Donnersbergkreis Jüngstes Gericht, Höllenrachen und Gleichnis der törichten Jungfrau

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Es war eine Kerwe der anderen Art, die an diesem Wochenende in Oberndorf gefeiert worden ist. Grund dafür waren in erster Linie gleich zwei „Schnapszahl-Jubiläen“, die in diesem Jahr in der Alsenztal-Gemeinde begangen werden: 888 Jahre Ersterwähnung von Ort und Kirche sowie 333 Jahre Simultaneum in der historischen Wehrkirche. Aus diesem Anlass hatte der Brauchtumsverein für Freitagabend zum Vortrag „888 Jahre Oberndorf – Kirche und Kerwe“ in die Dorfgemeinschaftshalle eingeladen – mit einem äußerst profunden Referenten.

Denn in die Nordpfalz gekommen war der aus Obermoschel stammende und heute in Erfurt lebende Geschichtsprofessor Rainer Schlundt. Ihm ist es mit einem Lichtbildervortrag und allseits verständlichen Ausführungen scheinbar mühelos gelungen, die einheimischen, aber teils auch aus den Nachbardörfern gekommenen Besuchern in den Bann der Heimatforschung und Kirchengeschichte zu ziehen beziehungsweise in mancherlei Hinsicht für „Aufklärung“ zu sorgen. Nach den Jazz-, Blues- und Swing-Klängen der rheinhessischen Musikgruppe „St. Joh’s“ aus St. Johann zur Eröffnung des Abends und dem analog zu einem Gottesdienst erklingenden Glocken füllte sich der zunächst spärlich besetzt Raum erstaunlich gut. Vereinsvorsitzender und Ortsbürgermeister Karl Ludwig Bernhard begrüßte zunächst die Gäste. Im Anschluss war der Stolz im Raum förmlich zu spüren, als der Geschichtsexperte mit Blick auf die Simultankirche von einem „unglaublichen Juwel“ für unsere gesamte Region sprach. Schlundt erklärte die bauliche Gestaltung des kleinen Gotteshauses sowie das Zusammenspiel zwischen älteren romanischen Bestandteilen und den jüngeren gotischen Anbauten. Bezogen auf die zusätzliche Wehrfunktion – die Kirche bildete zusammen mit den Burgen Stolzenfels, Randeck, Lewenstein und Altenbamberg ein nach außen hin sichtbares Machtzentrum des reichen Rittergeschlechts der Löwenstein zu Randeck – bekam das kirchliche Sprichwort „Eine feste Burg ist unser Gott“ für manchen Zuhörer eine völlig andere Bedeutung. Das Innere des Gotteshauses hatte eine belehrende, ermahnende und aufklärende Aufgabe. Die Stifter hatten biblische Bildszenen des alten Testaments anbringen lassen, die das jüngste Gericht, den Höllenrachen und das Gleichnis der törichten Jungfrauen zeigen – alles war durchdacht. Und der riesige Christus, auf dem Regenbogen oberhalb der zweigeteilten Weltkugel mit Schatten- und Lichtseite sitzend, lässt heute noch die Kirchenbesucher staunen. Viele wissen allerdings nicht, was die Künstler einst mit diesen Gemälden zum Ausdruck bringen wollten – hier brachte der Historiker in groben Zügen „Licht ins Dunkel“. Auch die Platzierung der Herrscherwappen auf den für die Stabilität des Kreuzrippengewölbes im Chor unabkömmlichen Schlusssteinen war wohl überlegt und sollte klar machen: „Ohne uns geht nichts!“ Der Referent ging auch auf die Verknüpfung mit dem Bergbau, die Patrone, die mahnenden Inschriften der Grabplatten und Parallelen mit anderen Kirchen ein. Zum Abschluss erzählte Schlundt dann in einer Art historischen Kerwerede einige unterhaltsame „Stickelscher“. So berichtete er über Streitigkeiten zwischen Katholiken und Protestanten um die Ausübung des seit 1683 bestehenden Simultanrechts, die in eine Dreschflegelschlacht-Androhung mündeten. Sein Schlussresümee: „Vergangenheit erlaubt uns, die Gegenwart zu vergleichen und die Zukunft zu gestalten. Die Geschichte ist der Ausdruck unseres Lebens und der Region, auf den wir stolz sein können.“ Ganz ohne eine „normale“ Kirchweih-Feier ging es dann aber doch nicht: Auf dem kleinen Festplatz vor der Halle zelebrierte die Kerwejugend – wenn auch mit fast zwei Stunden Verspätung – das Ritual des Kerwebaumschmückens und -aufstellens. Anfängliche Probleme wurden im Zusammenspiel von Jung und Alt gelöst. Apropos Probleme: Die gab es auch beim Fassbieranstich, als der Ortsbürgermeister beim wuchtigen Anschlag den Absperrhahn beschädigte – und diesen dann mit viel technischem Geschick durch eine Wasserrohrzange ersetzte, so dass das Bier dann doch in Strömen floss. Nach der Discoparty mit „DJ Wolle von Roadair“ am Samstag folgte gestern ein gemeinsames Essen mit Platzkonzert des Wiesberg-Orchesters und anschließendem Ballonflug-Wettbewerb. Heute laden die Vereine zu geräucherten Forellen, Steaks und „Lewwerknepp“ ein. |tnt

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