Alsenz Jakob Müller: Vom Alsenzer Revolutionär zum Generalkonsul der USA

Ein Gemälde von Jakob Müller ist im Besitz von Christoph Müller-Wirth in Karlsruhe.
Ein Gemälde von Jakob Müller ist im Besitz von Christoph Müller-Wirth in Karlsruhe.

Am Mittwoch jährt sich der Geburtstag eines berühmten Alsenzers zum 200. Mal. Jakob Müller gehörte zu den 48er-Revolutionären und wurde gar steckbrieflich gesucht. Deswegen flüchtete er nach dem Pfälzer Aufstand 1849 in die USA und machte dort als Jurist und Politiker Karriere. Und gelangte so schließlich als Vertreter der USA nach Deutschland.

Am 9. März 1822 wurde Jakob Müller in Alsenz als drittes von fünf Kindern des Gerbereibesitzers Georg Wilhelm Müller und seiner aus Duchroth stammenden Frau Elisabetha Geib geboren. Als er sieben Jahre alt war, starb seine Mutter. In zweiter Ehe heiratete sein Vater Barbara May aus Alsenz. Aus dieser Ehe gingen noch einmal fünf Kinder hervor. Nach dem Besuch von Volksschule und Gymnasium studierte Jakob Müller Jura in Heidelberg und schloss sich der Burschenschaft Walhalla an. Später stellte ihn der Kirchheimbolander Notar Carl Wilhelm Schmidt als Schreiber ein.

1848 begeisterte sich Müller für die revolutionären Bestrebungen, unterstützte die Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung und beobachtete mit großem Interessen deren Arbeit in der Frankfurter Paulskirche. Als sich der bayerische König weigerte, die von der Nationalversammlung erarbeitete Reichsverfassung anzuerkennen, formierte sich im Frühjahr 1849 in der Pfalz heftiger Widerstand, der schließlich zur Bildung einer „Provisorischen Regierung der Pfalz“ in der Kaiserslauterer Fruchthalle führte. Sie bestellte Müller zum „Zivilcommissär“ des Landkommissariats Kirchheimbolanden.

„Ohngefähr 6 Schuh groß, von schlanker Statur“

Nach der Niederschlagung des Pfälzer Aufstands flüchtete Müller im Juni 1849 mit Hunderten weiteren Pfälzern über Baden in die Schweiz, von dort nach Frankreich, um von Le Havre aus in die USA zu emigrieren. Indessen wurde er in Deutschland steckbrieflich gesucht. Im Anklageakt gegen die Teilnehmer des Aufstands wurde ihm vorgeworfen, auf einer Volksversammlung in Obermoschel „zum Kampfe“ aufgefordert zu haben. In seiner Eigenschaft als Zivilkommissär habe er die Gendarmeriestationen „mit Beihilfe von Volkswehr oder Freischaaren“ entwaffnet, die Eintreibung der Steuern befohlen, „auf die terroristischste Weise“ Zwangsanleihen eingetrieben, die königlichen Beamten zur Eidesleistung aufgefordert und sie im Weigerungsfalle ihres Amts enthoben. Auch habe er Rekrutierung betrieben, Exekutionszüge in die renitenten Gemeinden geschickt, öffentliche Kassen gewaltsam selbst oder durch seine Agenten weggenommen, Verhaftungen durchgeführt oder vornehmen lassen und die Ablieferung der Privatwaffen erzwungen.

Müllers äußere Erscheinung wurde im Anklageakt folgendermaßen beschrieben: „Ohngefähr 6 Schuh groß, von schlanker Statur, länglichem bleichen Angesichte, schwarzen dichten Haaren, hoher Stirn, dunkelbraunen Augenbrauen, grauen Augen, proportionierter Nase, gesunden jedoch eingefallenen Wangen, mit stark hervorragenden Backenknochen, mittelmäßigem Munde, starkem Bart, gesunden Zähnen, gewölbten Beinen.“

Mit Melonen und Zwiebeln

In New York 1849 angekommen, reiste er weiter nach Cleveland im US-Bundesstaat Ohio. Die Stadt zählte damals circa 16.000 Einwohner, unter ihnen etwa 3000 Deutsche. Nachdem er einige Monate in der Stadt gelebt hatte, zog es ihn an den Stadtrand zu seinem aus Oberndorf stammenden Jugendfreund Carl Philipp Anhäuser. Mit ihm zusammen widmete er sich zunächst der Landwirtschaft und baute – ohne größeren Erfolg – Melonen und Zwiebeln an. Doch das Landleben und die Landwirtschaft waren nichts für ihn.

