Donnersbergkreis Interview: „Will collagenhaft inhaltliche Schlaglichter setzen“

Die in Kirchheimbolanden aufgewachsene Aileen Schneider, Regieassistentin am Staatstheater Augsburg, übernimmt mit der Inszenierung der Oper „Die Rückkehr des Odysseus“ gewissermaßen ein Heim-Spiel. Mit ihr sprach Barbara Till.

Was reizt Sie, mit Claudio Monteverdis „Il Ritorno d’Ulisse in Patria“ eine der frühesten Opern überhaupt einzustudieren?

Barockmusik liegt mir generell am Herzen. Die Barockoper thematisiert menschliche Themen auf stark modellhafte Weise. Sie ist der Anfang einer Musiktheater-Sprache, die allen Mitwirkenden viel Freiheit im Gestalten und Erzählen lässt. In der Musik beispielsweise war ja nur die Basslinie vorgegeben. Durch dieses „Wir erschaffen es im Moment“ erscheint mir die Barockoper beinahe moderner als neuzeitliche Musik oder auch als Opern etwa der Spätromantik, die uns ungleich stärker auf Anweisungen, eine konventionelle Perfektion festlegen. Was fasziniert Sie an Monteverdis Musik im Speziellen? Er war ein Pionier des theatralischen Schreibens, der mit einer äußerst farbenreichen Musik und einer interessanten Form des Komponierens große Gefühlswelten erschaffen konnte. Und uns anhand des antiken mythologischen Geschehens menschliches Innenleben in Fragestellungen erleben lässt, die für uns heute ähnlich relevant sind wie vor fast 400 Jahren, als die Oper entstand. Zum Beispiel? Für Odysseus ist nach Trojanischem Krieg und zehnjähriger Irrfahrt die Rückkehr ins Vaterland, also „Patria“, existenziell. Was bedeutet uns ein Ort, den wir Heimat, ein Land, das wir Vaterland nennen? Nach seiner Rettung von Pallas Athene in einen alten Bettler verwandelt, wird Odysseus am Hof von Ithaka zunächst nicht erkannt und von den Freiern, die seine Frau Penelope nach dem vermeintlichen Tod des Gatten heftig umgarnen, gedemütigt. Aber am Ende hat er wieder das Heft des Herrschens in der Hand, weil er – und das ist wörtlich zu nehmen – eben den Bogen raus hat. Odysseus hat sich jedoch auch verändert: Er hinterfragt seine Rolle als König, Vater, Ehemann. Darin liegt für mich ebenfalls Ambivalenz. Einerseits geht es ohne Führungspersonen offenbar nicht in der Gesellschaft, aber der Ruf nach dem „starken Mann“ kann auch Alibi dafür sein, sich als Individuum vor eigener Verantwortung wegzuducken. Die Frage, die ich an die Zuschauer weiterreichen möchte, ist: Müssen sich der Einzelne, die Gesellschaft nicht viel mehr auf die eigene Mündigkeit besinnen? Das gilt auch für einen zweiten Aspekt, den Mechanismus von Gewalt und Gegengewalt, wie ihn der historische Opernstoff vorführt. Wie souverän sind wir, solchen Kräften entgegenzuwirken? Die Einbeziehung einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, darunter Flüchtlinge aus Syrien, kann dem ja besonderen Nachdruck verleihen. Wie beziehen Sie sie in die Aufführung ein? Es sollen diese Jugendlichen sein, die solche Fragen an die Zuschauer richten, denn als junge Generation werden sie ja die Verantwortung aufnehmen müssen. Denkbar auf der Bühne sind die Form des antiken Sprech-Chores oder auch chorisch-choreographische Bewegungen. In Workshops, die schon begonnen haben, sprechen wir nicht nur über Inhalte und Verhaltensmuster, sondern gehen zum Beispiel auch auf die Körperlichkeit des Theaterspiels ein. Die Original-Oper ist zweieinhalb Stunden lang und erfordert einiges an Personal. Was ist für Sie hier machbar? Ich möchte sie auf 90 Minuten kürzen, natürlich nicht unter Verzicht auf die großen Arien. Mir geht es nicht um den gesamten Plot, sondern ich will collagenhaft inhaltliche Schlaglichter setzen. Professionelle Sängerinnen und Sänger gestalten die Hauptfiguren. Sie sollen wie Artefakte von den Kindern bewegt werden in einer Art Spiel im Spiel. An Gesangsrollen wird einiges gestrichen, andererseits verkörpert eine Sopranistin drei Figuren. Wie sieht es mit der Orchestrierung und dem sonstigen „Arbeitsstab“ bei diesem Projekt aus? Ich durfte mir mein Team selbst zusammenstellen, ein Glücksfall. Felix Schönherr, der musikalische Leiter, ist Kirchenmusiker in Königswinter und ein Spezialist für Barockmusik, er schreibt die Arrangements für die sechs beteiligten Musiker, Streicher und Bläser. Dramaturg ist Franz-Erdmann Meyer-Herder von der Staatsoper Stuttgart, Lisa Marie Damm aus Hamburg, mit der ich schon bei zwei Projekten am Ende meines Studiums zusammengearbeitet habe, übernimmt das Bühnenbild. Und die Kostüme entwerfe ich selbst, weil sich das für mich immer auch mit der Entwicklung der Figuren verbindet. Wie werden Sie Ihre Verpflichtungen am Staatstheater Augsburg und die Proben in der Pfalz unter einen Hut bringen? Ich habe die Proben in meine kostbare Spielzeit-Pause gelegt. Aber das mache ich gern. Wir versuchen, sie auf dreieinhalb Wochen zu konzentrieren und jeden Tag zu üben. Ich hoffe natürlich, dass die Jugendlichen, die dafür ja einen Teil ihrer Ferien geben, dann auch richtig Bock haben.

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