Donnersbergkreis Hightech „made in Kirchheimbolanden“
Als Uwe Schwarz 1986 bei der damaligen KKK anfing, verließen 300.000 Turbolader jährlich das Werk an der Marnheimer Straße in Kirchheimbolanden. Heute gibt Borg Warner den Jahres-Ausstoß mit 3,5 Millionen an. Schwarz, der am Donnerstag eine von drei Gruppen auf der RHEINPFALZ-Sommertour durch das Werk führte, ist sichtlich stolz auf sein Unternehmen. Wegen des stetigen und steilen Wachstums natürlich, aber nicht minder wegen der Innovationen „made in Kirchheimbolanden“. Werk und Entwicklungszentrum sind Flaggschiff der Turbosystemssparte des US-Konzerns.
Dessen Dimension hatte den rund 30 Tour-Teilnehmern eingangs Jürgen Adam, als Werkleiter verantwortlich für Produktion und Logistik, vor Augen geführt. Borg Warner beschäftigt über 20.000 Mitarbeiter an 60 Standorten weltweit; 2000 sind es im größten Werk Kirchheimbolanden. Die Turbosystems-Sparte ist Konzern-Primus, ihr „Headquarter“ befindet sich in Kirchheimbolanden. Unter den Konzernsparten ist es das einzige Hauptquartier außerhalb der USA. In dem als eigene Gesellschaft agierenden Entwicklungszentrum in Kirchheimbolanden mit noch einmal 450 Mitarbeitern werden jene Lader entwickelt, die später in Schwesterwerken in Europa, Asien und Südamerika produziert werden. Dabei reiche das Spektrum vom kleinsten Turbolader für den „Smart“ bis zu riesigen standfesten Aggregaten oder Ladern für Schiffsmotoren. Letztere würden aber nur alle paar Jahre Jahre gebaut, berichtete Adam, während von einem gängigen Lader für einen VW etwa 3000 Stück am Tag das Werk verlassen. Menge und Spezialisierung schließen dabei einander nicht aus. Jeder Lader werde für einen speziellen Motor entwickelt, sagte Adam, entsprechend groß sei die Variantenvielfalt: Rund 850 Turboladermodelle hat Borg Warner im Programm. Kunden sind nahezu alle großen Automarken; gern zeigte Adam renommierte Auszeichnungen von Porsche, Daimler, BMW oder Volvo für die Entwicklung neuer Technologien, für Produkt- und Lieferqualität. Vom Beginn der Motorentwicklung an arbeite Borg Warner eng mit den Autobauern zusammen, erläuterte Adam auf eine Besucherfrage. Drei bis dreieinhalb Jahre, manchmal auch länger dauere es, bis ein Produkt reif für die Serienfertigung sei – nach Entwicklung, Erprobung, Prototypenbau und zahlreichen „Härtetests“ beim Hersteller wie beim Anwender. Auch in Kirchheimbolanden steht für Fahrtests nach zahlreichen anderen werksinternen Prüfungen eine kleine Wagenflotte bereit, zu erkennen an den Autokennzeichen KIB - BW. Von der Prototypenfertigung an konnten die Tour-Teilnehmer den Weg bis zum Lader in Großproduktion verfolgen. Uli Schreiber leitet den „Prototypen-Shop“; die 90 Mitarbeiter werden 2014 etwa 9000 Lader für Kunden und das eigene Entwicklungszentrum herstellen; im Pkw-Bereich arbeiten sie für Abnehmer weltweit, bei Nutzfahrzeugen für Europa. Bearbeitet werden können hier alle Teile, die im Prototyp benötigt werden. Höchste Materialgüte und Präzision sind außerordentlich wichtig, erreichen Verdichterräder doch um die 300.000 Umdrehungen je Minute und der Lader an seiner „heißen“ Seite Temperaturen von bis zu über 1000 Grad Celsius. In Schreibers Bereich werden Prototypen auch montiert und getestet. Dass im Auto immer öfter nicht mehr nur ein einziger Turbolader steckt, um für mehr Leistung bei sparsamerem Spritverbrauch zu sorgen, erklärte er auch: Bei zweistufiger Aufladung sei Borg Warner weltweit führend, dreistufige Aufladung gäbe es nur bei BMW, ebenfalls Borg-Warner-Kunde. In die Großproduktion ging es auf der nächsten Station: die Verdichterräder- und Läuferfertigung. Thilo Baltruschat zeigte in seinem Verantwortungsbereich unter anderem, wie automatisiert in zwei Minuten ein Verdichterrad gefräst wird. Schwarz erzählte von Gruppenarbeit und Inselfertigung, die in der Komponentenherstellung wie auch in der Montage dominiert und die Transporte innerhalb der Werkhallen beeinflusst hat: Für optimalen Transportfluss sind Wege aufgezeichnet, Rollwagen bringen Arbeitsmaterial zu Fertigungs-„Inseln“, die in sich einen geschlossenen Kreislauf bilden. „Das Arbeitsergebnis muss stimmen, ansonsten regelt die kleine Mitarbeiter-Gruppe alles unter sich“, erklärt Schwarz. Geht es in der Komponentenherstellung relativ laut zu, empfanden die Tour-Teilnehmer die Montage als ziemlich ruhig. Kein Wunder, Roboter neuester Bauart, oft erst ein Jahr alt, verrichten in der hellen und blitzsauberen Halle hinter „Glaskästen“ geräuscharm Präzisionsarbeit, liefern im Minutentakt vollautomatisch einen kompletten Turbolader ab, messen, kontrollieren Qualität. Der Mensch ist vor allem als wachsames Auge und Materialzulieferer nötig. Diese Zulieferungen werden beim Logistikzentrum am nördlichen Kirchheimbolander Stadtrand geordert; für eigene Lagerhaltung ist wegen der Expansion der Produktion längst kein Platz mehr. In die Zukunft investiert Borg Warner auch mit seiner Ausbildung in drei technischen Berufen. Praxisnähe werde von Anfang an groß geschrieben, erläuterte Melanie Häusler im Ausbildungszentrum des Unternehmens (wo einst die Keimzelle des ganzen, 1960 gegründeten Werkes war). Eigenverantwortung werde früh geprägt, etwa in einer „Ausbildungsinsel“, die sechs bis acht Azubis unterschiedlicher Ausbildungsjahre vereint. Dass Lehrlinge mit einem Notenschnitt besser als 2,5 mit unbefristetem Arbeitsvertrag übernommen werden, ist die Regel. Entscheidend aber sei das „Wollen“, sagt Tour-Guide Schwarz aus eigener langjähriger Erfahrung, dann sei die Note auch nicht alles. Ein Gedanke, den Werkleiter Jürgen Adam in der gemeinsamen Schlussrunde noch einmal fortsetzte: „Sie haben hier eine Hightech-Produktion gesehen. Und Sie haben sicher Mitarbeiter gesehen, die stolz sind auf das, was hier produziert wird.“ Dem konnten die Gäste nur beipflichten.