1852 gründete Jakob Müller mit dem Dresdener 48er August Thieme und dem Kirchheimbolander Louis Ritter, mit dem er bald eine Anwaltskanzlei betrieb, die deutsche Zeitung „Wächter am Erie“. Von Cleveland aus unterstützte er den „Amerikanischen Revolutionsbund für Europa“ und sammelte Gelder für eine erneute Revolution in Deutschland.

Gefragter Redner bei politischen Versammlungen

1853 heiratete er Charlotte Finger. Das erste Kind, ein Junge, starb als Säugling. Als das zweite Kind, Emma, gerade zwei Jahre alt war, starb die Mutter. 1860 heiratete Jakob Müller Laura Schmidt, die 1839 in Kirchheimbolanden geborene Tochter seines früheren Chefs Carl Wilhelm Schmidt, der als Mitglied der „Provisorischen Regierung der Pfalz“ mit seiner Familie ebenfalls ins amerikanische Exil gegangen war. Mit ihr hatte Jakob Müller drei weitere Töchter: Paula, Minnie und Elsie.

In Cleveland setzte Müller sein politisches Engagement fort und wurde ein gefragter Redner bei politischen Versammlungen. Er beteiligte sich an der Gründung des deutsch-republikanischen Clubs, zu dessen Vizepräsident er gewählt wurde. Wie viele seiner Mitstreiter setzte er sich im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 1856 für John Charles Fremont ein, der im mexikanischen Krieg (1846-48) und bei der Annexion Kaliforniens eine große Rolle gespielt hatte. Doch der Republikaner verlor gegen James Buchanan von den Demokraten.

Unterstützung für Abraham Lincoln

Auch in der folgenden Wahlkampagne unterstützte er den Kandidaten der republikanischen Partei: Abraham Lincoln. Er galt für ihn als Garant für die Eindämmung der Sklaverei. Bei Ausbruch des amerikanischen Bürgerkrieges half Müller 1861, mehrere Regimenter zusammenzustellen, die vor allem aus deutschen Einwanderern bestanden.

1871 wurde er zum „Lieutenant Governor“ von Ohio gewählt. Im folgenden Jahr schloss er sich dem „Liberal Republican Movement“ an, das die Wiederwahl des republikanischen Präsidenten und Bürgerkriegsgenerals Ulysses S. Grant zu verhindern suchte, da dieser Korruptionsskandale in seinem Umfeld nicht energisch genug verfolgte. „Wie viele andere Politiker in der sogenannten Wiedereingliederungsphase der Südstaaten vollzog Müller einen Schwenk zur Demokratischen Partei und wurde neben seiner Tätigkeit als angesehener Anwalt in Cleveland nunmehr zu einem ihrer wichtigen Vertreter in Ohio.“

Als Generalkonsul zurück nach Deutschland

Aus Dankbarkeit für sein Engagement im Präsidentschaftswahlkampf 1884 ernannte ihn der demokratische Präsident Grover Cleveland 1885 zum amerikanischen Generalkonsul in Deutschland. Ein Jahr nach seiner Übersiedlung nach Frankfurt starb dort seine Frau Laura, die Jakob Müller in Kirchheimbolanden beisetzen ließ.

1880 hatte er damit begonnen, seine Erinnerungen in der Zeitung „Wächter am Erie“ zu veröffentlichen, die er 1896 in einem Buch zusammenfasste: „Aus den Erinnerungen eines Achtundvierzigers. Skizzen aus der deutsch-amerikanischen Sturm- und Drang-Periode der 50er Jahre.“ Im Alter von 83 Jahren starb Jakob Müller am 31. August 1905 in Cleveland.

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