefallenes Programm in seltener Besetzung: Neben anderen Programmpunkten führen sie als besonderen Akzent Klezmer in der Bearbeitung für Orgel und Klarinette auf.
Das traditionelle Residenzfest-Orgelkonzert – das einzige mit Beginn um 18 Uhr – wird vom Bezirkskantor am Sonntag, 13. August, selbst gestaltet: Martin Reitzig suchte und fand dabei besondere Anlässe in diesem Jahr. So das Werk der Geburtstagsjubilare und Organisten Jacques Lemmens (200. Geburtstag) und Max Reger (150.). Dies in Kombination mit der deutschen Frühromantik von Schumann und Mendelssohn.
Im Grunde sind alle Konzerte der diesjährigen Reihe etwas Außergewöhnliches. Dennoch ragt nochmals das Orgelsommerprogramm am Sonntag, 15. September, mit Dorien Schouten heraus: Erstmals konzertiert hier eine niederländische Konzertorganistin und dies unterstützt durch den Kultursommer Rheinland-Pfalz. Mit der Uhrzeit – 19 Uhr – fällt sie ebenfalls wie mit ihrem Programm (niederländische, englische und französische Orgelmusik) etwas aus dem gewohnten Rahmen.
Natürlich ist in diesem Jahr gegen Ende der ausklingenden Amtszeit des dann im Ruhestandsalter angekommenen Bezirkskantors auch das Abschlusskonzert ein weiterer Kulminationspunkt: Am Dienstag, 3. Oktober, um 17 Uhr führt die Bezirkskantorei Kirchheimbolanden-Winnweiler Beethovens Messe C-Dur auf, zusammen mit den LUfonikern aus Ludwigshafen und einem hochrangigen Solistenquartett. Weitere Werke stehen noch nicht gänzlich fest.
Mit Ausnahme des Chor- und Orchesterkonzertes im Oktober wird grundsätzlich kein Eintritt erhoben, die Konzerte finden auf Spendenbasis statt, dennoch haben die Künstler feste Gagen. Allerdings räumt Martin Reitzig ein, dass bei dieser Mischkalkulation auch mal Konzerte unterfinanziert seien, notfalls übernehme die Kirchengemeinde die Aufstockung eines Fehlbetrages. Spenden sind also stets willkommen.
Termine
- Der Orgelsommer in der Pauskirche Kirchheimbolanden im Überblick:
- Sonntag, 4. Juni, 17 Uhr, Orgelwerke aus vier Jahrhunderten mit Heiner Graf
- Sonntag, 25. Juni, 17 Uhr, Konzert mit Christian und Daniel Wolf
- Sonntag, 16. Juli, 17 Uhr, Konzert mit Nikita Morozov
- Sonntag, 13. August, 18 Uhr, Konzert mit Martin Reitzig
- Sonntag, 15. September, 19 Uhr, Konzert mit der Niederländerin Dorien Schouten
- Dienstag, 3. Oktober, 17 Uhr, Beethovens Messe C-Dur mit der Bezirkskantorei Kirchheimbolanden-Winnweiler und den Lufonikern